Metropolis - Gesundheit anders denken. Workshop der AG Geschichte von Sozialmedizin, Sozialhygiene und Public Health, Jahrestagung der DGSMP

Metropolis - Gesundheit anders denken. Workshop der AG Geschichte von Sozialmedizin, Sozialhygiene und Public Health, Jahrestagung der DGSMP

Veranstalter
Deutsche Gesellschaft für Sozialmedizin und Prävention e. V. (DGSMP), Universitätsklinikum Essen, Zentrum für Urbane Epidemiologie
Veranstaltungsort
Haus der Technik, Hollestr. 1, 45127 Essen
Ort
Essen
Land
Deutschland
Vom - Bis
14.09.2016 - 16.09.2016
Deadline
10.03.2016
Von
Sigrid Stöckel

Aus historischer Perspektive eröffnen sich mit dem Thema Stadt, Gesundheit und „anders denken“ verschiedene Dimensionen:
Die Stadt als Raum, in dem Menschen dicht beieinander wohnen, eine mehr oder weniger dichte Bebauung vorherrscht und die hygienischen Probleme zunächst sehr unzureichend gelöst waren. Neben dem Satz „Stadtluft macht frei“, der die Lösung aus traditionellen Unterordnungsverhältnissen bezeichnete und die Stadt attraktiv machte, stand die Befürchtung, die Stadt mache krank. Dies galt insbesondere für die schnell wachsenden Industriestädte in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, ist aber bis heute virulent, in gewisser Weise in einer toxikologischen Negation des Satzes „Stadtluft macht frei“, wenn man an die Diskussionen um Feinstaub und Umweltzonen in den Städten denkt.

Die Stadt als verfasste Gemeinschaft: Gerade in dieser Agglomeration von Einwohnern, von denen nicht alle gleichberechtigte Bürger waren, konstituierte sich eine städtische Obrigkeit, die nicht nur die Ordnung herstellen wollte, sondern Gesundheit als einen Teil der Ordnung begriff. In diesem Zusammenhang wurden städtische Regelungen für den Erhalt der Gesundheit getroffen wie auch Institutionen für die Versorgung im Krankheitsfall geschaffen. Angefangen von der mittelalterlichen Marktordnung und dem Reinheitsgebot von Lebensmitteln über die Sanierung der städtischen Wasser- und Abwasserversorgung und eine bürgerbeteiligte, nicht gewinnorientierte und demokratisierte Kommunalisierung der städtischen Grund-Versorgung. Aus ökonomischen wie gesundheitspolitischen Überlegungen versuchten Städte, Krankheiten möglichst entgegenzuwirken, aber sie wurden auch zu Orten medizinischen Fortschritts, und Institutionen der Krankenversorgung und Forschung von kommunalen Krankenhäusern bis zu Impfinstituten und Unikliniken gehörten zum städtischen Selbstverständnis.

Stadt als Ort gesellschaftlicher Teilhabe: Für die Phase des 18. bis 19. Jhs lässt sich die politische Haltung der um Gesunderhaltung bemühten Akteure als „kühle Teilnahme und warme Distanz“ (Steffen Martus, Aufklärung 2015) und damit als persönlich mehr oder weniger unbeteiligte Regelung gesellschaftlicher Problembereiche beschreiben. In dem Maße, in dem Metropolen Orte gesellschaftlichen Engagements und Aktivismus wurden, werden individuelle oder gruppenspezifische gesundheitliche Anliegen im städtischen Raum artikuliert. Bereits in den 1920er Jahren entstanden Initiativen wie das 1925 durch Curt Bejach mitbegründete „Gesundheitshaus am Urban“ in Berlin, in dem anstelle der traditionell standespolitisch beherrschten Medizin Prävention für Menschen in allen sozialen Lagen angeboten wurde. Seit dem späten 20. Jh. formierten sich Gruppierungen, die sich von obrigkeitlichen Strukturen und damit auch von der Medizin bevormundet fühlten und selbstbestimmte Formen der Gesunderhaltung wiederbeleben und kultivieren wollten („Gesundheitsläden“). Das Bemühen, nicht hinter der Krankheit zu verschwinden, wurde mit der Krüppelbewegung ebenso deutlich wie anlässlich der in den 1980er Jahren sich ausbreitenden AIDS/ HIV-Infektion, als Betroffene für öffentlich sichtbare Treffpunkte und Hilfsangebote kämpften und damit im Stadtkörper wie auch im gesellschaftlichen Raum sichtbar bleiben. Inzwischen sind neben Expertenmeinungen die Einschätzungen von Bürgern explizit gefragt: Bürgerkonferenzen, Town Hall meetings, Bürgergutachten, Runde Tische – die Einbindung der Bürger ist Standard, mit Aspekten der Teilhabe wie der sozialtechnologischen Befriedung gleichermaßen.

Welche Kontinuitäten sind historisch zu beobachten, wenn man die Stadt als Ort der Entstehung oder Gefährdung der Gesundheit sowie als Ort der diskursiven Verhandlung darüber in Augenschein nimmt? Wie hat sich das Verhältnis zum „ländlichen Raum“ verändert? Wo zeichnen sich neue Perspektiven ab? Diese und weitere Themen wollen wir im diesjährigen Workshop der AG Geschichte der Sozialmedizin auf der Jahrestagung der DGSMP diskutieren. Wir laden alle Interessierten – aus medizinhistorischer Sicht oder aus aktueller gesundheitsökonomischer und sozialmedizinischer Sicht – herzlich dazu ein.

Für die Anmeldung von Impulsvorträgen sind die Richtlinien für Abstracts der Deutschen Gesellschaft für Sozialmedizin und Prävention (DGSMP) zu beachten, die bei der Registrierung (http://registry.gmds-online.de) einzusehen sind und hier zitiert werden:

Bitte gliedern Sie Ihr Abstract nach
- Einleitung / Hintergrund
- Material und Methoden
- Ergebnisse
- Diskussion / Schlussfolgerungen
und senden Sie es bis zum 10.03.2016 an Sigrid Stöckel, stoeckel.sigrid@mh-hannover.de

Wir freuen uns auf Ihre Beiträge!

AG „Geschichte von Sozialhygiene, Sozialmedizin und Public Health“ der Deutschen Gesellschaft für Sozialmedizin und Prävention
Dr. Sigrid Stöckel MPH (Institut f. Geschichte, Ethik & Philosophie d Medizin, Medizinische Hochschule Hannover),
Dr. Gabriele Moser (Institut für Geschichte und Ethik der Medizin, Universität Heidelberg)
Dr. Joseph Kuhn (Bayerisches Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit)

Programm

Kontakt

Sigrid Stöckel

Institut für Geschichte, Ethik & Philosophie der Medizin
Medizinische Hochschule Hannover
0511 5323506
0511 5325650
stoeckel.sigrid@mh-hannover.de

http://www.mh-hannover.de/stoeckel0.html
Redaktion
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