Familie, Lebenslauf und Gedächtnis in Geschichte und Gegenwart Südosteuropas

Familie, Lebenslauf und Gedächtnis in Geschichte und Gegenwart Südosteuropas

Veranstalter
8. Wolfenbütteler Nachwuchskolloquium der „Fritz- und Helga- Exner- Stiftung“ und des „Schroubek-Fonds Östliches Europa“
Veranstaltungsort
Bundesakademie für kulturelle Bildung Wolfenbüttel
Ort
Wolfenbüttel
Land
Deutschland
Vom - Bis
02.04.2017 - 04.04.2017
Website
Von
Elisa Satjukow, Institut für Ost- und Südosteuropäische Geschichte, Historisches SeminarUniversität Leipzig

Call for Papers

Die Südosteuropa-Gesellschaft veranstaltet in regelmäßigen Abständen ein Kolloquium für Nachwuchswissenschaftler aus dem deutschen Sprachraum und aus Südosteuropa, das von der Fritz und Helga Exner-Stiftung und dem Schroubek-Fonds Östliches Europa getragen wird. Das diesjährige Kolloquium gilt dem höchst relevanten Thema „Familie, Lebenslauf, Gedächtnis in Geschichte und Gegenwart Südosteuropas". Das Kolloquium ist offen für Vertreter aus den Fächern Europäische Ethnologie und Volkskunde, Geschichte und Sozialwissenschaften.

Die großen historischen Umbrüche des 19. und 20. Jahrhunderts und der tiefgreifende politische und soziale Wandel in Südosteuropa haben das Leben der Menschen und ihre Lebensläufe tiefgreifend verändert. Standardisierungsbemühungen, Pluralisierung von Lebensläufen, aber auch das widerständige Beharren auf eingeübten Lebensweisen haben all diese Umbrüche dabei begleitet. Nach der Epoche der post-osmanischen Nationalstaatswerdung im 19. und frühen 20. Jahrhunderts, die im Zeichen eines an bürgerlichen Ordnungsvorstellungen orientierten Wandlungsprojektes stand, haben der Sozialismus und die mit ihm einhergehende Industrialisierung ein zweites Mal binnen eines Jahrhunderts auf eine Standardisierung der Lebensläufe im Dienste des Herrschaftssystems hingewirkt. Die post-sozialistische Transformation schließlich hat wiederum zu einer Pluralisierung von Biographien geführt, die sich zudem auch in Südosteuropa in wachsendem Maße dem Veränderungsdruck globalisierter Vernetzung ausgesetzt sehen. Die Globalisierung hat Eingang gefunden auch in den intimen Raum des persönlichen Lebens, berührt die Familie und das emotionale Leben, kommerzialisiert es und macht es zur Ware. Trotz der sich angleichenden Muster der Lebensläufe in Europa bleiben dabei allerdings Unterschiede in den einzelnen Lebensläufen, also in der Bedeutung von Kindheit und Jugend, Alter und Altern, Familienleben und Arbeitsleben sowie sozialen Rollen in den verschiedenen Gesellschaften und Zeiträumen.

Um das Leben der Menschen von Geburt bis Tod zu verstehen, erforschen Ethnologen, Soziologen wie auch Historiker die Lebensläufe der Menschen. Das Konzept des „Lebenslaufs“ ermöglicht ihnen, das Leben der Menschen im Rahmen sozio-kultureller, politischer und historischer Kontexte besser zu verstehen und dabei das Handeln der Individuen wie auch deren Alltagserfahrung einzubeziehen. In Bezug auf Südosteuropa gilt es dabei in besonderem Maße zu berücksichtigen, wie die „longue durée“ strukturgeschichtlicher Wandlungsprozesse, welche diese europäische Region in den Zeiten von „bürgerlicher“ Nationalstaatlichkeit, Sozialismus und einer post-sozialistischen Globalisierung durchgemacht haben, individuelle Lebensläufe beeinflusst hat, wie generationenspezifische soziale Identitäten und Rollen im Verlauf dieses Wandels erfahren wurden und welche neuen Lebenslauf-Identitäten und Repräsentationen von Lebensphasen dabei erzeugt werden. Das vorrangige Ziel des Kolloquiums soll es daher nicht sein, die politischen oder ökonomischen Ursachen dieses Wandels der individuellen Lebensläufe zu betrachten, sondern deren soziokulturelle Folgen für das Alltagsleben in den Blick zu nehmen sowie nach den Strategien der Bewältigung und Adaptation von Wandel und nach den Vorstellungen und Haltungen der Menschen gegenüber diesen Veränderungen zu fragen.

Wir suchen somit Beiträge, die auf ethnographischer, kulturwissenschaftlicher oder historischer Forschung beruhen und die Veränderungen südosteuropäischer Lebensläufe analysieren, den Wandel des Familienlebens, der Kindheit und Jugend, des Arbeitslebens und des Alters sowie der Ausfüllung sozialer Rollen als Folge von Modernisierung, Sozialismus, Postsozialismus und Globalisierung. Dabei können die folgenden Dimension und Abschnitte der Lebensläufe in den Blick genommen werden:

Familie und Verwandtschaft: traditionelle und moderne Rollen und Beziehungen, (Neo)Patriarchat; Generationen, Generationsgruppen und -beziehungen; Familismus, Familien- und Verwandtschaftsnetzwerke, Freundschaftsnetzwerke, Loyalitäten und Vertrauen; symbolische, emotionale, ideologische und politische Aufladung von Verwandtschaft und Familie.
Elternschaft: traditionelle und neue Modelle; Rollen und Beziehungen der Familien-mitglieder; moderne und postmoderne Transformationen der Geschlechterrollen und -bilder, (neo)patriarchale Rollen; patchwork Familien.

Kindheit und Jugend: Kinderpflege, Erziehung; Kinderkultur (Spiele, Lieder etc.); Jugend, Schule, Jugendkultur (Spiele, Narrative, soziale Medien); Lebenslaufrituale, rites de passage (Geburt, Geburtstag, Schulabschluss, Hochzeit etc.).

Erwachsenenleben und Familie: Arbeitsleben und Freizeit; Familiengründung, Arbeitssuche, Wohnungssuche. Hausbau; Freizeitaktivitäten; Normalbiographien. Familienunternehmen: Kooperation, Loyalität, Rituale; Geschlechtsrollen, Familienmigration, Arbeitsmigration, getrennte Familien, zurückgelassene Kinder, Großeltern als Eltern; Rolle moderner Medien.

Altern und Alter: traditionelle, moderne und „postmoderne“ Vorstellungen von Alter und Altern; Alter und Geschlecht; Pensionäre; Rituale (Pensionierung, Begräbnis etc.); Altenpflege: in der Familie oder Altersheimen; Beziehungen zu den jüngeren Generationen in der Familie.

Soziale Rollen: Ausfüllung und Wandel sozialer Rollen (z.B. von „Intelligenzija“) in der Gesellschaft und deren Rückbindungen an den Alltag.

Weitergabe und Tradierungsmuster: Familientraditionen und -rituale; Familien-geschichten, Chroniken, Erinnerungen, Bilder, Erzählungen, Lieder, Geheimnisse; Vererbung, Weitergabe von Besitz, Land, wertvollen Gegenständen; Vererbung und Geschlecht; Vererbung und Migration.

Demographischer Wandel: Folgen für Alltagsleben und -kultur; Unterschiede zwischen (sozialen, ethnischen, religiösen) Gruppen.

Die Auswahl der einzuladenden Referenten erfolgt auf der Grundlage von Exposés von maximal einer halben Seite Länge und einer kurzen biografischen Information. Die Zahl der Teilnehmer sollte 15 nicht übersteigen. Die Aufenthaltskosten werden übernommen. Reisekosten (Sparpreise) können bis zu einer Höhe von 100 € (bei ausländischen Teilnehmern bis maximal 200 €) übernommen werden.

Bitte senden Sie Ihr Resümee bis spätestens 24. April 2016 an:

Prof. Dr. Wolfgang Höpken, Universität Leipzig, Historisches Seminar;
hoepken@rz.uni-leipzig.de

sowie an:

Professor Dr. Klaus Roth, Universität München, Institut für Volkskunde/Europäische Ethnologie; k.roth@lrz.uni-muenchen.de

Weitere Informationen unter: www.sogde.org

Programm

Kontakt

Prof. Dr. Wolfgang Höpken
Universität Leipzig
Historisches Seminar
Ost- und Südosteuropäische Geschichte

hoepken@rz.uni-leipzig.de


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