Schiffbruch in der Vormoderne. Zur Geschichte eines in Sprache, Schrift und Objekten konservierten Risikos

Schiffbruch in der Vormoderne. Zur Geschichte eines in Sprache, Schrift und Objekten konservierten Risikos

Veranstalter
Abteilung Wirtschafts- und Sozialgeschichte der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel; Deutsches Schiffahrtsmuseum Bremerhaven
Veranstaltungsort
Deutsches Schiffahrtsmuseum, Bremerhaven
Ort
Bremerhaven
Land
Deutschland
Vom - Bis
08.07.2016 - 09.07.2016
Deadline
04.07.2016
Website
Von
PD Dr. Gabriel Zeilinger

Schiffbruch ist eine Erfahrung, die in jüngster Zeit auf erschütternde Weise wieder in das alltägliche Bewusstsein auch der Europäer gerückt ist. Das Wissen um dieses Risiko, um die „kalkulierte Gefahr“ (Burkhardt Wolf) prägte wohl besonders in der europäischen Vormoderne deren ‚Erfahrungsraum‘ Meer, der lange Zeit als Un-Ort oder als Ort der Herausforderung oder Verletzung von Grenzen menschlicher Existenz galt. Die mittelalterliche und frühneuzeitliche Geschichte ist voller Schiffsunglücke: Könige, Kaufleute, Pilger und andere Reisende erlitten Schiffbruch, Untergang oder Strandung. Politische Folgen wie etwa diejenigen des Schiffbruchs Richards Löwenherz sind genauso bekannt wie die lange Zeit wirksamen Bewältigungsstrategien im ökonomischen und religiösen Versicherungsbedürfnis der Besatzungen, Financiers und Reisenden.
Gegenüber der in jüngerer Zeit verstärkten Erforschung von Seekriegen, Piraterie oder Kaperschifffahrt ist der Schiffbruch als Elementarerfahrung der Vormoderne in der Forschung noch unterrepräsentiert. Dies gilt ganz besonders für das Mittelalter, aber – trotz leichten Forschungsvorsprungs – auch noch für die Frühe Neuzeit. In Anlehnung an jüngere Forschungen etwa zu Gewalt- und Kriegserfahrungen jener Jahrhunderte, aber auch zur Wahrnehmungsgeschichte des Meeres, soll in Bezug auf das Phänomen ‚Schiffbruch‘ ein pragmatischer, dreistufiger Erfahrungsbegriff Anwendung finden: Erfahrung soll verstanden werden als Wahrnehmung, Deutung und materielle wie mentale Bewältigung von Schiffbrüchen von Mittelalter. Diese drei Momente von Erfahrung stehen dabei nicht getrennt nebeneinander, sondern überlappen sich, sind andererseits aber auch nicht aus allen Quellentypen gleichermaßen zu entnehmen. Umso mehr ist es von entscheidender Bedeutung, am Anfang eines größeren Forschungsvorhabens über Schiffbruch in der Vormoderne in einem gattungstypologischen Vergleich die für das Thema zur Verfügung stehenden Quellen auf die jeweiligen analytischen Potentiale zu prüfen.
Die drei Aspekte „Sprache“, „Schrift“ und „Objekte“ verweisen im Ersten auf die Kommunikationssituationen bei/nach/über Schiffbruch, sodann auf den Prozess der Verschriftlichung und die gegebene schriftliche Überlieferung sowie im letzten Punkt sowohl auf die sprachliche und schriftliche Be- und Verhandlung der Überreste (etwa des Strandgutes in Korrespondenzen und Rechnungen) als auch auf die materielle Überlieferung und deren Aufbereitung in Forschung und musealer Praxis – die wiederum eine eigene, zeitgenössische Erfahrungskategorie zum Thema begründet. Damit soll der bereits in Angriff genommenen Untersuchung von Selbstkonstitution sowie von Raum- und Wissenskonstitution im Zuge von Schiffbrucherfahrungen der Vormoderne nun eine in Materialitäten gebundene, „konservierte“ Interaktionsperspektive hinzugestellt werden.

Programm

Freitag, 8. Juli 2016

14.15 Uhr
Gabriel Zeilinger, Kiel/Bremerhaven:
Begrüßung und Einführung
14.45 Uhr Kaffeepause
15.15 Uhr
Moderation: Hiram Kümper, Mannheim
Mike Belasus, Bremerhaven:
Tatort Schiffbruch – eine maritim-archäologische Perspektive
Christian Peplow, Greifswald:
Schiffbruch und materielle Kultur nach Bildquellen und Inventarlisten
Diskussion
Kurze Pause
17.00 Uhr
Meredith Greiling, Hull/Windermere:
Sacred Vessels: Exploring the Tradition of Church Ship Models in Northern Europe, 1400–1700
18.00 Uhr
Marleen von Bargen, Bremerhaven:
Abendführung zur Sonderausstellung Seenotrettung

Samstag, 9. Juli 2016

9.00 Uhr
Moderation: Burkhardt Wolf, Berlin
Christian Manger, Bremen/Bremerhaven:
“…nuncius noster vix nudus evasit, pluribus ibi nobilibus viris submersis” – Gefahren der Seefahrt im Nordeuropa des 13. Jahrhunderts
Miriam Stamm, Lübeck/Bremen:
Schiffsbruch als Glaubensprüfung – Einblicke in die Reisebeschreibung von Marcus Voß (1777)
Diskussion
10.30 Uhr Kaffeepause
11.00 Uhr
Anna-Paloma Biernath/Daniela Ssymank, beide Kiel:
Vorstellung des Kieler Projektseminars „Schiffbruchsmeldungen. Eine Erhebung zu den Dimensionen eines Risikos in der Vormoderne“

12.00 Uhr
Benjamin Scheller, Duisburg-Essen/Konstanz:
Abschließender Kommentar

Schlussdiskussion

Anmeldungen (bis 04.07.2016) erbeten an:
Frau Monika Lüder-Pohlenz, Deutsches Schiffahrtsmuseum,Hans-Scharoun-Platz 1, D-27568 Bremerhaven, Tel. +49 (0)471 4820743,
Email: Lueder-Pohlenz@dsm.museum

Kontakt

Gabriel Zeilinger

Historisches Seminar
Christian-Albrechts-Universität zu Kiel
0431-880-3797

zeilinger@histosem.uni-kiel.de