Geflüchtet, unerwünscht, abgeschoben – Studierende erforschen den Umgang mit „lästigen Ausländern“ in der Weimarer Republik

Geflüchtet, unerwünscht, abgeschoben – Studierende erforschen den Umgang mit „lästigen Ausländern“ in der Weimarer Republik

Veranstalter
Studierende und Young Professionals der AG Angewandte Geschichte/Public History im Verband der Historiker und Historikerinnen Deutschlands (VHD) in Kooperation mit der Universität Hamburg und der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg
Veranstaltungsort
Universität Hamburg
Ort
Hamburg
Land
Deutschland
Vom - Bis
15.07.2016 - 16.07.2016
Deadline
13.07.2016
Website
Von
Studierende und Young Professionals der AG Angewandte Geschichte/Public History im Verband der Historiker und Historikerinnen Deutschlands (VHD)

Wer war „nützlich“ und durfte bleiben, wer war „lästig“ und musste gehen? Diese Zuschreibungen entschieden in der Weimarer Republik über die Zukunft von Geflüchteten. Rund 10 Millionen Menschen waren nach dem Ersten Weltkrieg in Europa in Bewegung. Sie versuchten Vertreibung und Verfolgung, Gewalt und Hunger zu entkommen. Eine große Gruppe unter ihnen waren die sog. Ostjuden. Angekommen in der ersten deutschen Demokratie wurden sie mit einem zunehmenden Antisemitismus konfrontiert, der mehr und mehr auch Politik, Verwaltung und Medien durchzog. Im Mittelpukt der öffentlichen Debatten standen nicht die „Wirtschaftsflüchtlinge“ und die „Flüchtlingskrise“, sondern die Figur des „lästigen Ausländers“ sowie die „Ausländerplage“. Das Reden über „Überfremdung“, „Schließung der Grenzen“, „Überschwemmung mit Ostjuden“und „Menschenschmuggel“ war weit verbreitet.
Als „unerwünscht“ wurden viele „fremdstämmige Ostausländer“ schnell wieder zurückgeschickt. Die Ausweisung war ein Verwaltungsakt, gegen den es keinen Rechtsweg gab.

Die Studierenden zweier Lehrprojekte an den Universitäten Hamburg und Heidelberg haben sich im Sommersemester 2016 unter Leitung von Dr. Eva Schöck-Quinteros und Nils Steffen der Aufgabe gestellt, Lebenswege der „lästigen Ausländer“ zu rekonstruieren, den Umgang der deutschen Gesellschaft und der Behörden mit den Geflüchteten zu untersuchen sowie die Ergebnisse zu vermitteln. Unter dem Titel „Geflüchtet, unerwünscht, abgeschoben – ‚Lästige Ausländer’ in der Weimarer Republik“ recherchieren die Studierenden in den jeweiligen Archiven und der zeitgenössischen Presse. Ihre Werkstattberichte stellen sie auf diesem Workshop zur Diskussion.
Die Produkte ihrer Arbeit werden publiziert. Wichtiger Bestandteil ihrer Projektarbeit ist auch die Auswahl von Quellen, die die Grundlage für szenische Lesungen in Heidelberg und Hamburg bilden und mit der Theaterwerkstatt Heidelberg und der bremer shakespeare company konzipiert und umgesetzt werden. Premieren: 6. Oktober 2016 in Heidelberg und 11. Oktober 2016 in Hamburg. Eine dritte Inszenierung zu diesem Thema ist in Bremen entstanden und wird ab 2. September 2016 wiederaufgeführt.

Der Workshop dient neben der Präsentation (regionaler) Forschungsergebnisse aus Baden und Hamburg der Einbettung in migrationshistorische Fragestellungen sowie dem Austausch der ProjektteilnehmerInnen über individuelle Erfahrungen und Herausforderungen von Forschendem Studieren und der Vermittlung geschichtswissenschaftlicher Arbeit. Zugleich dient der Workshop der Vernetzung mit Studierenden und Young Professionals, die sich für Fragen der Public History interessieren.

Die Hamburger Ortsgruppe der Studierenden und Young Professionals in der AG Angewandte Geschichte / Public History im Verband der Historiker und Historikerinnen Deutschlands (VHD) organisiert die Veranstaltung. Gefördert wird der Workshop durch das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg.

Wir laden Studierende und Young Professionals herzlich ein, am Workshop teilzunehmen und mit den ProjektteilnehmerInnen über ihre Ergebnisse und eigene Forschungserfahrungen zu diskutieren. Die TeilnehmerInnenzahl ist aus organisatorischen Gründen auf 35 begrenzt. Anmeldungen bitte bis zum 13. Juli 2016 an Nils Steffen (nils.steffen@zegk.uni-heidelberg.de). Die Teilnahme ist kostenfrei.

Programm

Fr. 15. Juli 2016

Moderation: PD Dr. Kirsten Heinsohn (Stellv. Direktorin der Forschungsstelle für Zeitgeschichte Hamburg) und Dr. Miriam Rürup (Direktorin des Instituts für die Geschichte der deutschen Juden, Hamburg)

10.00 – 10.15 Uhr
Begrüßung durch Eva Schöck-Quinteros und Nils Steffen

10.15 – 11.45 Uhr
Malte Rehren (Heidelberg)
Keine Heimat, nirgends – Osteuropäische Juden auf der Flucht

Sebastian Horn (Heidelberg)
Antisemitismus in der Weimarer Republik – Träger, Formen, Widerstand

Louis Wörner (Hamburg)
„Durch diese Maßnahmen wird den Ausländern ein Festsetzen in Hamburg unmöglich gemacht“ – Instrumentalisierung von Wohnungsnot gegen „Ostjuden“

11.45 – 12.00
Kaffeepause

12.00 – 13.30
Jasper Theodor Kauth (Heidelberg)
„Ein Stück Polizeistaat“ – Fremdenrecht und Ausweisungen in der ersten deutschen Demokratie

Marlen Sundermann (Hamburg)
„Der in der Grosstadt lästig gewordene Ausländer...“. Ausweisungen aus Hamburg nach 1919

Jasmin König (Hamburg)
"...durch eine Schmugglerbande auf Schleichwegen nach Deutschland gekommen". Abschiebungen von Polinnen und Polen aus Hamburg

13.30 – 14.30Uhr
Mittagspause

14.30 – 15.30 Uhr
Laura Moser (Heidelberg)
Der Versuch zu bleiben – Einbürgerungsanträge in der Republik Baden

Fabian Körs (Hamburg)
Antrag abgelehnt! Die vergeblichen Versuche von Moses Lewinsohn, in Hamburg eingebürgert zu werden

15.30 – 16.00 Uhr
Kaffeepause

16.00 – 17.30 Uhr
Fabian Promutico (Heidelberg)
Eine Alternative zur Abschiebung? Die Einrichtung der ersten Konzentrationslager

Ann-Kathrin Hinz (Heidelberg)
Antisemitismus im Parlament – Einblicke in die Debatten aus Reichstag und Badischem Landtag

17.30 – 17.45 Uhr
Kaffeepause

17.45 – 19.00 Uhr
Anna Mamzer und Eva Schöck-Quinteros (Bremen)
Aus den Akten auf die Bühne: Diskussion über die Inszenierung von Quellen am Beispiel der szenischen Lesung „Geflüchtet, unerwünscht, abgeschoben – ‚Lästige Ausländer’ in der Weimarer Republik“ mit der bremer shakespeare company.

Anschließend geselliges Get-together mit der Möglichkeit zum Abendessen.

Sa. 16. Juli 2016

Moderation: Eva Schöck-Quinteros (Universität Bremen) und Nils Steffen (Universität Heidelberg)

10.00 – 12.00 Uhr
Marko Förster (Hamburg)
Unerwünschte Ausländer in der Hamburger Presse der 1920er Jahre

Linus Maletz (Heidelberg)
„Ostjudenfrage“ und „Ostjudenplage“ – Politische Presse in Baden

Julia Schneider (Heidelberg)
(Für)Sorge – Die „Ostjudenfrage“ in der deutsch-jüdischen Presse

Sandy Lentz (Hamburg)
„Liebeswerke sind bedeutender als Almosen“ – Die jüdische Wohlfahrtspflege in Hamburger während der Weimarer Republik

12.00 – 13.30 Uhr
Mittagspause

13.30 – 14.30 Uhr
Nils Steffen (Heidelberg)
Der Fall Salomon Elter. Transgenerationale Auswirkungen von Ausweisung und Abschiebung – eine Diskussion

14.30 – 15.30 Uhr
Studierende im Archiv. Abschlussdiskussion über eigene Forschungserfahrungen und -erkenntnisse

Kontakt

Nils Steffen

Historisches Seminar der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg
Grabengasse 3-5, 69117 Heidelberg

nils.steffen@zegk.uni-heidelberg.de


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