Fordschritt und Kultur. Literarische Verhandlungen von Technik im 20. und 21. Jahrhundert

Fordschritt und Kultur. Literarische Verhandlungen von Technik im 20. und 21. Jahrhundert

Veranstalter
Imme Bageritz, Hartmut Hombrecher, Vera K. Kostial, Katerina Kroucheva (Abteilung Komparatistik, Seminar für Deutsche Philologie, Georg-August-Universität Göttingen)
Veranstaltungsort
Ort
Göttingen
Land
Deutschland
Vom - Bis
22.09.2017 - 23.09.2017
Deadline
31.03.2017
Website
Von
Hombrecher, Hartmut

Der Zusammenhang zwischen Literatur und Technik lässt zum einen an die Repräsentation und Diskussion technischer Entwicklungen in der Literatur, zum anderen an Literatur als Technik und in diesem Sinne an die Erforschung von Produktion und Tradierung von Literatur und schließlich an technikgestützte Untersuchungen zu literarischen Texten denken. Unsere Tagung ist dem erstgenannten Themenkomplex gewidmet.
Dabei sollen unterschiedlich weit gefasste Technikbegriffe reflektiert werden. Technik und technische Neuerungen haben die Menschheit von Anbeginn begleitet: von Techniken der Lebensmittelproduktion, Kriegsführung und Baukunst in Antike und Mittelalter über die Frühe Neuzeit mit Buchdruck und Seefahrt bis zu den Erfindungen der Moderne sowie der Entwicklung der Mobiltelefonie und des Internets. In der Nachfolge der industriellen Revolution wird jedoch besonders ab den Anfängen des Fordismus für das 20. Jahrhundert von einem „technischen Zeitalter“ (Höllerer) gesprochen. Mit einem weiten Technikbegriff, wie er etwa bei Gehlen vorliegt, kann die Menschheit schließlich prinzipiell nicht ohne Technik gedacht werden.
In einem Gespräch über Technik wird unweigerlich das Verhältnis von TECHNIK UND NATUR verhandelt. Technik kann pessimistisch als mitunter katastrophale Naturzerstörung oder optimistisch als Naturerweiterung und Naturnutzung verstanden werden. Jenseits dieser Oppositionen kann Technik zudem als notwendig für die Natur des Menschen aufgefasst werden. Technik verweist nicht nur auf unsere Umwelt, sondern auch auf uns selbst, etwa in den unterschiedlichen Auffassungen vom sogenannten Maschinenmenschen.
Eng mit solchen Vorstellungen sind auch die Definitionen des Verhältnisses von TECHNIK UND ZIVILISATION sowie TECHNIK UND GESELLSCHAFT verbunden. Welchen Anteil hat die Technik an der menschlichen Zivilisation? Ist die Mechanisierung des menschlichen Alltags ein Zeichen von Fortschritt? Wie verändert Technik die Gesellschaft? Bedeutet „Fordschritt“ (Tucholsky) die Vernichtung von Individualität und der eigentlichen Kultur? Oder liefert Technik vielmehr die Lösung der sozialen Frage und ist dadurch gerade die Bedingung für die Entfaltung individueller Kräfte? Sind Technikbesitz und Technikverständnis ein Privileg einer bestimmten sozialen Klasse? Wie hängen technischer Fortschritt und Krieg zusammen? Anknüpfend an solche Fragestellungen wird Technik auch unter Aspekten von race und gender thematisiert. Als Verbindung von Natur-, Gesellschafts- und Zivilisationsdiskurs ergeben sich zudem Fragestellungen, die das Verhältnis von TECHNIK UND RELIGION betreffen. Wird technische Innovation als Widerspruch zu einer christlich-moralischen Tradition und zur Schöpfung Gottes gesehen oder wird sie selbst in religiöse Konzepte und kultische Prozesse eingebunden? Ist die behauptete oder tatsächliche Rationalisierung die Folge oder gerade der Gegensatz einer bestimmten religiösen Prägung? Nicht zuletzt finden Technikdiskurse auch Eingang in die breite Öffentlichkeit und damit in die Popkultur. Was passiert, wenn die Technik selbst zum Denkmal und Symbol einer Gesellschaft und zum gesellschaftlichen Event wird?

Solche und ähnliche Verhandlungen von Technik sollen im Fokus der Komparatistischen Nachwuchstagung der Georg-August-Universität Göttingen stehen, die am 22. und 23. September 2017 stattfindet. Gesucht werden 20-minütige Beiträge, die sich mit Technikbildern in der Literatur des 20. und 21. Jahrhunderts befassen. Dabei sind auch Vorschläge willkommen, in denen philosophische, historische, politische, religions-, ingenieur- oder naturwissenschaftliche sowie natur- und medizinethische Akzente gesetzt werden und die damit den Blick auf die literarischen Kontexte erweitern. Die Tagung versteht sich hierbei sowohl als Schnittstelle der Literaturen als auch der Disziplinen und soll damit eine möglichst facettenreiche Abbildung jenseits der (einzel)philologischen Forschung liefern. Da es sich um eine Nachwuchstagung handelt, werden angehende Wissenschaftler_innen ausdrücklich aufgefordert, teilzunehmen.

Es können literaturwissenschaftliche, gern interdisziplinär ausgerichtete Beiträge zur Verhandlung von Technik eingereicht werden: Wie reagiert Literatur auf technische Innovationen und auf diverse gesellschaftliche, philosophische und theologische Implikationen im Zusammenhang mit Technik? Mithilfe welcher literarischen Mittel wird Technikgeschichte zu Beginn des 20. Jahrhunderts oder in der Zwischen- und Nachkriegszeit in unterschiedlichen kulturellen Kontexten thematisiert und welche Schreibtechniken bringt sie gegenwärtig hervor? Von Bedeutung könnte auch die Frage sein, wie technische Denkfiguren Einzug in die Literatur halten und welche Rolle der Literatur und den Literaturschaffenden dabei zugewiesen wird. Insbesondere wäre zu zeigen, in welchen Konstellationen Technikbegeisterung / Technikablehnung, Fortschrittsoptimismus / Fortschrittspessimismus und Amerikanismus / Antiamerikanismus zum Vorschein kommen.
Beiträge können unter anderem an folgenden Themenkomplexen ausgerichtet sein:

- Technik und Natur
- Technikkulte; Technik und/als Religion
- Technik und Zivilisation; Technik und Wissenschaft; Technik und Alltag; Technik und Politik; Technik und Krieg; Topoi des Technischen
- die Rolle von Technik in (post)kolonialen Diskursen; Technik und Amerikarezeption
- Roboter, Cyborgs und die technische Erweiterung des menschlichen Körpers; digitale Welten
- die Rolle von Technik in Genderdiskursen
- Verhandlungen von Technik in Kinder- und Jugendliteratur
- Technik und Autorschaft; die soziale Rolle der Literaten in Technikdiskursen

Themenvorschläge (400–500 Wörter) können mit kurzen biobibliographischen Angaben bis zum 31.03.2017 an hartmut.hombrecher@phil.uni-goettingen.de geschickt werden. Eine Entscheidung der Organisator_innen über die Annahme erfolgt bis Ende April 2017. Die Publikation der Beiträge ist geplant.

Programm

Kontakt

Hartmut Hombrecher

Heinrich-Düker-Weg 12
37073 Göttingen

hartmut.hombrecher@phil.uni-goettingen.de