Körper und Lager – eine interdisziplinäre Betrachtung der Verflechtungen von Herrschaft, Leben und Sterben in nationalsozialistischen Lagern

Körper und Lager – eine interdisziplinäre Betrachtung der Verflechtungen von Herrschaft, Leben und Sterben in nationalsozialistischen Lagern

Veranstalter
Laura Busse / in Kooperation mit Prof. Dr. Michael Wildt und Prof. Dr. Iris Därmann
Veranstaltungsort
Humboldt Universität zu Berlin
Ort
Berlin
Land
Deutschland
Vom - Bis
26.10.2017 - 27.10.2017
Deadline
23.04.2017
Von
Laura Busse

Zeitpunkt: 26.-27. Oktober 2017
Veranstaltungsort: Luisensaal, Luisenstraße 56, 10117 Berlin

Ziel des Symposiums ist es, die Begriffe „Körper“ und „Lager“ als analytische Kategorien für die wissenschaftliche Erforschung nationalsozialistischer Herrschaft in Lagern fruchtbar zu machen. Sowohl der Zusammenhang der Kategorien, ihre wechselseitige Abhängigkeit als auch gegenseitige Beeinflussung sollen untersucht werden, wobei gleichzeitig eine ausführliche Begriffsreflexion angestrebt wird. Das Symposium soll historisch-empirische und theoretische Perspektiven verschiedener Disziplinen zusammenbringen. Insbesondere wird angestrebt, den Austausch zwischen Nachwuchswissenschaftler_innen und profilierten Wissenschaftler_innen zu fördern.

Das nationalsozialistische Lagersystem stellt einen Ausgangspunkt des Symposiums dar. Das Lager selbst ist ein künstlich geschaffener Raum der Gewalt, der durch eine physische Grenze markiert ist. Durch diese Abgrenzung entsteht eine Inklusion und Exklusion von Körpern. Im Lager wird das nackte Leben sichtbar – die Menschen sind komplett entrechtet und ihre Körper jeglicher Herrschaftspraxis und dem Souverän vollends unterworfen. Der Begriff des Körpers als anderer Ausgangspunkt erlaubt eine prismatische – situative, subjektive und objektive – Beobachtung eines Geschehens. Die Analysekategorie ermöglicht nicht nur einen changierenden Perspektivwechsel zwischen den biologischen Geschlechtern, sondern kann den Betrachterraum auch auf die Exekutive erweitern. Hierbei geht es nicht nur den Körper als Material im Sinne der Physis, sondern auch als dessen Antrieb, die Psyche. Andererseits soll der Körper als „Gedachtes“ begriffen werden – damit Ideologie und Konstruktion, die den verschiedenen Bildern zugrunde liegen. Das Lager selbst als Raum der Herrschaft soll hierbei nicht als vermeintliche Konstante außen vor gelassen, sondern als aktiver Konstitutionsrahmen der Körper untersucht werden. Für das Symposium können Beiträge mit empirischem, theoretischem sowie beide Bereiche umfassendem Fokus eingereicht werden.

Der empirische Teil befasst sich maßgeblich mit der Existenz und Konstitution von Körpern in Lagern. Folgende Themen bieten sich exemplarisch an:

1) Rassetheorie und Hygiene: widersprüchlicher Hygieneanspruch und mögliche Praxis im Lager; Verwendung des Begriffsfeldes „Hygiene“ im Zusammenhang mit dem Vernichtungsprozess; Hygie-ne und Rassevorstellungen (z.B. dem inszeniertem Konterfei des „dreckigen Juden“)

2) Terror, Folter und Strafe: Erniedrigungs-/Bestrafungspraktiken, Rolle der Nacktheit bei Bestrafung, erzwungene Öffentlichkeit; Lässt sich „Bestrafung“ vom allgemeinen Terror im Lager trennen? Exekutivperspektive; Gewaltexzesse; „overkills“; Funktionshäftlinge

3) Vernichtung und Verwertung: Widerspruch zw. Arbeit, Ausbeutung und Tötung; Aspekte des Tötungsprozesses; Verwertung der Körper, Spurenbeseitigung, gezielte Damnatio Memoriae; 14f3; Suizide

4) Sexualität und Körperlichkeit: Körperlicher Verfall, Verlust körperlicher Attribute; Suizide als Wi-derstand/Wiederaneignung des eigenen Körpers; Lagerbordelle; Sexualität und körperlicher Austausch (zw. Häftlingen/Missbrauch durch Lagerpersonal); lesbische Frauen; sexualisierende Haftgründe; Queer, Transsexualität und Lager

5) Repräsentation und Bilder: materielle u. gedachte „Bilder“; Volkskörpers vs. Muselmann; (heimliche) Fotografie; künstlerische Zeugnisse; Repräsentation von Körpern (Lagerzeit/Befreiung); Selbstund Fremdwahrnehmung; Inszenierungsstrategien des Bewachungspersonals/Lager SS.

Im theoretischen Teil soll der Fokus auf Begriffe von „Körpern“ und „Lagern“ mit Bezug zum Nationalsozialismus gerichtet werden. Es geht insbesondere um eine Begriffsreflexion. Interessant ist die Frage nach der Besonderheit des Lagers als Bedingung für ebenjene Konstitution von Körpern. Damit sind die (mögliche) Spezifik des Lagers als Herrschaftsraum im Vergleich zum Außen sowie (mögliche) Interdependenzen angesprochen. Es sind Beiträge erwünscht, die sich mit jeglichem Aspekt theoretischer, begriffszentrierter Perspektive auf „Körper“ und „Lager“ befassen. Der Körper soll als „Ort“ diskursiver Zuschreibungen erfasst werden, beispielsweise politischer, sozialer, ethnischer, medizinischer, sexueller oder moralischer Art, wobei vor allem die Überschneidung der Kategorien großes Potential haben. Darüber hinaus sind Arbeiten zu allen Themenfeldern erwünscht, die jene in Bezug zu ihrer Historizität (Nationalsozialismus) setzen und damit das Spannungsverhältnis zwischen Geschichte und Theorie aufmachen und diskutieren.

Die Veröffentlichung der Beiträge in einem Tagungsband ist geplant.

Wir bitten um die Einsendung von Abstracts (ca. eine Seite) zusammen mit einem kurzen Lebenslauf bis zum 23.04.2017 an Frau Laura Busse - koerperundlager.geschichte@hu-berlin.de

Programm

Kontakt

Laura Busse
Humboldt Universität zu Berlin
Institut für Geschichtswissenschaften
Unter den Linden 6
10099 Berlin
Tel. +49-(0)30-2093-70605
Fax +49-(0)30-2093-70656
e-mail: koerperundlager.geschichte@hu-berlin.de

https://koerperundlager.wordpress.com/