'Blondzhende Stern': Jüdische SchriftstellerInnen aus der Ukraine als GrenzgängerInnen zwischen den Kulturen in West und Ost

'Blondzhende Stern': Jüdische SchriftstellerInnen aus der Ukraine als GrenzgängerInnen zwischen den Kulturen in West und Ost

Veranstalter
Axel Springer-Stiftungsprofessur für deutsch-jüdische Literatur- und Kulturgeschichte, Exil und Migration an der Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder) in Kooperation mit dem Zentrum Jüdische Studien Berlin-Brandenburg (Prof. Dr. Kerstin Schoor / Prof. Dr. Ievgeniia Voloshchuk / Dr. Borys Bigun)
Veranstaltungsort
Europa-Universität Viadrina, Hauptgebäude, Große Scharrnstraße 59, Senatssaal, Raum 109
Ort
Frankfurt an der Oder
Land
Deutschland
Vom - Bis
10.05.2017 - 13.05.2017
Website
Von
Axel Springer-Stiftungsprofessur für deutsch-jüdische Literatur- und Kulturgeschichte, Exil und Migration

Die jüdische Bevölkerungsminderheit auf dem ukrainischen Territorium verfügt seit Jahrhunderten über reiche Erfahrungen von Grenzerkundungen. Das Aushandeln wie Überschreiten von Grenzen war für sie Strategie ihres physischen wie kulturellen Überlebens. Zudem mussten sie als „der Dritte“, der Joseph Roth zufolge immer verlor, „wenn zwei sich stritten“, auch eine „dritte“ Einstellung zu jenen Grenzen entwickeln, die die Gesellschaften, die Ethnien und die Kulturen auf ukrainischem Terrain spalteten und bis heute spalten.
Das besondere Potential eines Blickwinkels, der diese Grenzziehungen über Jahrhunderte hinweg immer wieder kreuzte und kreuzen musste, ist Gegenstand dieser Konferenz. Sie fokussiert jüdische Erfahrungen des 20. Jahrhunderts, das als ‚goldenes’ Zeitalter der jüdischen Kultur und zugleich als ‚aschgraues’ Zeitalter des Massenmordes an den europäischen Juden in die Kulturgeschichte eingegangen ist. Blondzhende Stern, der gleichnamige Titel eines Romans des in der Ukraine geborenen Klassikers jiddischer Literatur, Scholem Alejchem, dient den VeranstalterInnen dabei als verallgemeinernde Metapher des Schicksals der durch den ukrainischen Teil eines phantomhaften ‚Jiddischlandes’ geprägten und aus diesem ausgewanderten AutorInnen, die auf ihrer Wanderschaft einen Weg auf die großen Bühnen europäischer Kulturen gefunden haben. Als ‚Wandernde Sterne’ ließen sie sich in Wien, Paris, Jerusalem, Moskau, Berlin, Bukarest, Sankt Petersburg und anderen Kulturzentren der Welt nieder und leuchteten an den Horizonten vieler Kulturen. Ihre Namen durchziehen die jiddischen, hebräischen, deutschsprachigen, russischen, polnischen, rumänischen, ukrainischen u.a. Literaturgeschichten scheinbar so selbstverständlich, wie die einzelnen Disziplinen ihre schriftstellerischen Aktivitäten getrennt voneinander verhandeln. Die Lebens- und Kulturpraxis, aber auch die Texte dieser AutorInnen geben dagegen ein eindrucksvolles Zeugnis davon, wie politische, nationale, kulturelle und sprachliche Grenzen (de)konstruiert, verfestigt oder verwischt werden (können) und welche künstlerisch-ästhetischen Entwicklungen gerade damit in Zusammenhang zu sehen sind. Die vielfältigen, generationsübergreifenden Erfahrungen jüdischer SchriftstellerInnen aus der Ukraine als GrenzgängerInnen zwischen den Kulturen in West und Ost werden in diesem Sinne in den Beiträgen der Konferenz in ihrer Spezifik entfaltet und in ihren Folgen für die Entwicklungen einer europäischen (literarischen) Kultur diskutiert werden.

Programm

Mittwoch, 10. Mai 2017:

12.00–13.00 Anmeldung

13.00–13.10 Grußwort des Präsidenten der Europa-Universität Viadrina (Frankfurt/Oder) Alexander Wöll

13.10–13.30 Einführung
Kerstin Schoor (Berlin, Frankfurt/Oder)

13.30–14.00 Ievgeniia Voloshchuk (Frankfurt/Oder): Literarische Karte(n) und Konstruktionen der jüdischen Ukraine

14.00–14.30 Peter Rychlo (Tscherniwzi): Paul Celans „pneumatisches“ Judentum als Wunde und Mission

Jüdisches Erleben der Ukraine als Grenzland im 20. Jahrhundert

Moderation: Annette Werberger

14.50–15.30 Alois Woldan (Wien): Der Erste Weltkrieg in Galizien – ein Thema der jüdischen Publizistik und Belletristik

15.30–16.10 Helmut Peitsch (Berlin): „Rauch der Pogrome in Kiew“: Alfred Gongs Anthologie „Interview mit Amerika. 50 deutschsprachige Autoren in der neuen Welt“ (1962)

Moderation: Andree Michaelis

16.30–17.10 Irmela von der Lühe (Berlin): Manès Sperber: Literarische und politische Diagnosen eines intellektuellen Grenzgängers

17.10–17.50 Natasha Gordinsky (Haifa): Writing Historical Time in Eastern European Space: Katja Petrowskaja’s Novel “Vielleicht Esther”

Donnerstag, 11. Mai 2017:

Das chassidische Erbe der Ukraine:
Transkulturelle Vermittlungen und Neuinterpretationen

Moderation: Irmela von der Lühe

9.30–10.10 Boris Czerny (Caen): Tales and Stories about the Ukrainian Outlaw Oleksa Dovbush (1700–1745) and the Founder of the Hassidic Judaism Rabbi Yisroel (Israel) ben Eliezer Often Called the Ba’al shem Tov (1698–1760): from Tradition to Modernity

10.10–10.50 Dorothee Gelhard (Regensburg): Die Transformation des Chassidismus in Soma Morgensterns „Die Blutsäule“

Jüdische Intellektuelle aus Galizien zwischen habsburgischer Fata Morgana und den Dämonen des Nationalismus

Moderation: Helmut Peitsch

11.10–11.50 Halyna Witoszynska (Wien): „Wechsle den Ort und du wechselst dein Glück“. Die Verortung der Heimat im autobiographischen Roman Alexander Granachs „Da geht ein Mensch“

11.50–12.30 Alina Molisak (Warschau): Zwischen zwei Mächten: jüdische Künstler in Lwiw 1939–1941

Moderation: Alois Woldan

14.00–14:40 Hans Richard Brittnacher (Berlin): Bruno Schulz, ein galizischer Phantast

14.40–15.20 Sylwia Werner (Konstanz): Zwischen Philosophie und Kunst. Das avantgardistische Werk von Debora Vogel

„Aus Czernowitz bei Sadagora“:
Paul Celans „Flaschenpost“ im Kulturdialog zwischen Ost und West

Moderation: Peter Rychlo

15.40–16.20 Lydia Koelle (Bonn): Ein geistiges Konstituens seiner Existenz. Paul Celan in der Spur Gustav Landauers

16.20–17.00 Petar Bojanić (Belgrad / Paris): Paul Celan: „Ort meiner eigenen Herkunft“

17.00–19.00 Führung durch jüdische Orte in Frankfurt/Oder

Freitag, 12. Mai 2017:

Jüdische Intellektuelle aus Odessa als KulturvermittlerInnen
zwischen dem „Palmyra des Südens“ und dem imperialen Zentrum

Moderation: Erik Martin

9.30–10.10 Sergey Troitsky, Anna Troitskaya (Sankt Petersburg): М.Ф. Фрейденберг: oдесский интеллектуал еврейского происхождения и его семья в истории русской литературы и культуры
[Mikhail Freidenberg: Ein jüdischer Intellektueller aus Odessa und seine Familie in der Geschichte der russischen Literatur und Kultur]

10.10–10.50 Edward Waysband (Jerusalem/Caen): Русско-еврейско-украинские левантинцы: южнорусская школа русской литературы
[Russisch-jüdisch-ukrainische Levantiner: Die südrussische Schule der russischen Literatur]

Schtetl – Stadt – Staat:
Topographien jüdischer Heimatsuche in der Ukraine

Moderation: Dorothee Gelhard

11.10–11.50 Klavdia Smola (Greifswald): Vom Schtetl zum Staat und zurück: russisch-ukrainisch-jüdische Grenz(rück)überschreitungen

11.50–12.30 Adrien Smith (Stanford): Fridrikh Gorenstein and the Yiddish-Russian Malediction

Ambivalenzen kultureller Nachbarschaft

Moderation: Alexander Chertenko

14.00–14.40 Olaf Terpitz (Wien): Grenzgänger jenseits des Nationalen? Von Sholem Aleichem über Vladimir Ze’ev Žabotinskij zu Katja Petrowskaja

14.40–15.20 Borys Bigun (Frankfurt/Oder): «Меня спасет украинский провинциальный космос»: поликультурная Украина в романе «Записки сельского еврея» Вячеслава Шнайдера
[„Der ukrainische Provinzkosmos wird mich retten“: Die polykulturelle Ukraine im Werk von Viacheslav Shnaider]

Juden als Vermittler zwischen den Kulturen und die Herausforderungen
ukrainischer (post)sowjetischer Geschichte

Moderation: Borys Bigun

15.40–16.00 Vladimir Zviniatskovsky (Kiew): Антисемитизм на Украине после Второй мировой войны и еврейские писатели
[Antisemitismus in der Ukraine nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges und die jüdischen Schriftsteller]

16.00–16.20 Oleksandr Pronkevych (Mykolajiw): Переклад як форма опору: Сергій Борщевський, перекладач із іспанської на українську мову
[Übersetzung als Widerstand: Sergej Borschtschewski, Übersetzer aus dem Spanischen ins Ukrainische]

16.20–16.40 Dmytro Burago (Kiew): Писатели еврейского происхождения в современном украинском литературном ландшафте
[Schriftsteller jüdischer Herkunft in der aktuellen ukrainischen Literaturlandschaft]

16.40–17.40 Gemeinsame Podiumsdiskussion „Jüdische Intellektuelle auf der Kulturbühne der heutigen Ukraine“ (Russisch und Ukrainisch mit Simultanübersetzung ins Deutsche): Vladimir Zviniatskovsky (Kiew), Oleksandr Pronkevych (Mykolajiw), Oksana Filenko (Kiew), Dmytro Burago (Kiew), Viacheslav Shnaider (Schitomir)

Moderation: Ievgeniia Voloshchuk

20.00–21.30 Lesung und Gespräch mit dem Schriftsteller Viacheslav Shnaider
(Textübersetzungen: Lydia Nagel, Simultanübersetzung: Mykola Lipissiwitsky)

Kulturhaus SMOK (Słubicki Miejski Ośrodek Kultury)

Samstag, 13. Mai 2017:

Das Schicksal des ukrainischen Judentums
aus transkultureller und transgenerationaler Perspektive

Moderation: Natasha Gordinsky

9.30–10.10 Marianne Windsperger (Wien): Makom, Literatoyre, Gedächtnis. Schreib- und Leseorte in den Werken Aharon Appelfelds

10.10–10.50 Tamara Kudryavtseva (Moskau): ‚Im Separee‘ – ein deutsches Zeugnis über die letzten Tage des Dichters Izik Fefer

11.10–11.50 Bettina Hofmann (Wuppertal): Transatlantische Perspektiven: Jüdisch-amerikanische Schriftsteller blicken auf die Ukraine

Moderation: Kerstin Schoor und Ievgeniia Voloshchuk

11.50–12.30 Abschlussdiskussion

Kontakt

Alexander Chertenko

chertenko@europa-uni.de


Redaktion
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Weitere Informationen
Land Veranstaltung
Sprach(en) der Veranstaltung
Englisch, Deutsch, Russisch, Ukrainian
Sprache der Ankündigung