Was ist Public Interest Design? Positionen zur Gestaltung öffentlicher Interessen.

Was ist Public Interest Design? Positionen zur Gestaltung öffentlicher Interessen.

Veranstalter
Dr. Christoph Rodatz, Dr. Pierre Smolarski, Fakultät für Kunst und Design, Bergische Universität Wuppertal
Veranstaltungsort
Ort
Wuppertal
Land
Deutschland
Vom - Bis
30.06.2017 -
Deadline
30.06.2017
Website
Von
Dr. Pierre Smolarski

WAS IST PUBLIC INTEREST DESIGN?
Wenn ich mich als interessierter Bürger an einer Demonstration gegen Populismus und den politischen Rechtsruck beteilige, ist das Public Interest Design? Wenn ich Anhänger der PEGIDA bin, vom politischen System und „Establishment“ die Schnauze voll habe, deshalb montäglich auf die Straße gehe, ist das Public Interest Design? Wenn ich mich in einem Verein für andere einsetze oder eine Veränderung in meinem Viertel bewirken will, ist das Public Interest Design? Wenn ich Politiker bin und an der Steuerung lokaler oder auch bundesweiter Entwicklungen beteiligt bin, ist das Public Interest Design? Wenn ich Investor bin und die Restaurierung und Gentrifizierung heruntergekommener Viertel lukrativ vorantreibe, ist das Public Interest Design? Wenn ich Experte für Klima bin und der Welt scharfe Auflagen und Handlungsmöglichkeiten zur Minderung von CO2 vorschlage, ist das Public Interest Design? Wenn ich als einfacher Bürger an Stadtentwicklung partizipieren will und deshalb den Vorschlag mache mehr Parkbänke und Mülleimer aufzustellen, ist das Public Interest Design?
Gestalten heißt Problemlösen. Der Gestalter versucht im Rahmen eines oftmals eingeschränkten Handlungsspielraums, unter spezifischen Beschränkungen in Mittel und Ausdrucksweise eine Wirkung zu erzielen, die gleichermaßen das Zielpublikum wie auch die Interessengruppen erreichen kann, deren Vorstellungen von diesem Zielpublikum wiederum letztlich für den Gestalter entscheidend sind. Gestaltung lässt sich daher kaum in die binäre Opposition von richtig und falsch einordnen, sondern sucht eine angemessene Lösung für die spezifische Gestaltungsproblematik zu finden. Wobei die generelle Offenheit der Projekte wie auch die für Gestaltung konstitutive Unterbestimmtheit der Aufgabe die Problemlage wesentlich kennzeichnen. Dies alles gilt für viele Designbereiche, wie den Kommunikationsdesigner, der angemessene Werbung für ein disperses Publikum entwerfen soll, wie auch für den Stadtplaner, der immer mit zukünftigen Problemen agieren muss, die erst Folgen seiner Interventionen sind. Mehr noch aber gilt es für den Bereich des Public Interest Designers. Er sprengt die Grenzen des Disziplinären systematisch und macht damit die Unterbestimmtheit nicht nur in der konkreten Praxis spürbar, sondern auch schon in der Frage: Was ist Public Interest Design? Dabei ist die Sprengung des disziplinären und damit immer auch disziplinierten, selbstsicheren Blickes auf eine Problemlage nicht Selbstzweck oder ein selbstreflexives Ausloten der Grenzen, sondern schlichtweg dem Umstand geschuldet, dass Gestaltung im Bereich des öffentlichen Interesses stets ein ‚Design under Uncertainty‘ ist.
Die Frage, was Public Interest Design also ist, soll in drei Richtungen angegangen werden. Zunächst zeigen sich unmittelbare Grundprobleme, die bereits in der Benennung angelegt sind. Von Interessen zu reden, scheint nach aktuellem Sprachgebrauch irreführend, da mit Interessen im Privaten Hobbys gemeint sind und im Politischen Einflusssphären (des politischen Gegners). Beides sind – da sie Formen des Weltbezugs sind – Formen von Interesse, das sich in dem äußert, was ‚inter-esse‘ liegt, also zwischen Subjekt und Umwelt. Beides sind aber gleichermaßen konkret zu diskutierende Verkürzungen
dieses allgemeinen Verständnisses. Gruppen, die sich aufgrund eines geteilten Weltbezugs, also gemeinsamer Interessen, formieren, liegen im eigentlichen Kernbereich des Public Interest Design. Der Public Interest Designer hat es also mit Umständen zu tun, die ‚irgendwie‘ im öffentlichen Interesse liegen, worauf sich also durchaus unterschiedliche Interessen beziehen können. An dieser Stelle wird augenfällig, dass es dieser Designbereich vehement mit Fragen der Hegemonie bestimmter Interessengruppen und ebenso des Umgangs mit Pluralität und daraus resultierenden Konflikten zu tun hat. Müsste deshalb ‚Interest‘ nicht eigentlich im Plural stehen oder erübrigt sich das schon damit, dass ‚im öffentlichen Interesse‘ nur steht, worauf sich unterschiedliche Partikularinteressen beziehen? Dann aber ist das öffentliche Interesse ein Abstraktum und lediglich eine Ableitung der konkreten, realen Partikularinteressen.
Ein weiteres Grundproblem ergibt sich hierin ebenfalls: Die englische Formulierung umgeht die konkrete Festlegung, ob es beim Public Interest Design um eine Gestaltung ‚im Sinne des öffentlichen Interesses‘ geht, was problematisch erscheint, wenn es sich beim öffentlichen Interesse lediglich um ein Abstraktum handelt, oder ob es um eine Gestaltung ‚des öffentlichen Interesses‘ geht. Dies muss freilich kein Widerspruch, wohl aber eine zu klärende Problemlage sein. Sollte es vorrangig um letzteres gehen, steht das Public Interest Design der politischen Bewusstseinsbildung wie sie etwas klassische Aufgabe der Parteien ist, womöglich näher als es der Begriff ‚Design‘ nahelegt.
In einer zweiten Fragerichtung muss beleuchtet werden, was der Public Interest Designer eigentlich gestaltet und inwiefern es sich beim Public Interest Design selbst um eine Disziplin mit spezifischen Methoden und Gegenständen handelt. Werden vom Public Interest Designer Zeichen und Zeichenkomplexe gestaltet, die sich mit semiotischen Kategorien bestimmen lassen? Geht es um die Erzeugung von Atmosphären und Stimmungen im öffentlichen Raum? Ist die Gestaltungsaufgabe nicht vorrangig die Gestaltung von Partizipationsmöglichkeiten diverser Interessengruppen, was insbesondere heißen kann, dass der Designer nichts anderes entwirft, als Möglichkeitsräume Interessen zu Geltung bringen zu können? Geht um eine Erarbeitung von Identifikationsmöglichkeiten der Interessengruppen und eine rhetorisch angemessene Vermittlung des Gestalteten? Oder werden schließlich gar Öffentlichkeiten und damit Gesellschaft gestaltet? Diese Fragen werden zwar nicht nur da drängend, wo Elemente des Public Interest Design Eingang in die Lehre und Ausbildung von Designern finden, aber vor allem hier stellen sich natürlich diese Fragen auch als Teil der Frage: Was werde ich, wenn ich Public Interest Designer werde?
Schließlich soll drittens die Frage nach dem ‚Was ist Public Interest Design‘ durch eine dezidierte Auseinandersetzung mit dem erfolgen, was es nicht ist, wohl aber sein könnte. Gemeint sind Bezüge zu Fachdisziplinen, Wissenschaftsbereichen und Praktiken, die in Teilen immer schon Public Interest Design waren oder sich mit Fragen auseinandersetzen, die – je nach Bestimmung des Feldes – relevant für das Public Interest Design sind.

Die wichtigsten Felder scheinen hierbei folgende:
- Urban Studies
- Raumforschung
- Politikwissenschaft ebenso wie politische (lokale) Praxis
- Soziologie ebenso wie die Sozialwissenschaften
- Philosophie (insbesondere Ethik und Ästhetik)
- Geschichtswissenschaften
- Rhetorik
- Kunst-, Design- und Theaterwissenschaften
- Medien- und Kommunikationswissenschaften
- Architektur, Freiraumplanung und Stadtplanung
- Konfliktmanagement
- Citizen Science
- Anthropologie und Ethnologie.

Wir laden Sie herzlich ein, sich an der Bestimmung des Feldes Public Interest Design zu beteiligen und bitten Sie, für einen geplanten Sammelband einen Beitrag beizusteuern, der eine oder mehrere der hier angerissenen Fragen beleuchtet.
Abstracts (300 Wörter) zu den Beiträgen bitte bis 30. Juni 2017
Feedback dazu erhalten Sie bis: 14. Juli 2017
Fertige Beiträge (max. 50.000 Zeichen) bis: 15. Oktober 2017
Der Band richtet sich an Öffentlichkeiten und ist daher natürlich als open access Veröffentlichung geplant.

Programm

Kontakt

Dr. Pierre Smolarski,
Smolarski@Uni-Wuppertal.de