Recht, Ordnung, Diversität: Konzepte und Fallstudien

Recht, Ordnung, Diversität: Konzepte und Fallstudien

Veranstalter
Prof. Dr. Antje Flüchter, Dr. Christina Brauner
Veranstaltungsort
Universität Bielefeld, Gebäude X, Raum X A2-103
Ort
Bielefeld
Land
Deutschland
Vom - Bis
28.09.2017 - 30.09.2017
Website
Von
Andreas Becker, Fakultät für Geschichtswissenschaft, Philosophie und Theologie, Universität Bielefeld

Wie gegenwärtige Debatten um Paralleljustiz und Kinderehe vor Augen führen, ist Recht ein zentrales Feld in der Aushandlung gesellschaftlicher Ordnung und Diversität. Rechtsnormen und Rechtsprechung spiegeln nicht nur kulturelle Vielfalt, sondern prägen wesentlich den Umgang mit gesellschaftlicher Diversität, ja tragen auf verschiedene Weise zu deren Konstitution bei: so wird vor Gericht über Zugehörigkeit zu Gruppen gestritten, umgekehrt können Sonderrechte wie das ius fori oder die akademische Gerichtsbarkeit zu einem zentralen Abgrenzungsmerkmal für Gruppen und Individuen werden.

Jenseits von alarmistischen Gegenwartsdiagnosen wollen wir den Umgang mit Diversität im Recht in historische Perspektive rücken: Sowohl Phänomene der Rechtsvielfalt als auch Konstellationen gesellschaftlicher Diversität sind gerade auch in der Vormoderne verbreitet, verschiedentlich werden vormoderne Gesellschaften gerade über besonders ausgeprägte Rechtsvielfalt oder auch Normenkonkurrenz charakterisiert. Besonders aufschlussreich für die Evaluierung solcher Epochencharakterisierungen, vor allem aber für die Untersuchung von Recht als sozialer Praxis ist dabei der Blick auf Rechtsprechung und Gerichtsbarkeit.

Das im Bielefelder SFB 1288 ("Praktiken des Vergleichens") situierte Projekt untersucht Rechtsprechung in europäisch dominierten Kontaktzonen in Asien und der Atlantischen Welt zwischen dem 17. und 19. Jhdt. und nimmt dabei besonders die Rolle von Vergleichspraktiken und die Konstruktion von Vergleichbarkeit zwischen Rechtsordnungen und -praktiken in den Blick. Es verknüpft so europäische Rechtsgeschichte mit Forschungen zu Kulturkontakten und Transkulturalität und fragt unter anderem nach der Übertragung und Anverwandlung von Konzepten und Umgangsweisen mit Diversität. Einen solchen Dialog zwischen noch zu selten verbundenen Forschungsfeldern soll der Workshop initiieren. Wir konfrontieren daher bewusst unterschiedliche Konstellationen von gesellschaftlicher und rechtlicher Diversität miteinander: Von der Rechtsvielfalt und Normenkonkurrenz innerhalb der ständischen Gesellschaft Alteuropas über kulturelle und religiöse Minderheiten und Handelsdiasporen in- und außerhalb Europas bis hin zu außereuropäischen Kontaktzonen und kolonialer Gerichtsbarkeit.

Ziel des Workshops ist es vor allem, gemeinsam Konzepte und Ansätze zu diskutieren. Dabei geht es uns vor allem um drei Aspekte: Erstens wollen wir diskutieren, wie eigentlich „Recht“ in unterschiedlichen historischen und kulturellen Kontexten zu fassen ist. In Auseinandersetzung mit der Tradition der legal anthropology und neueren Überlegungen zu Multinormativität ist hier auch nach den Grenzen von Recht und dem Zusammenspiel verschiedener normativer Ordnungen zu fragen.Zweitens sollen unterschiedliche Konzepte zu Diversität und Recht gesichtet und in Beziehung gesetzt werden, bspw. legal pluralism, Rechtsvielfalt, Multinormativität, Rechtstransfer, Hybridisierung. Drittens geht es uns darum, methodische Zugänge zu Recht(sprechung) als sozialer Praxis zu diskutieren (Justiznutzung, Infrajustiz, legal posturing etc.).

Um Anmeldung wird gebeten.

Programm

Donnerstag, 28. September

16:30h
Begrüßung und Kaffee

17:15h
Einführung: Impuls zu Vergleichspraktiken

18:00h
X E1-201 Öffentlicher Abendvortrag
Nina Dethloff: „Vielfalt des Rechts im Globalisierungsprozess – Zusammenspiel und Konkurrenzen von Normen im Bereich von Ehe und Familie“
Gemeinsames Abendessen

Freitag, 29. September

Panel I: Konzepte zwischen Rechtsgeschichte und legal anthropology

10.30h
Peter Oestmann: „Einheit und Vielfalt in der frühneuzeitlichen Rechtsgeschichte“

11.30h
Barbara Krug-Richter: „Zwischen Dorf und Gericht: Ein Konflikt um Recht und Geschlecht aus dem frühen 18. Jahrhundert“

12.30h Mittagspause

13.30h Werkstattbericht: DoktorandInnen des Teilprojekts

15.00h Kaffeepause

Panel II: Fallstudien

15.30h
Nils Jörn: „Geben und Nehmen. Ein norddeutscher Gerichtshof auf der Suche nach für die Parteien tragbaren Kompromissen“

16:30h
Cornelia Aust: „Kredittransfer: Rechtsnormen und Mobilität jüdischer Kaufleute in Mittel- und Ostmitteleuropa im 18. Jahrhundert“

17:30h
Hanna Sonkajärvi: „Handelsrecht und Verflechtungen in der Atlantischen Welt. Methodische Überlegungen zu einer Geschichte französischer Händler in Brasilien im 19. Jahrhundert“

20:00h Gemeinsames Abendessen

Samstag, 30. September

Panel III: Fallstudien

10:00h
Gauri Parasher: „Arbitration and the Formation of the Colonial Legal Regime in French India (Ca. 1765-1827)“

11:00h
Ulrike Schaper: „Recht und koloniale Herrschaft. Konzeptionelle Überlegungen am Beispiel der deutschen Kolonie Kamerun (1884-1916)“

12:00h Kaffeepause

12:30h
Abschlussdiskussion
Diskutantinnen: Ulrike Davy, Ulrike Lindner, Ulrike Ludwig

13:30h Ende des Workshops

Kontakt

Andreas Becker
Wissenschaftlicher Mitarbeiter im SFB 1288 "Praktiken des Vergleichens"
Teilprojekt "Ordnung in der Vielfalt: Vergleichspraktiken in interkultureller Rechtsprechung (17.-19. Jhdt.)"
Universität Bielefeld
Fakultät für Geschichtswissenschaft, Philosophie und Theologie


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Land Veranstaltung
Sprach(en) der Veranstaltung
Deutsch
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