Geschichte vom Ende her denken. Endzeitentwürfe und ihre Historisierung im Mittelalter

Geschichte vom Ende her denken. Endzeitentwürfe und ihre Historisierung im Mittelalter

Veranstalter
Mittelalterzentrum "Forum Mittelalter" an der Universität Regensburg in Kooperation mit dem Institut für Kunstgeschichte der Karl-Franzens-Universität Graz
Veranstaltungsort
16.11. Kaisersaal im Goldenen Kreuz (Haidplatz 7), 17./18.11. Haus der Begegnung (Hinter der Grieb 8)
Ort
Regensburg
Land
Deutschland
Vom - Bis
16.11.2017 - 18.11.2017
Deadline
06.11.2017
Von
Ehrich, Susanne

Die Tendenz zur historischen Konkretisierung und Vereindeutigung des Endzeitszenarios ist in der Geschichte des Christentums immer wieder festzustellen. Vor allem in Umbruch- und Krisenzeiten traten solche „historischen“ und unmittelbar eschatologischen Deutungsstrategien besonders in den Vordergrund – so schon beim Zerfall des weströmischen Reichs in der Spätantike, während des Investiturstreits, aber auch ausgelöst durch die Expansion des Islam oder die Mongoleneinfälle. Auch das aufkommende Mendikantentum und die damit verbundene Verfolgung von häretischen Strömungen wurden in endzeitlichem Kontext gesehen, im späterem Mittelalter dann die verschiedenen reformatorischen Bewegungen, insbesondere von Jan Hus und Martin Luther.

Zum Quellenbestand der eschatologischen Bild- und Gedankenwelt gehörten neben der Johannes-Offenbarung mit ihrer hochcodierten Gerichts- und Kampfsymbolik auch Schriften außerhalb des biblischen Kanons, wie der Traktat des Adso von Montier-en-Der über den Antichrist oder die Prophezeiungen des Pseudo-Methodius über den Endkaiser. Ebenso bereichern Vers- und Prosatexte, wie die in verschiedenen volkssprachlichen Fassungen überlieferten „15 Zeichen vor dem Jüngsten Gericht“, das Genre prophetischer Literatur. Diese Schriften wurden während des Mittelalters und der Frühen Neuzeit immer wieder neu kommentiert, übersetzt, aktualisiert und auf ihren Gegenwartsbezug hin gedeutet. Die Darstellung von Endzeitentwürfen beschränkt sich aber nicht allein auf das Textmedium, liegt doch die Wirkungsgewalt apokalyptischer Vorstellungen gerade in der Wucht der verwendeten (Sprach-)Bilder. In den Überlieferungszeugen sind Text und Bild häufig in unterschiedlicher medialer Gewichtung miteinander verschränkt: Zu denken ist an die Tradition der bebilderten Apokalypse-Kommentare, textgestützte Freskenzyklen mit eschatologischem Bezug oder die frühneuzeitlichen Blockbücher zum Antichrist.

Die interdisziplinäre Tagung möchte die verschiedenen Philologien sowie die Kunst- und Geschichtswissenschaften unter einem fokussierten thematischen Zugriff auf mittelalterliche Endzeitentwürfe ins Gespräch bringen. Welche Strategien und Techniken bei der Historisierung von Endzeitentwürfen kommen in den verschiedenen Medien zur Anwendung? Welche Rolle spielt dabei die Adressierung an ein bestimmtes Publikum, etwa in der Wahl des Lateinischen oder der Volkssprache? Dabei wird unter Historisierung nicht nur die Ineinssetzung von Vision und Geschichte verstanden, sondern auch der Versuch, prophetische Konzepte durch Gegenwartsbezüge zu deuten und umgekehrt, die Ereignisse der Vergangenheit und Gegenwart als Zeichen im Sinne von Realprophezeiungen zu verstehen. Zu untersuchen ist auch, wie die Chronologisierung und Historisierung von endzeitlichen Szenarien konkret verläuft. Wie werden, anders gewendet, eschatologisch relevante Zeitstrukturen in den konkreten Geschichtsverlauf eingepasst? Zudem wird der schon im Spätmittelalter beobachtbare und sich zur Frühen Neuzeit hin bahnbrechende Prozess einer Popularisierung von Endzeitkonzepten genauer zu analysieren sein.

Die internationale Jahrestagung des Regensburger Mittelalterzentrums "Forum Mittelalter" (www.forum-mittelalter.de) wird in diesem Jahr in Kooperation mit dem Institut für Kunstgeschichte der Karl-Franzens-Universität Graz (PD Dr. Andrea Worm) veranstaltet. Im Vorfeld der Tagung findet ein Doktorandenworkshop zum Thema "Endzeitvisionen der Vormoderne in Text und Bild" statt. Großzügige Unterstützung erhalten die Veranstalter von der Regensburger Universitätsstiftung Hans Vielberth und der Fritz Thyssen Stiftung für Wissenschaftsförderung.

Programm

Donnerstag, 16. November 2017
14.00-17.00 Uhr:
(Dorotheenkapelle, Haus der Begegnung, Hinter der Grieb 8)
Doktorandenworkshop "Endzeitvisionen der Vormoderne in Text und Bild"
Yvonne Arras (Sigmaringen), Gerda Brunnlechner (Hagen), Eleonora Cagol (Dresden), David Hobelleitner (Graz), Wendan Li (Berlin)

19.00 Uhr: Eröffnung der Tagung
(Kaisersaal im Goldenen Kreuz, Haidplatz 7)
Begrüßung: Jörg Oberste (Sprecher des „Forum Mittelalter") / Udo Hebel (Präsident der Universität Regensburg)
Einführung: Susanne Ehrich (Regensburg), Andrea Worm (Graz)

Eröffnungsvortrag:
David Ganz (Zürich)
Gefäße der Geschichte. Endzeitvision und Buchbild im späten Mittelalter

Freitag, 17. November 2017
(Vortragssaal, Haus der Begegnung, Hinter der Grieb 8)

Sektion I: Geschichtlichkeit der Endzeit
Moderation: Susanne Ehrich (Regensburg)
09.00 Uhr:
Armin Bergmeier (Leipzig)
Visuelle Geschichtsschreibung: Die Verbildlichung von Zeit und Endzeit in den hochmittelalterlichen Fresken von Anagni

09.45 Uhr:
Hans-Christian Lehner (Erlangen-Nürnberg)
Endzeitentwürfe mittelalterlicher Geschichtsschreiber

10.30-11.00 Uhr: Pause

11.00 Uhr:
Marco Rainini (Mailand)
Das Jahr des Endes. Ausprägung, Quellen und Rezeption der Endzeitberechnung Joachims von Fiore

11.45 Uhr:
Julia Eva Wannenmacher (Bern)
Das Geheimnis des roten Drachens. Weltliche Macht und apokalyptische Bedrohung in der Exegese Joachims von Fiore

12.30 -14.00 Uhr: Mittagspause

Sektion II: Gegenwart der Endzeit: spätmittelalterliche Aktualisierungen der Johannesoffenbarung
Moderation: Albert Dietl (Regensburg)
14.00 Uhr:
Sabine Schmolinsky (Erfurt)
Wer wird im Himmlischen Jerusalem wohnen? Interpretationen in der spätmittelalterlichen Apokalypsenexegese

14.45 Uhr:
Felicitas Schmieder (Hagen)
Die Apokalypse als Schlüssel zur Zeitgeschichte – Alexander Minoritas "Expositio in Apocalypsim" als Chronik

15.30 Uhr:
Andrea Worm (Graz)
Der Apokalypse-Kommentar des Alexander Minorita und der Altar Meister Bertrams in London (Victoria and Albert Museum)

16.15-16.30 Uhr: Pause

Moderation: Ulrike Wuttke (Potsdam)
16.30 Uhr:
Anke Holdenried (Bristol)
Eschatology and Apocalypse in Thirteenth-Century England: The Evidence of the Early Middle English Poem "Genesis and Exodus"

17.15 Uhr:
Susanne Ehrich (Regensburg)
Historisierung und Überzeitlichkeit: Spätmittelalterliche Endzeitentwürfe im Deutschen Orden

18.00 Uhr:
Gia Toussaint (Hamburg)
Endzeit auf Karlstein. Karl IV. und sein Heilsplan

20.00 Uhr: Gemeinsames Abendessen

Samstag, 18. November 2017
(Vortragssaal, Haus der Begegnung, Hinter der Grieb 8)

Sektion III: Eschatologische Geschichtsdeutung und politische Prophetie
Moderation: Andrea Worm (Graz)
09.00 Uhr:
Damian Dombrowski (Würzburg)
Die erste Seite des Evangeliars von Saint-Médard in Soissons: Die Heiligkeit der Zeit

09.45 Uhr:
Cristiana Pasqualetti (L’Aquila)
Depicting the In-between. The Lost "Last Judgement" of Amatrice

10.30-11.00 Uhr: Pause

11.00 Uhr:
Robert E. Lerner (Evanston/Chicago)
Rupescissa Goes Multilingual: The Pan-European Vernacular Reception of a Latin Eschatological Prophecy

11.45 Uhr:
Philipp Stenzig (Düsseldorf)
„Navis Petri non quassatur" – politische Prophetie gegen das Konzil von Konstanz

12.30 -14.00 Uhr: Mittagspause

Sektion IV: (Vor-)Zeichen des Endes im Spätmittelalter
Moderation: Gia Toussaint (Hamburg)
14.00 Uhr:
Edith Kapeller (Klosterneuburg)
Belial und die Fünfzehn Zeichen des Jüngsten Gerichts: Text und Bilder einer Klosterneuburger Sammelhandschrift

14.45 Uhr:
Daniela Wagner (Tübingen)
„Sie haben auch sehr wenig Wahrscheinlichkeit für sich." Die Fünfzehn Zeichen vor dem Jüngsten Gericht zwischen Authentifizierung und Historisierung

15.30 Uhr:
Katharina Christa Schüppel (Dortmund)
Das apokalyptische Objekt: Endzeiterwartung als Subtext in einer Bologneser Sammelhandschrift des frühen 14. Jahrhunderts (Florenz, Biblioteca Riccardiana, ms. 1538)

Kontakt

Susanne Ehrich

Mittelalterzentrum "Forum Mittelalter"
Universität Regensburg
Universitätsstr. 31
D - 93053 Regensburg

0049-941-943-3597

susanne.ehrich@ur.de

http://www.forum-mittelalter.de
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