Emotionen sind seit einigen Jahren in den Fokus zahlreicher Wissenschaftsrichtungen gerückt – im Bereich der kollektiven Wahrnehmung von Wirtschaftskrisen führen sie bisher jedoch weiterhin ein Nischenleben. Trotz Schumpeters vielzitierter Äußerung zur Wechselwirkung zwischen „Geldwesen“ und kollektiver Identität eines Volkes vor gut hundert Jahren werden die Schnitt-stellen zwischen Ökonomie, Staat, Wissenschaft, kulturellen Normen, historischen Erfahrungen und Emotionen erst nach und nach interdisziplinär auf nationaler oder transnationaler Ebene untersucht. Dabei geraten in neuester Zeit zwar der Stellenwert historischer Orientierung in Finanzkrisen oder ein konstatierter „Kampf der Wirtschaftskulturen“ (Brunnermeier/James/ /Landau) in der heutigen EU in den Blick – eine Untersuchung der kollektiv-emotional wirksamen Komponenten von Wirtschaftskrisengeschichte scheint jedoch nach wie vor erst lückenhaft in Angriff genommen worden zu sein.
Die vielfältigen Äußerungsformen der jüngsten Wirtschaftskrisen und die derzeiti-gen Herausforderungen in Europa machen vor allem auch die Notwendigkeit deutlich, die nach wie vor häufig als rational geltende Ökonomie auf ihre parallel ausgebildete „stark spezialisierte emotionale Kultur“ (Eva Illouz) hin zu untersuchen. Diese äußert sich vor allem in Krisendiskursen, in denen Emotionen besonders deutlich als kollektive „Form der Geisteshaltung bzw. der Einstellung zur Welt“ sichtbar werden. In ihnen wird neben der „eigentlichen“ Krise nicht nur das Geschehene aufgezeigt, sondern es auch (bisweilen höchst emotional) interpretiert, bewertet und mit als problematisch bewerteten Umständen des Zeitgeschehens moralischer, politischer oder gesellschaftlicher Art verknüpft. Sie können so als kollektive Wahrnehmungsphänomene betrachtet werden, die vor allem auch medial konstruiert und verbreitet werden.
Das interdisziplinäre Symposium will aus verschiedenen Blickwinkeln den Schnittstellen zwischen Ökonomie und Staat, Wissenschaft, kulturellen Normen, historischen Erfahrungen und Emotionen in den verschiedenen, emotional aufgeladenen Krisendiskursen interdisziplinär nachspüren.
Dazu unterteilt es thematisch die vier Sektionen Glaube & Rationalität, Politik & Gesellschaft, Krise & Reform und Kultur & Nation und hat dafür Referenten verschiedenster Provenienz aus Wirtschaftssoziologie, Kulturwissenschaft, Geschichte, Ökonomie, Journalistik und Bankenwesen gewonnen. Die Beiträge berühren unterschiedliche Themenkomplexe und kreisen unter anderem um die Fragen:
Welche Emotionen sind in Krisendiskursen beherrschend und lassen sie sich kategorisieren?
Auf welche Weise bedienen sich verschiedene Akteure (Politik, Unternehmen, Presse, Werbung, Populärkultur) bestimmter Emotionen, um eigene Ziele durchzusetzen? (Manipulationskraft der Emotionen)
Welchen Einfluss haben Massenmedien auf die politische Kommunikation?
Welche Erklärungsstrategien und Handlungsanweisungen lassen sich ausmachen, welche Rolle spielen dabei historische Erfahrungen und sind sie rein national geprägt?
Das Symposium wird veranstaltet vom Institut für Geschichte der Stiftung Universität Hildesheim. Es findet vom 14.-16.02.2019 in den Räumlichkeiten der Volksbank Hildesheim statt.
Für die Sektionen 1, 3 und 4 besteht noch die Möglichkeit eines Vortrags.
Es wird um die Einsendung eines Abstracts (ca. 300-400 Wörter) und Angaben zur Vita mit kurzer Pulikationsliste gebeten.