1961 | 1989. Die Berliner Mauer

1961 | 1989. Die Berliner Mauer

Veranstalter
Dokumentationszentrum Gedenkstätte Berliner Mauer
Ort
Berlin
Land
Deutschland
Vom - Bis
09.11.2014 -
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Sara Sponholz, Berlin

Am 9. November 2014 eröffneten Bundeskanzlerin Angela Merkel und Stiftungsdirektor Axel Klausmeier die neue Dauerausstellung der Gedenkstätte Berliner Mauer an der Bernauer Straße. Damit wurde die Ausstellung nach einem einjährigen Umbau pünktlich zum 25. Jubiläum des Mauerfalls fertiggestellt, und auch der Ausbau des gesamten Areals ist nach nunmehr 20 Jahren vorerst abgeschlossen. Die Bernauer Straße ist der zentrale Gedenk- und Erinnerungsort an die deutsche Teilung zwischen 1961 und 1989; sie steht exemplarisch für die Auswirkungen des Mauerbaus. Nach dem 13. August 1961 wurden die Menschen an der Bernauer Straße Zeugen des stetigen Grenzstreifenausbaus durch Abriegelung und Sprengungen sowie vieler teils erfolgreicher, teils fehlgeschlagener Fluchtversuche. Hier waren auch die ersten Mauertoten zu beklagen. Die Straße ist jedoch nicht nur ein Symbol der Repression durch das SED-Regime, sondern steht ebenso für den friedlichen Fall der Berliner Mauer am 9. November 1989. Bereits eine Nacht später wurden zwischen der Bernauer und der Eberswalder Straße die ersten Mauersegmente entfernt, um einen neuen Übergang zwischen Ost- und West-Berlin zu schaffen. Im Juni 1990 begann schließlich die offizielle Abtragung der Mauer an der Bernauer Straße, Ecke Ackerstraße. Heute befindet sich an diesem historischen Ort die Gedenkstätte Berliner Mauer, welche sich 2008 mit der Erinnerungsstätte Notaufnahmelager Marienfelde zur Stiftung Berliner Mauer verbunden hat.1

Die Gedenkstätte Berliner Mauer setzt sich aus einem Besucher- und einem Dokumentationszentrum sowie aus einem 1,3 km langen und 4,4 ha großen früheren Grenzstreifen zusammen. Letzterer bietet eine dauerhaft zugängliche Außenausstellung, welche ebenfalls zum November 2014 umgestaltet und erweitert wurde. Ergänzend zur neuen Dauerausstellung, in der die politisch-historischen Hintergründe vom Mauerbau bis zum Mauerfall und der deutschen Einheit gezeigt werden, stellt der Außenbereich die Geschehnisse an der Bernauer Straße in den Fokus.

Die neue Ausstellung im Dokumentationszentrum erstreckt sich auf insgesamt 420 Quadratmeter. Das Dokumentationszentrum befindet sich im ehemaligen Ausweichquartier der Versöhnungsgemeinde, für die im Jahr 2000 eine Kapelle auf dem Gelände der 1985 gesprengten Versöhnungskirche errichtet wurde. Verteilt auf zwei Etagen hat die neue Ausstellung im Gegensatz zur vorherigen deutlich mehr Grundfläche und weiß diese nach der Entfernung von Trennwänden mit zwei großflächigen Räumen zu nutzen. Inhaltlich konzentrieren sich die Kuratoren auf drei zentrale Fragen: Warum wurde die Berliner Mauer gebaut? Welche Auswirkungen hatte sie auf die Menschen in Ost und West? Warum fiel sie 1989?2 Durch den Fokus auf die geteilte Stadt und deren Bevölkerung werden die politische Ereignisgeschichte und die Alltagsgeschichte miteinander verknüpft. Da sich die vorherige Ausstellung weitgehend auf die Ereignisse rund um den Mauerbau am 13. August 1961 beschränkte, wurden nur wenige Exponate übernommen (Ton-, Bild- und Schriftdokumente).

Die jetzige Ausstellung verteilt sich auf fünf inhaltliche Bereiche: Im Erdgeschoss geht es um die Berliner Mauer sowie um den historisch-politischen und alltagsgeschichtlichen Kontext in Ost und West; ebenso finden sich dort fünf visuelle und auditive Stationen mit themenbezogenen Zeitzeugenkommentaren. Im Obergeschoss zeigen beispielhafte Einzelschicksale die Auswirkungen der Mauer auf individuelle Lebensläufe. Des Weiteren wird der Weg zur Friedlichen Revolution und zum Fall der Mauer geschildert sowie in einem letzten Bereich ein Gegenwartsbezug hergestellt. Die Gestaltung differiert pro Abschnitt – dadurch wird einerseits die Orientierung in der Ausstellung erleichtert, andererseits entsteht so kein einheitliches Gesamtgefüge. Im Folgenden werde ich die Bereiche zur Verdeutlichung kurz vorstellen.

Beim Betreten des Erdgeschosses (Titel „Die geteilte Stadt“) fällt der Blick der Besucher unmittelbar auf das zentrale Objekt der Ausstellung: den „Stalinrasen“, eine versteckte Dornenmatte im Boden mancher Grenzabschnitte, welche die DDR-Bürger an der Flucht hindern sollte. Dieser in unmittelbarer Nähe zum früheren Mauerstreifen bewusst inszenierte Auftaktimpuls wird von den Kuratoren als Symbol für die „Mittelalterlichkeit“ und Brutalität der Berliner Mauer eingesetzt; er sei zugleich ein irritierender, emotionaler Einstieg.3 Gerade durch die nach oben offene Vitrine wird den Besuchern die Gefährlichkeit der rostigen Dornen unmittelbar vor Augen geführt.

Blickt man an dem Objekt vorbei, so zeigen sich fünf großformatige, schwarzweiße Fotografien. Weiß gehaltene Titel auf den Fotos kennzeichnen die unterschiedlichen Themenabschnitte. Die Fotos bilden die Vorderseite von fünf rechteckigen, seitlich aufgestellten Inseln, welche freistehend über den Raum verteilt sind und auf ihrer Rückseite vertiefende Informationen (Texte, Objekte, Medienstationen) zu dem jeweiligen Themenaspekt bieten. Diese Inseln verfügen jeweils über einen Einführungstext, diverse Abschnitts- und Exponattexte sowie über mindestens eine Medienstation mit Video- und/oder Audiomaterial. An der hinteren Wand des Raumes sind insgesamt fünf Zeitzeugenstationen installiert, welche mit Sitzmöglichkeiten die Besucher zum Verweilen einladen. Die Medienstationen bieten durch zwei Kopfhörerbuchsen („hand-held“) die Möglichkeit, das Material zu zweit oder sogar als kleine Gruppe anzuhören. Dadurch kann ein direkter Austausch zwischen den Besuchern stattfinden und das Erfahrene sofort diskutiert werden. Alle Texte und Medienstationen sind in Deutsch und Englisch gehalten, um auch den zahlreichen ausländischen Besuchern gerecht zu werden. Zusätzlich gibt es über die gesamte Ausstellung verteilt orangefarbene Kinderstationen, die auf niedriger Höhe in kindgerechter Sprache auf einzelne Aspekte hinweisen.

Zum Obergeschoss (Titel „Repression und Revolution“) gelangt man über die Außentreppe oder mittels eines Fahrstuhls. Wendet man sich beim Betreten dieser Ebene zunächst zur linken Seite, so steht man vor einer in Grau gehaltenen Wandtafel-Installation, die verschiedene Einzelschicksale rund um das Thema Mauer zeigt (Grenzräume, Fluchtversuche, Repressionen). Zwei Tafeln stehen von der Wand gelöst in der Mitte der Ecke, wodurch ein kleiner Rundgang entsteht. Auch die übrigen Tafeln sind nicht einfach aneinandergereiht, sondern stehen verwinkelt und halbgelöst von der Wand. Dadurch wird ein lebendiges Bild erzeugt, welches dem Blick der Besucher Abwechslung bietet. Vergleichbar zum Erdgeschoss besteht der Informationsteil vor allem aus Collagen von Textabschnitten, Foto- und Dokumentreproduktionen. Zusätzlich gibt es einzelne Hörstationen und drei Objekte: den Regenmantel von Margarete Hohlbein, der in den 1960er-Jahren die Flucht durch einen Tunnel glückte, die Armbinde eines „Freiwilligen Helfers der Grenztruppen“ (nach 1982) und einen Bewegungsmelder zur Verhinderung von Fluchtversuchen aus einem Grenzbetrieb (1980er-Jahre).

Gegenüber der Eingangstür befinden sich zwei Medienstationen, die Hintergrundinformationen zu einzelnen Todesopfern bieten. Direkt darüber ermöglicht ein Fenster einen freien Blick auf den Grenzstreifen, der zum Außenbereich der Gedenkstätte gehört. Der architektonische Umbau ist besonders bei den eingefügten Fenstern im Erdgeschoss und Obergeschoss gelungen, da so immer wieder der Blick auf die Mauer gelenkt und eine optische Verknüpfung mit dem Außenbereich hergestellt wird. Insgesamt wirkt die Ausstellung dadurch nicht von der Außenwelt abgeschottet, sondern mit dem historischen Ort und der dortigen Gegenwart verbunden. Durch die vielen Fenster sind auch die Lichtverhältnisse in den Ausstellungsräumen sehr gut (anders als in herkömmlichen Museen erfordern die wenigen originalen Objekte hier keinen besonderen Lichtschutz). Die Fenster bieten jedoch nicht nur den Blick hinaus, sondern ebenfalls hinein. Die Besucher des Außenareals und vorbeilaufende Fußgänger werden neugierig auf die Ausstellung und vermutlich besonders von dem zentralen „Stalinrasen“ angesprochen.

Zurück im Obergeschoss öffnet sich der Raum nach rechts hin zum ehemaligen Kirchenraum der Versöhnungsgemeinde. Die hohe Decke ist nun mit herabhängenden Drucken von Propagandaplakaten, Fotografien und Demonstrationsparolen gefüllt. An der linken Wand befindet sich eine großformatige Fotochronologie, welche die Entwicklung der Bernauer Straße zwischen 1965 und 1990 zeigt. Zudem sind hier zwei Gedenktafeln von Maueropfern zu sehen. Im Zentrum des Raumes befinden sich insgesamt sechs Inseln, welche rundum bespielt werden und zu verschiedenen Aspekten Hintergrundinformationen in Form von erläuternden Texten, Fotos, Schriftdokumenten und Hörstationen bieten. Auf der rechten Seite ist ein in Gelb gehaltener, langgestreckter Tisch installiert, der sich deutlich von den mintgrünen Inseln im Raum absetzt. Dieser Tisch dient zur direkten Kommunikation mit den Besuchern und stellt einen Gegenwartsbezug zwischen dem historischen Ort und der heutigen Gedenkstätte her. Hier werden Besucherstimmen zum Ort und den Ereignissen gesammelt und mit Karteikarten an von der Decke herabhängenden Klemmvorrichtungen befestigt. Dies ist eine nette Idee, um die Besucher aktiv mit einzubeziehen, ist jedoch im Hinblick auf das ebenfalls vorhandene Besucherbuch eventuell überflüssig. Auch die Farbgestaltung irritiert, da sie den rechten Bereich des Obergeschosses nicht zeitgemäß wirken lässt – dies mag jedoch dem subjektiven Empfinden der Besucher überlassen bleiben.

Begleitet wird der Besucher im Obergeschoss von einer permanenten Geräuschkulisse. Sie besteht zum einen aus dem Klang des „Steineklopfens“, was die Abtragung der Mauer symbolisiert, zum anderen aus O-Tönen eines Films zu den Ereignissen des Jahres 1989, welcher im hinteren Bereich des Raumes läuft. Ergänzt wird der Film durch eine altarbildähnlich auf die Wand gedruckte Fotografie mit der aufgebrochenen Mauer und jubelnden Menschen. Die Geräusche dienen vor allem zur Lenkung der Aufmerksamkeit und zur Untermalung. Sie können jedoch auch als störend empfunden werden, da sie im gesamten Obergeschoss zu hören sind.

Auf den ersten Blick wirkt die Ausstellung sehr textlastig, was jedoch von den zahlreichen Medienstationen und Fotografien gut aufgelockert wird. Die Texte selbst sind relativ kurz und gut verständlich geschrieben. Biografische Einschübe stellen einen persönlichen Bezug zum Besucher her, worin sie von dem abwechslungsreichen Material zum alltäglichen Leben unterstützt werden. Ein Katalog zur Ausstellung ist noch in Arbeit. Leider gibt es zwischenzeitlich kein Begleitheft, so dass die Besucher etwas ziellos in den Räumen herumwandern. Öffentliche Führungen sind aufgrund der geringen Ausstellungsfläche und der hohen Besucherzahlen bisher nicht vorgesehen, werden aber bei Bedarf erwogen. In jedem Fall zeigt die neue Dauerausstellung interessantes, vielseitiges Material und bietet so einen lohnenden Einblick in die Hintergründe und Folgen der Berliner Mauer.

Anmerkungen:
1 Vgl. <http://www.berliner-mauer-gedenkstaette.de> und <http://www.stiftung-berliner-mauer.de> (13.01.2015).
2 Gespräch der Autorin mit Herrn Prof. Dr. Axel Klausmeier am 12.12.2014.
3 Ebd.