Fashion on the Ration: 1940s Street Style

Fashion on the Ration: 1940s Street Style

Veranstalter
Imperial War Museum
Ort
London
Land
United Kingdom
Vom - Bis
05.03.2015 - 31.08.2015

Publikation(en)

Cover
: Fashion on the Ration. Style in the Second World War. London 2015 : Profile Books, ISBN 978-1-78283-097-9 232 S., zahlr. Abb. £ 15.00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Tobias Becker, German Historical Institute London

Wer einen Weltkrieg führt, muss deshalb nicht auf gutes Aussehen verzichten – im Gegenteil: „During these rather difficult days it is not only a woman’s pleasure to look her best – it’s her downright duty as well.“ So lautete die Werbung eines britischen Strumpfherstellers aus den 1940er-Jahren. Zu sehen ist sie in einer originellen Ausstellung über Mode im Zweiten Weltkrieg, die das Imperial War Museum in London noch bis zum 31. August zeigt. Im Mittelpunkt von „Fashion on the Ration“ steht natürlich die Mode. Doch am Beispiel der Mode zeigt die Ausstellung zugleich, wie Briten – vor allem aber Britinnen – auf kreative Weise die Herausforderungen von Krieg und Mangelwirtschaft meisterten.1

Denn mit Kriegsbeginn endete die Mode zwar nicht, aber sie trat in den Hintergrund. Nicht nur, weil viele nun andere Sorgen hatten, sondern vor allem weil sie Uniform trugen. Das galt in erster Linie natürlich für die Soldaten, aber auch für Krankenschwestern, Hilfsfeuerwehrleute, die Mitglieder der Home Guard und anderer Organisationen. Aufgrund vieler ausländischer Truppeneinheiten erhielt die britische Metropole dennoch kein konformes Aussehen, wie die Tagebuchautorin Vere Hodgson 1943 notierte: „Piccadilly is such a thrilling place these days. All the uniforms of all the nations jostle you on the pavement.“

Wer weiterhin zivile Kleidung trug, sah sich zunehmend Schwierigkeiten gegenüber. Zwar wurde nach wie vor Kleidung produziert und in Geschäften angeboten, allerdings sank die Verfügbarkeit bei gleichzeitig steigenden Preisen. Seit dem 1. Juni 1941 wurde Kleidung rationiert. Jeder Person stand jetzt pro Jahr nur noch eine komplette Garnitur zu. Dies wurde durch ein Coupon-System sichergestellt. Wer über mehr Geld verfügte, konnte durch Zuzahlung trotzdem Kleidung von höherer Qualität erwerben. Am Ausbessern kam dagegen niemand vorbei. „Make Do and Mend“ hieß die offizielle Parole, die dazu anhielt, alte Kleidung in Stand zu setzen oder umzuarbeiten. Wer Patriotismus demonstrieren wollte, trug geflickte Wäsche, während zu neue oder auffallende Kleidung nun als unangemessen galt.

Dass der Krieg auch neue Kleidungsstücke und Accessoires hervorbrachte, zeigt die Ausstellung anhand von Handtaschen mit integriertem Gasmaskenbehälter und der „Siren Suit“. Dabei handelte es sich um einen einteiligen Anzug, der beim Ertönen der Sirenen schnell übergestreift werden konnte und vor Kälte und Schmutz im Luftschutzbunker schützte. Populär machte dieses Kleidungsstück nicht zuletzt Premierminister Winston Churchill, der die von ihm liebevoll „rompers“ (Strampelanzug) getauften Overalls bei seinem Maßschneider bestellte. (Ob er dazu Coupons benutzte, erfährt man nicht.) Obwohl seine „rompers“ ihn wie einen onkelhaften Automechaniker aussehen ließen, trug er sie nicht nur im Bunker, sondern sogar zu offiziellen Anlässen wie Treffen mit General Eisenhower.2

Mit „Utility Clothing“ entdeckt die Ausstellung einen ebenso interessanten wie vergessenen Aspekt der Modegeschichte wieder. Als Reaktion auf die Mangelwirtschaft gründete das Board of Trade 1941 ein staatliches Modelabel, für das es namhafte Designer der Zeit verpflichtete und das sogar über ein eigenes Logo verfügte. Die Öffentlichkeit stand diesem Unternehmen anfangs deutlich ablehnend gegenüber. Doch anders als befürchtet, war das Ergebnis keine Ziviluniform, sondern Kleidung, die sich sehen lassen konnte – preiswert, haltbar und ausgesprochen modisch (mehr Mad Men als Mao-Anzug).

Werbeslogans wie „To work for victory is not to say goodbye to charm. For good looks and good morale are the closest allies“, die gutes Aussehen und modische Kleidung zur patriotischen Pflicht erklärten, kann man als Geschäftemacherei in Krisenzeiten belächeln. Doch sie enthalten eine tiefere Wahrheit. Kein Exponat bringt besser auf den Punkt, worum es geht, als das Bild von vier Frauen am Anfang der Ausstellung (und der sie begleitenden Website). Fröhlich lächelnd und makellos gekleidet (in Utility Clothing), das Hütchen mit der Fasanenfeder keck auf dem frisierten Haar, wird unter ihren Füßen die Londoner Straße zum Laufsteg – mit den Passanten als Publikum. Mode auf Zuteilung? Individualismus in Zeiten von tödlichstem Uniformismus!

Diese Geschichte der Mode während des Zweiten Weltkrieges ist so interessant, dass sie sich fast von selbst erzählt. „Fashion on the Ration“ vertraut deshalb weitgehend auf Exponate – Fotografien, Filmausschnitte, Briefe, Modezeitschriften und Schaufensterpuppen mit Originalbekleidung –, unterstützt durch kurze einführende Texttafeln und Interviews mit Zeitzeugen. Aufgebaut ist die Ausstellung als chronologischer Rundgang. Er führt durch sechs Räume, von denen jeder einem bestimmten Thema gewidmet ist: der Uniformierung, den kriegsbedingten Innovationen, der Rationierung, der Utility Clothing, der Kosmetik und der unmittelbaren Nachkriegszeit. Im Zuge der Demobilisierung konnte sich jeder Soldat einen Anzug aussuchen. Bei vielen löste dies jedoch das Gefühl aus, lediglich eine Uniform gegen eine andere zu tauschen. Zugleich dauerte die Rationierung noch bis 1949 an. Das erklärt auch, warum Christian Diors „New Look“ von 1947 als so revolutionär empfunden wurde. Sein verschwenderischer Umgang mit teuren Stoffen sagte der Austerität der Kriegs- und Nachkriegszeit den Kampf an und läutete damit die Rückkehr der Haute Couture ein.

Bei manchen Themen – den Klassengegensätzen und Widerständen etwa – wäre mehr Ausführlichkeit und Tiefgang wünschenswert gewesen. Zugegebenermaßen lassen sich solche Aspekt aber auch schwer ausstellen. Wer detailliertere Informationen sucht, kann zu dem gleichnamigen Buch von Julie Summers greifen. Dass „Fashion on the Ration“ in einem Haus steht, das in erster Linie der Gewaltgeschichte des 20. Jahrhunderts seit dem Ersten Weltkrieg und dem organisierten Massenmord während des Zweiten Weltkriegs gewidmet ist, lässt diese kleine, aber sehr sehenswerte Ausstellung umso lebendiger wirken. Selbst in einem scheinbar ausgelesenen Buch wie dem Zweiten Weltkrieg sind noch neue Kapitel aufzuschlagen.

Anmerkungen:
1 Einen anschaulichen Einblick gibt es auf der Museumswebsite unter <http://www.iwm.org.uk/history/wartime-fashion> (10.05.2015).
2 Siehe etwa die Abbildung unter <http://www.churchillstyle.com/pdf/fashion.pdf> (10.05.2015).