Willy Fleckhaus. Design, Revolte, Regenbogen

Willy Fleckhaus. Design, Revolte, Regenbogen

Veranstalter
Museum für Angewandte Kunst Köln (MAKK)
Ort
Köln
Land
Deutschland
Vom - Bis
26.08.2016 - 11.12.2016

Publikation(en)

Cover
Koetzle, Hans-Michael; Wolff, Carsten; Buhrs, Michael; Hesse, Petra (Hrsg.): Willy Fleckhaus. Design, Revolte, Regenbogen. Köln 2016 , ISBN 978-3-9811342-4-7 241 S., zahlr. farb. Abb., zweisprachig (dt. / engl.) € 29,90
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Lucia Halder, Rautenstrauch-Joest-Museum - Kulturen der Welt, Köln

Das Erscheinungsbild von Massenmedien erlaubt Rückschlüsse auf Sehgewohnheiten, gestalterische Konjunkturen sowie Sag- und Zeigbarkeitsregeln einer Zeit. Doch wer prägt eigentlich das Antlitz von Plakaten, Magazinen, Büchern oder Zeitungen? In der Bundesrepublik der 1950er- bis 1980er-Jahre spielte Willy Fleckhaus (1925–1983) dabei eine maßgebliche Rolle. Wem dieser Name bislang unbekannt erscheint, kennt Willy Fleckhaus mit Sicherheit trotzdem – zumindest seine Arbeit als Grafikdesigner. So schuf er beispielsweise das Logo des Westdeutschen Rundfunks, die Entwürfe für die Buchreihen des Suhrkamp-Verlags und die Taschenbücher des Insel-Verlags, designte das Logo der Zeitschrift „Quick“ und der Aktion „Ein Herz für Kinder“, entwarf das Layout des Magazins der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ und des „Kölner Stadtanzeigers“. Fleckhaus war auf praktisch allen Gebieten visueller Kommunikation tätig, bis hin zur Gestaltung von Briefmarken. Sein schnörkelloser, klarer Stil prägte die Massenmedien der „alten“ Bundesrepublik in unvergleichlicher Weise und wirkt bis heute nach.


Abb. 1: Der Eingang zur Ausstellung
(© Joachim Koetzle)

Das Museum für Angewandte Kunst Köln (MAKK) widmet dem Gestalter nun eine Sonderausstellung, die „keine reine Design-Ausstellung“ sein will, wie der Einführungstext verrät. Vielmehr möchte sie „drei bewegte Jahrzehnte rekapitulieren – vom Jugendprotest der sechziger bis hin zum Feminismus der achtziger Jahre“. Diesen drei „Schlüsseljahrzehnten“ gesellschaftlichen Wandels, wie sie hier bezeichnet werden, liege eine gemeinsame visuelle Sprache zugrunde – ein Design, das Fleckhaus mit seiner radikalen visuellen Gestaltung lieferte.

Der Autodidakt Willy Fleckhaus wurde am 21. Dezember 1925 als Wilhelm August Fleckhaus in Velbert geboren. Kriegsbedingt blieb ihm eine Ausbildung oder ein Studium verwehrt. 17-jährig wurde er zunächst zum Arbeitsdienst, dann in die Wehrmacht eingezogen. Nach Kriegsende arbeitete er als Volontär, später als freier Mitarbeiter und Redakteur für den in Freiburg im Breisgau erscheinenden katholischen „Fährmann –Zeitschrift für junge Christen“.

Den Besucherinnen und Besuchern der Ausstellung entfaltet sich Fleckhaus' Werdegang chronologisch anhand der von ihm gestalteten grafischen Erzeugnisse. Original-Ausgaben des „Fährmanns“ von 1948 und 1949 sind somit die ersten Exponate. 1951 wechselte Fleckhaus zu „Aufwärts“, der in Köln erscheinenden Jugendzeitschrift des Deutschen Gewerkschaftsbundes. War er dort zunächst als Redakteur angestellt, übernahm er 1952 die Gestaltung des Heftes und verpasste ihm ein grundlegend neues Aussehen. Bei den Exponaten in der Ausstellung – „Aufwärts“-Hefte aus den Jahren 1951 bis 1958 – fällt sofort ins Auge, was den besonderen Fleckhaus-Stil ausmachte: Bilder spielten eine dominierende Rolle. Großformatig, über den Falz hinweg oder auch komplett doppelseitig setzte er sie ein. Er beschnitt und montierte (ohne übermäßige Rücksicht auf die Fotografen), collagierte, überlagerte Bild und Schrift – kurzum: Er entwickelte eine gänzlich eigene visuelle Sprache, die er ab 1959 für das neue Magazin „twen“ perfektionierte.

Gegründet von Adolf Theobald und vom Kölner Neven DuMont-Verlag gedruckt, revolutionierte „twen“ aus dem Stand die bundesdeutsche Zeitschriftenlandschaft. Die Beiträge thematisierten Jazz, Jugend- und Partykultur, Mode, Geschlechterverhältnisse, Sexualität und Politik. Fleckhaus agierte als inhaltlicher Ideengeber und Blattgestalter gleichermaßen; er traf den Nerv der Zeit. Dabei ging es ihm offenkundig nicht nur um Ästhetik, sondern um den Prozess der visuellen Kommunikation. Das Visuelle stand gleichwertig neben den Texten, wenn nicht gar darüber. Die Gestaltung des Magazins dachte Fleckhaus stets vom fotografischen Bild her. Seine Bekanntschaft mit zahlreichen Fotografen war prägend für das Erscheinungsbild der „twen“. 1954 lernte er in Köln L. Fritz Gruber kennen, den Initiator der photokina-Bilderschauen. In den Folgejahren konzipierte Fleckhaus den photokina-Katalog sowie mehrere der legendären messebegleitenden Fotoausstellungen. Besonders aber seine enge Freundschaft mit Will McBride, dem Chronist jugendlicher Aufbruchstimmung der Bundesrepublik der 1950er- und 1960er-Jahre, spiegelt sich sowohl im Heft als auch in der Kölner Retrospektive wider.


Abb. 2: Die großzügige Verwendung von Fotografie kennzeichnete Willy Fleckhaus' Stil – hier zu sehen am Beispiel der Magazine „Bleib im Bild“ (links) und „twen“ (Mitte).
(© Joachim Koetzle)

Der Münchner Fotohistoriker und Publizist Hans-Michael Koetzle hat die Ausstellung kuratiert. Aus seiner Privatsammlung stammen die meisten der insgesamt 350 Objekte, die in der Schau zu sehen sind. Doch der Kurator begnügt sich nicht damit, eine Vielzahl an Titel- und Innenseiten von Magazinen sowie Buchreihen zu zeigen. Vielmehr werden in der Ausstellung Produkt und Kontext miteinander verschränkt. Koetzle präsentiert zahlreiche Aufnahmen der oftmals von Fleckhaus auf der photokina in Köln entdeckten und für eigene Projekte engagierten Fotografen; diese Bilder stellt er neben die Hefte, in denen sie verwendet wurden. Dem Besucher entfaltet sich somit eindrücklich ein Stück Produktionsgeschichte der visuellen Medien.

Die prägnante Gestaltung mit der Handschrift einer einzelnen Person war damals ein Novum. Die meisten Zeitschriften wurden von Textern geleitet. Die Gestaltung der Printmedien übernahmen sogenannte Einrichter oder bestenfalls Grafiker, die im Impressum weit unten standen. Dass heute jedes Magazin einen „Art Director“ beschäftigt, zählt zu den Verdiensten von Willy Fleckhaus. Er nahm sich US-amerikanische Zeitschriften wie „Harper’s Bazaar“ zum Vorbild und importierte das Modell einer für das Layout verantwortlichen Person, welche die Zusammenarbeit von GrafikerInnen, RedakteurInnen, FotografInnen und IllustratorInnen leitet – das sogenannte Editorial Design. Fleckhaus gehörte damit zu den wichtigsten Akteuren der bundesdeutschen Presselandschaft seiner Zeit. Doch während es über Bildredakteure und Bildagenturen mittlerweile spannende Forschungen gibt1, sind Grafikdesigner bisher noch nicht in den Fokus der Visual History gerückt.


Abb. 3: Willy Fleckhaus bei der Arbeit in der „twen“-Redaktion, um 1964, Fotograf: anonym
(MAKK)

Die Gestaltung der Ausstellung deckt sich mit Fleckhaus' Optik: Klar, grafisch und ohne zusätzliche Inszenierung zitieren die dunklen Wände in weiten Teilen der Räume die „twen“-Gestaltung. Die abwechslungsreiche Hängung bietet mal eine dichte Fülle an Objekten auf kleinster Wandfläche, mal viel Freiraum, der dem Besucher gleichsam Raum zum Reflektieren gibt. Unzählige Magazincover, Magazinseiten und Fotografien sowie die von Fleckhaus gestalteten Buchreihen finden Platz. Selten war eine Ausstellung, die zu großen Teilen mit Flachware bestückt ist, derart spannend und dramaturgisch gekonnt aufgebaut.


Abb. 4: Blick in die Ausstellung
(© Joachim Koetzle)

Während des Rundgangs kommt man als BesucherIn der Person Fleckhaus sukzessive näher. Stehen in den ersten Räumen ganz und gar seine Entwürfe im Vordergrund, flicht der Kurator der Ausstellung im weiteren Verlauf Porträtfotografien ein, zeigt Skizzen und ein persönliches Notizbuch von Fleckhaus. Eine vielteilige Porträtserie von Will McBride ziert als Fries den Raum zu den Covern des Magazins der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“. Einige Fotografien zeigen Fleckhaus in seinem beruflichen und mehr und mehr auch seinem privaten Umfeld. Fleckhaus' wachsende Popularität wird zudem durch Bilder kenntlich, auf denen er in illustrer Gesellschaft während der photokina oder später als Hochschullehrer zu sehen ist. Auch Widersprüche in der persönlichen politischen Orientierung, über die Fleckhaus offenbar zugunsten seiner Karriere hinweggesehen hatte, werden in der Kölner Schau verdeutlicht. Er wird als CDU-Wähler charakterisiert, der nichtsdestotrotz gerade in der „twen“ Inhalte wie Sex und Drogen aufgriff. Am Ende erscheint Fleckhaus als weltanschaulich nicht festzulegender Mann – als Revolutionär, Freigeist und Konservativer zugleich.

„Wichtig scheint mir zu sein, wenn man etwas anfängt, daß man nicht etwas macht, was jetzt so zack da ist. Ich möchte eigentlich immer Dinge machen, die laufen, lange Jahre“, so ein Fleckhaus-Zitat an der Wand des Museums für Angewandte Kunst. Das hat die Hauptfigur dieser Ausstellung zweifelsohne erreicht. Willy Fleckhaus drückte der visuellen Kultur der jungen Bundesrepublik seinen gestalterischen Stempel auf. Bis heute zitieren viele Druckerzeugnisse bewusst oder unbewusst seinen Stil. Das Gestalten von Buchreihen mittels Farbspektrum wurde in den 2000er-Jahren von zahlreichen neuen Reihen übernommen, beispielsweise von der „Bibliothek“ der „Süddeutschen Zeitung“. Auch das Erscheinungsbild von Magazinen orientiert sich weiter an gewissen Gestaltungsregeln, die Fleckhaus entwickelte. Zu nennen ist in diesem Zusammenhang etwa das Wirtschaftsmagazin „brand eins“ (seit 1999), das mit einer radikalen Reduktion auf das Wesentliche hervorsticht, mit dem Einsatz von Farbe als Fläche und dem monothematischen Prinzip der Zeitschrift, das sich perfekt dem Gestaltungsmuster unterordnet. Es wäre sicher interessant gewesen, auch ein paar dieser Epigonen in der Ausstellung zu sehen.

„Fleckhaus war [für] Deutschland ein gewaltiger Blasebalg. Er hat so lange in den provinziellen Mief hineingeblasen, bis die Elemente aufgeflogen waren und der eine Ausdruck groß im Raum stand. Letzten Endes hat er Grenzen verschoben, Format zum Raum gemacht, das Allerlei entrümpelt und das Wesentliche gesteigert.“ So beschreibt ein Zitat von Vilim Vasata – einstiger Inhaber einer Werbeagentur und erster Präsident des deutschen Art Directors Club – in der Ausstellung Fleckhaus' Wirken. Andere Zeitgenossen teilten diese Wertschätzung für die radikale Gestaltung von Willy Fleckhaus nicht ausnahmslos. Henri Nannen, langjähriger Chefredakteur und Herausgeber der Zeitschrift „stern“, beschimpfte das Antlitz von „twen“ einst als „sinnentleerte Form“. Auf Kritik stieß dabei insbesondere, dass Fleckhaus den Fotografen so großen Raum einräumte. Eine diffuse Angst vor den vermeintlichen oder tatsächlichen Effekten von Bildern war bereits in der frühen Bundesrepublik keine Seltenheit – lange vor der digitalen Revolution und dem Iconic Turn.

Erziehungswissenschaftler und Geschichtsdidaktiker wie Hans Ebeling warnten vor einer Bilderflut und beklagten mangelnde Bildkompetenz der RezipientInnen. Das „feuilletonistische Zeitalter“ und die damit verbundene „Bilderschwemme“ unter anderem in Form von Illustrierten, so Ebeling 1957, ziehe eine Abstumpfung nach sich.2 Aber der Erfolg dieses Magazinstils war nicht von der Hand zu weisen. Schnell hatte sich auch Nannens „stern“ eine modernere Optik zugelegt. Den Erfolg der „twen“ konnte offenbar kein Blattmacher ignorieren. Wenngleich „twen“ 1971 eingestellt wurde3, blieb die Zeitschrift stilistisch doch prägend und beeinflusste nahezu alle anspruchsvollen Blätter auf dem bundesdeutschen Markt.


Abb. 5: Der „Regenbogen“ der „edition suhrkamp“ nach einem Fleckhaus-Entwurf von 1963
(© Carsten Wolff, FINE GERMAN DESIGN, Frankfurt am Main)

Die Ausstellung schafft es, über die Designgeschichte hinaus auch ein Stück Publizistik- und Marketinggeschichte, Produktions- und Rezeptionsgeschichte zu erzählen. So wird deutlich, dass die multiperspektivische Beschäftigung mit Visualität immer wieder aufs Neue dazu auffordert, disziplinäre Schranken zu überwinden. Die hervorragende Schau über Willy Fleckhaus zeigt, wie es zumindest im Genre Ausstellung gelingen kann, eine integrierte Visual History zu erzählen.

Wer dies noch sehen möchte, muss sich beeilen: In Köln endet die Ausstellung am 11. Dezember. Vom 20. Januar bis zum 7. Mai 2017 wird sie jedoch im Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg gezeigt, ab dem 1. Juni dann im Münchner Museum Villa Stuck – hoffentlich mit einer Neuauflage des sehr ansprechend gestalteten, äußerst materialreichen, aber leider bereits vergriffenen Katalogs.

Anmerkungen:
1 U.a. Annette Vowinckel, Agenten der Bilder. Fotografisches Handeln im 20. Jahrhundert, Göttingen 2016; Annette Vowinckel / Annelie Ramsbrock / Malte Zierenberg (Hrsg.), Fotografien im 20. Jahrhundert. Vermittlung und Verbreitung, Göttingen 2013; Malte Zierenberg, Die „Macht der Bilder“. Infrastrukturen des Visuellen im 20. Jahrhundert, in: ZeitRäume. Potsdamer Almanach des Zentrums für Zeithistorische Forschung 2009, Göttingen 2010, S. 219-227.
2 Hans Ebeling, Anschauen, behandeln, begreifen. Zur Arbeit mit Bildern im Unterricht, Hannover 1957, S. 9.
3 Anfang der 1980er-Jahre erlebte die Zeitschrift ein kurzes Comeback. An den früheren Erfolg konnte sie jedoch nicht anknüpfen und wurde rasch wieder aufgegeben.

Anm. der Red.:
Inzwischen ist der Katalog wieder lieferbar (mit neuer ISBN). Siehe <http://www.hartmannprojects.com/publications/fleckhaus-publication/?setlang=de> (09.06.2017).

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