Salisches Kaisertum und neues Europa in der Zeit Heinrichs IV. und Heinrichs V.

Salisches Kaisertum und neues Europa in der Zeit Heinrichs IV. und Heinrichs V.

Organisatoren
Europäische Stiftung Kaiserdom zu Speyer; Prof. Dr. Bernd Schneidmüller; Prof. Dr. Stefan Weinfurter
Ort
Speyer
Land
Deutschland
Vom - Bis
04.05.2006 - 06.05.2006
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Von
Jörg Peltzer, Universität Heidelberg

Nach der Begrüßung der Tagungsteilnehmer durch den Vorstandsvorsitzenden der Europäischen Stiftung Kaiserdom zu Speyer, Dr. Paul Wieandt, skizzierte Bernd Schneidmüller einleitend drei Diskussionsfelder der Tagung: a) Die an ihre Grenzen stoßende Expansion west- und zentraleuropäischer Reiche, b) die zunehmende Brüchigkeit universaler Ansprüche sowie c) die umstrittenen Deutungshoheiten insbesondere zwischen Kaiser- und Papsttum. Diese Aspekte seien für die Phase zwischen 1050 und 1130 von besonderer Virulenz gewesen.

In seinem Eröffnungsvortrag umriss Gerd Althoff (Münster) Modelle und Möglichkeiten der Konfliktregelung in der späten Salierzeit. Die Formen gütlicher Konfliktbeilegung (v. a. das Instrument der Vermittler), die in der ottonischen und früh-salischen Zeit Auseinandersetzungen zwischen König und Großen zu schlichten vermochten, versagten zunehmend in der spätsalischen Epoche. Dies sei, so Althoff, vornehmlich Heinrich IV. und Heinrich V. zuzuschreiben, die in der Konfrontation mit den Großen herrscherliche Milde durch Strenge ersetzten. In diesem Paradigmenwechsel sei ein Hauptgrund für die Krise des salischen Königtums zu sehen.

Anschließend untersuchte Ernst-Dieter Hehl (Mainz) die gedankliche Durchdringung des Konflikts zwischen König und Papst. Er fragte, ob auf das Kaisertum bezogene Argumente das Konfliktfeld veränderten oder präzisierten [...] oder ob sie in die Auseinandersetzungen um Königtum und Königsherrschaft integriert wurden, das Königtum also das gedankliche Zentrum bildete’. Nach der Analyse der Rolle Heinrichs III. auf der Synode von Sutri, der Diskussion um die Lösung der Heinrich IV. geleisteten Treueide sowie der Bedeutung des römischen Rechts als Kaiserrecht, kam Hehl zu dem Ergebnis, dass in Folge der Auseinandersetzung die Vorstellungen von Königtum und Königsherrschaft präzisiert wurden, das Kaisertum aber eine unbestimmte Größe blieb. Heinrich V. und die deutschen Fürsten hätten im Vorfeld des Wormser Konkordats diese Einordnung des Herrschers in „allgemeineuropäische“ Königsvorstellungen akzeptiert.

In seiner vornehmlich auf die Entwicklung des kanonischen Rechts konzentrierten Untersuchung zu Überzeugungsstrategien in der späten Salierzeit argumentierte Wilfried Hartmann (Tübingen), dass in den Rechtssammlungen bei Quellen und Aufbau durchaus Veränderungen im Laufe des Konflikts zwischen König und Papst festzustellen seien. Gerade die reformfreundlichen Kompilationen hätten neues Material aufgenommen sowie neue Formen der Organisation dieses Materials entwickelt. Hartmann verwies aber auch darauf, dass in der kirchlichen Praxis gerade die älteren Sammlungen (Pseudo-Isidor, Burchhard von Worms, Panormia) eine den Konflikt überdauernde Popularität beibehalten hätten.

Den ersten Tag beschloss der öffentliche Abendvortrag von Rudolf Schieffer (München), der im Rahmen der Reihe ‚Europäische Reden – Reden über Europa’ im Speyerer Dom gehalten wurde. Schieffer zeichnete den Aufstieg des Papsttums zu einer Autorität für die europäische Ordnung des Hochmittelalters nach. Hierbei verwies er auf die Bedeutung der persönlichen Reisen der Päpste, die Neuformierung des Kardinalkollegs, die Aussendung der Legaten sowie die Einberufung immer umfangreicherer Synoden als zentrale Instrumente einer Entwicklung, an deren Ende die Durchsetzung des Papsttums als ranghöchste Instanz im abendländischen Europa gestanden habe.

Die Vortragsreihe des folgenden Tages wurde durch Elke Goez (Passau) eröffnet. Anhand der Untersuchung des Konnubiums, der Memoria und des Mäzenatentums sowie der Herrschaftsausübung der Adelheid von Turin, der Mathilde von Tuszien und der Welfin Kuniza entwickelte sie die Handlungsspielräume von Fürstinnen der Salierzeit. Goez sprach sich dafür aus, anhand der herangezogenen Beispiele einen neuen Typus der „europäischen“ Fürstin erkennen zu können.

Alfred Haverkamp (Trier) führte in die kommunalen Entwicklungen um 1100 ein. Das Wirken Robert von Arbrissel diente als Beispiel, um das Aufkommen neuer kommunaler Organisationsformen in einer von Hungersnöten und folglich gesteigerter Desorganisation geprägten Zeit zu demonstrieren. Die neuen eremitischen Gemeinschaften dienten nicht nur der Seelsorge, sondern auch der Fürsorge für die Armen. Daraus hätten sich fruchtbare Anstöße für die Höherbewertung der vita activa gegenüber der vita contemplativa ergeben.

Die folgenden vier Vorträge betrachteten politische Entwicklungen in an das Reich angrenzenden Gebieten. Zunächst behandelte Helmuth Kluger (Heidelberg) die Rolle des Erzbistums Hamburg-Bremen in der Erfassung des Nordens. Er kam zu dem Ergebnis, dass das Erzbistum mit der Aufgabe langfristig überfordert war, als Bindeglied zwischen dem Reich und den sich ausbildenden nordischen Königreichen zu wirken. Die Errichtung des Erzbistums Lund 1103/4 erscheint vor diesem Hintergrund als die logische Konsequenz einer sich deutlicher ausdifferenzierenden Ordnung des Nordens.

Jerzy Strzelczyk (Poznań) verwies auf die frühstaatlichen Entwicklungen in Polen und Ungarn um 1100. Die Unterschiede und Gemeinsamkeiten beider Regionen thesenartig darstellend, konstatierte Strzelczyk eine Krise in beiden Reichen um etwa 1100, die unter anderem durch eine stärkere Anbindung an das salische Königtum überwunden werden konnte und schließlich zu einem mitteleuropäischen (böhmisch-polnisch-ungarischen) Modell eines früher Staatlichkeit führte.

Rolf Große (Paris) richtete den Blick auf Frankreich und argumentierte, dass im Gegensatz zum Reich das französische Königtum gestärkt aus der Auseinandersetzung zwischen regnum und sacerdotium hervorgegangen sei. Drei Faktoren seien hierfür ausschlaggebend gewesen: die Kompromissbereitschaft Philipps I., die letztendlich in ein besonderes Bündnis zwischen Papsttum und französischem Königtum mündete; das traditionell enge Verhältnis der ecclesia Gallicana zum Papsttum; und schließlich der intellektuelle Vorsprung Frankreichs, der sich nicht zuletzt in der Person Ivos von Chartres manifestierte.

Theo Broekmann (Kassel) schließlich wandte sich dem Süden zu und untersuchte Sizilien als Wegbereiter neuer Staatlichkeit. Er deutete die neuartige Organisation und v. a. die rigorose Durchsetzung herrscherlicher Ansprüche als Antwort auf die Krise von 1130-39, in deren Verlauf sich die traditionellen Muster der Konfliktbeilegung verbraucht hätten. In diesem Zusammenhang verwies er auf die Möglichkeit, die Vorwürfe der Tyrannei gegen die normannischen Herrscher als Hinweis auf neue Herrschaftsmethoden sowie die mangelnde Integration vorhandener Systeme und ihrer Funktionsträger zu interpretieren.

Nikolas Jaspert (Bochum) erörterte die Frage der Wahrnehmung der islamischen Welt in den Chroniken der späten Salierzeit. Auf der Grundlage von Jerusalemfrömmigkeit und Christozentrismus warfen die Kreuzzugschronisten den Muslimen insbesondere vor, sie seien Polytheisten und Götzendiener, sie hätten die heiligen Stätten entweiht sowie außerordentliche Grausamkeit gegenüber Christen gezeigt. Die Analyse auf andere Chronisten ausweitend argumentierte Jaspert, dass diese Bilder allerdings variieren konnten und somit als Indikatoren der Charakteristika des jeweiligen spezifischen religiösen Grenzraumes verwendet werden können.

Der Tag wurde beschlossen durch von Dethard von Winterfeld (Mainz), der den wesentlichen Anteil Heinrichs IV. an der monumentalen Ausgestaltung des Speyrer Doms während seiner zweiten Bauphase ab ca. 1080 vor Augen führte und die einzelnen Bauformen in das Spektrum zeitgenössischer europäischer Architektur einordnete.

Caspar Ehlers (Göttingen) eröffnete den letzten Veranstaltungstag mit einem Beitrag über räumliche Konzepte europäischer Monarchien an der Wende vom 11. zum 12. Jahrhundert. Im Fokus seiner Überlegungen standen das Reich und Frankreich zur Zeit der Absetzung Heinrichs IV. Ehlers argumentierte, dass es vor allem Personenverbände waren, die dem Herrscher Zugang zu einem Raum gaben. Entscheidend für die Durchsetzung des Herrschers sei seine Fähigkeit gewesen, die Zentralorte innerhalb dieses Raumes besetzen zu können. Hier hätten v. a. die Bischöfe eine wichtige Rolle gespielt, die den Zugriff zu vielen dieser Zentralorte ermöglichen konnten. Speyer, ein solches Zentrum, sei gerade für Heinrich V. von besonderer Bedeutung gewesen.

Gabriel Zeilinger (Kiel) untersuchte im Anschluss die materiellen Ressourcen salischer Macht: Silberbergbau, Münzprägung und Fernhandel. Er argumentierte, dass man zwar nicht von einer theoretisch fundierten salischen Wirtschaftspolitik sprechen könne, dass die salischen Herrscher aber sehr wohl aktiv einzelne Bereiche zu fördern trachteten. Prinzipiell verwies er auf die Untrennbarkeit von Herrschafts- und Wirtschaftspolitik. Die wirtschaftspolitischen Akzente seien vornehmlich im Bereich des Haus- und Königsguts zu finden.

Thomas Wetzstein (Frankfurt) wandte sich den Straßen, der Logistik und Mobilität in der späten Salierzeit zu. Er betonte die neu entstehenden personellen Verbindungen, die in ihrer über die Grenzen weltlicher Herrschaftsräume hinausgehenden Reichweite den Kommunikationsraum erweiterten. Sie waren zugleich Träger wie Ergebnis einer zunehmenden Verdichtung Europas. Eine besondere Rolle in diesem Prozess sei vor allem den Klerikern (u.a. eine gemeinsame Sprache) und der auf Rom ausgerichteten Aspekte der Kirchenreform (u. a. Palliumsreisen, Appelationen, Synoden) zuzuschreiben.

Die Erträge der Tagung fasste Stefan Weinfurter abschließend zusammen. Er strich v. a. drei Punkte heraus: a) Die Angeschlagenheit des Kaisertums am Ende der Salierzeit; b) das Entstehen einer neuen religiösen Kraft und damit einhergehend der starke moralische Anspruch definieren zu wollen, was gut und was böse sei; c) die Entwicklung neuer Herrschaftsmodelle. Insgesamt gesehen, so Weinfurter, konnte die salische Herrschaftskonzeption diesem neuen Europa nicht standhalten.


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