The Bright Side of Night – Perceptions, Costs and the Governance of Urban Lighting and Light Pollution

The Bright Side of Night – Perceptions, Costs and the Governance of Urban Lighting and Light Pollution

Organisatoren
Leibniz-Institut für Regionalentwicklung und Strukturplanung (IRS) (Erkner); Institut für Stadt- und Regionalplanung (ISR), Technische Universität Berlin
Ort
Erkner
Land
Deutschland
Vom - Bis
20.06.2013 - 21.06.2013
Url der Konferenzwebsite
Von
Ute Hasenöhrl / Katharina Krause, Forschungsabteilung 2 "Institutionenwandel und regionale Gemeinschaftsgüter", Leibniz-Institut für Regionalentwicklung und Strukturplanung, Erkner; Benjamin Könecke / Sakina Elkhazein, Institut für Stadt- und Regionalplanung, Technische Universität Berlin

Künstliches Licht löst nicht nur überwiegend positive Assoziationen aus, es erfüllt zudem eine Vielfalt gesellschaftlicher Funktionen (Sicherheit im öffentlichen Raum; vom Tageslicht unabhängige ökonomische und soziale Aktivitäten; Inszenierung von Waren, Gebäuden oder ganzen Städten). Trotz dieser positiven Errungenschaften mehren sich heute allerdings (wieder) kritische Stimmen, welche die negativen Effekte der Beleuchtung auf Menschen und Tiere, Stadtbild und Landschaft oder den Energieverbrauch monieren und eine Reduzierung der „Lichtverschmutzung“ anmahnen. Bisher existieren nur wenige allgemeine Normen, welche die Quantität und Qualität der Außenbeleuchtung regulieren. Diese institutionelle Leerstelle ist nicht erstaunlich, handelt es sich bei künstlichem Licht doch um ein komplexes Feld, das von vielfältigen Interessen und Akteuren beeinflusst wird und zu dem gerade aus den Sozialwissenschaften erst wenige empirische Studien vorliegen.

Am 20. und 21. Juni 2013 luden das Leibniz-Institut für Regionalentwicklung und Strukturplanung (IRS) und das Institut für Stadt- und Regionalplanung der Technischen Universität Berlin (TU-ISR) zu einer internationalen Konferenz nach Erkner ein, auf der Entwicklung, Funktionen und Folgen künstlicher Beleuchtung von etwa 60 Forscherinnen und Forschern unterschiedlicher Disziplinen diskutiert wurden. Aufbauend auf Forschungsarbeiten der beiden Institute im Rahmen des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Forschungsprojekts „Verlust der Nacht“ wurden dabei auch Möglichkeiten für einen nachhaltigen Umgang mit künstlichem Licht und „Lichtverschmutzung“ aus kultureller, politischer, sozialer, historischer und ökonomischer Perspektive diskutiert. Die Veranstaltung bestand aus vier Panels mit jeweils drei bis vier Vorträgen und einem Expertenkommentar sowie einer Postersession.

Das erste Panel thematisierte die Wahrnehmung und kulturelle Bedeutung von künstlichem Licht. JANE BROX (Maine) skizzierte in einem komprimierten Überblick der Beleuchtungsgeschichte seit der Frühen Neuzeit die enormen soziokulturellen und materiellen Auswirkungen der wachsenden nächtlichen Lichtfülle, z.B. auf die Entwicklung des Nachtlebens. FOLKERT DEGENRING (Kassel) setzte sich mit der Verarbeitung von Lichtmetaphern und -motiven in der anglophonen Literatur vom elisabethanischen Zeitalter bis in die Gegenwart auseinander und zeigte, wie Vorstellungen von Licht und Dunkelheit im Laufe der Zeit neue Bedeutungen erlangen konnten. TIM EDENSOR (Manchester) beschäftigte sich mit den Potentialen von Lichtfestivals, atmosphärische Erfahrungsräume zu schaffen, die – je nach künstlerischer Ausrichtung und dem räumlichen und sozialen Kontext – verzaubern, verfremden oder Gemeinschaft schaffen können. Die Vorträge wurden von BEATE BINDER (Berlin) kommentiert. Sie wies vor allem auf die Notwendigkeit hin, soziale Aspekte von Beleuchtung künftig intensiver zu thematisieren, z.B. mit Blick auf In- und Exklusionsmechanismen hinsichtlich Geschlecht, Klasse oder Ethnie. Weiter wurde in der Diskussion die Frage nach der Ästhetik – und Ästhetisierung – der Dunkelheit aufgeworfen.

Das zweite Panel konzentrierte sich auf die Beziehung zwischen Kunstlicht, Gesellschaft und der Konstitution von (Stadt-)Räumen. KATHARINA KRAUSE (Erkner) hinterfragte im ersten Vortrag die oft als eindeutig wahrgenommenen Funktionen künstlicher Beleuchtung und zeigte anhand einer Auswertung einschlägiger Studien, dass selbst vermeintliche Kausalbeziehungen wie zum Beispiel von Licht und Sicherheit keinesfalls unumstritten sind. Mit Blick auf die Beleuchtungspraxis befasste sich DENNIS KÖHLER (Dortmund) mit Grenzen und Möglichkeiten kommunalpolitischer Planungswerkzeuge für eine integrierte Beleuchtungsstrategie und wies dabei vor allem auf die Schwierigkeit hin, öffentliches und privates Licht zu koordinieren und Interessenlagen abzustimmen. Mit der Transformation urbaner Räume durch künstliche Beleuchtung setzte sich DAVID NYE (Odense) auseinander. Er betrachtete, wie experimentelle Lichtverwendungen in den USA im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert Erfahrung und Nutzung des öffentlichen Raums veränderten. NONA SCHULTE-RÖMER (Berlin) machte in ihrem Kommentar auf die unterschiedlichen Forschungsperspektiven aufmerksam, aus denen Fragen nach dem Zusammenhang von Beleuchtung, Raum und deren gesellschaftlicher und kultureller Verortung gestellt werden können. In der abschließenden Diskussion wurde erneut der große Bedarf an weiterführender Forschung zu kulturellen und geographischen Unterschieden im Umgang mit Beleuchtung deutlich.

Der Schwerpunkt des dritten Panels lag auf Lichtkonflikten sowie Regulierungs- und Steuerungsmöglichkeiten von Beleuchtung. Im ersten Vortrag verdeutliche UTE HASENÖHRL (Erkner), dass der Umgang mit künstlichem Licht auch aus historischer Perspektive niemals unumstritten war. Bereits bei der Einführung flächendeckender Beleuchtungssysteme gab es Kontroversen, die z.T. an heutige Debatten erinnern, zum Beispiel Diskussionen über die „richtige“ Beleuchtungstechnologie, die „Verschandelung“ der Städte durch Lichtwerbung oder die abnehmende Sichtbarkeit des Sternenhimmels. KATHARINA KRAUSE (Erkner) zeigte anhand dreier Fallstudien, darunter dem Konflikt um die LED-Fassade der O2 World in Berlin, dass in Deutschland auf Grund mangelnder oder unzureichender Steuerungsinstrumente sowohl für die Planung und Bereitstellung als auch für die Regulierung von Beleuchtung institutionelle Leerstellen existieren. Dass andere Länder und Regionen hier weiter sind, demonstrierte MARTIN MORGAN-TAYLOR (Leicester), der sich mit verschiedenen europäischen Regulierungsansätzen auseinandersetzte und dabei ebenfalls die Schwierigkeit, private Lichtverwendungen zu regulieren, verdeutlichte. Mit einer besonderen Form der regionalen Steuerung von Licht und Dunkelheit beschäftigte sich JOSIANE MEIER (Berlin). Sie betrachtete Entstehungsgeschichte, Akteure und Interessen hinter „Sternenschutzgebieten“. Als Kommentator fasste ANDREAS HÄNEL (Osnabrück) die vier Vorträge zusammen. In der abschließenden Diskussion wurde vor allem die Notwendigkeit, die Bevölkerung für die negativen Folgen künstlicher Beleuchtung zu sensibilisieren, hervorgehoben.

Beim vierten Panel lag der Schwerpunkt auf Methoden der Bewertung von künstlicher Beleuchtung. MERLE POTTHARST (Berlin) strich in ihrem Vortrag heraus, wie schwierig es ist, die ökonomischen Kosten – und den Nutzen – von nächtlicher Beleuchtung wirtschaftswissenschaftlich zu erfassen, und stellte Indikatoren und Einflussfaktoren für eine derartige ökonomische Bewertung vor. Auch KENNETH WILLIS (Newcastle) beschäftigte sich mit wirtschaftswissenschaftlichen Methoden und Modellen der ökonomischen Bewertung, in diesem Fall speziell einer verbesserten Sichtbarkeit des Nachthimmels, unter Berücksichtigung individueller Präferenzen (z.B. choice-Experimente). ANJA BESECKE und ROBERT HÄNSCH (Berlin) präsentierten Ergebnisse einer Anwohnerbefragung in Berlin-Brandenburg, die u.a. eine geringe Bereitschaft der Befragten ergab, für Licht (oder Dunkelheit) einen zusätzlichen finanziellen Beitrag zu leisten. TERREL GALLAWAY (Springfield) wiederum befasste sich aus ethischer Perspektive mit der Zugänglichkeit des nächtlichen Sternenhimmels als einem wichtigen Faktor für das menschliche Wohlbefinden. Kommentiert wurden die Vorträge von LUCAS PORSCH (Berlin). Er unterstrich die Notwendigkeit, Bewertungssysteme zu den Auswirkungen und Folgen nächtlicher Beleuchtung durch weitere Forschung weiterzuentwickeln.

In der Postersession stellte AVNER WISHNITZER (Beer Sheva) sein Projekt zur Entstehung des öffentlichen Nachtlebens in Istanbul im 19. Jahrhundert vor. Es wurde deutlich, welchen großen Stellenwert künstliches Licht bei der nächtlichen Sozialisierung in der Stadt eingenommen hat. In einem zweiten Poster präsentierte LEON VAN RIJSWIJK (Eindhoven) erste Forschungsergebnisse zu den Auswirkungen intelligenter und dynamischer Straßenbeleuchtungssysteme auf das persönliche Sicherheitsgefühl von Passanten. Im dritten Poster analysierte ANDREAS HÄNEL (Osnabrück) anhand der Beleuchtungspraxis deutscher Gemeinden, die für eine Ausweisung von Dark Sky Parks kandidieren, Daten für die Entwicklung einer nachhaltigen Außenbeleuchtung.

Auf der Tagung kristallisierten sich als thematische Schwerpunkte der geistes- und sozialwissenschaftlichen Beleuchtungsforschung die Produktion und Regulierung künstlichen Lichts (inklusive seiner Infrastrukturen) sowie die Wahrnehmung von Licht und Dunkelheit heraus. Wie DIETRICH HENCKEL (Berlin) und TIMOTHY MOSS (Erkner) in ihrem Schlusswort betonten, fehlen für den Umgang mit diesen wichtigen öffentlichen Gütern angesichts der subjektiven Färbung z.B. der ästhetischen Dimensionen von Licht und Dunkelheit oft allgemeingültige Bewertungskriterien für „gute“ oder „ausreichende“ Beleuchtung. Hier sind weitere interdisziplinäre Forschungen nötig, die insbesondere kulturelle Aspekte stärker berücksichtigen und hinterfragen.1

Konferenzübersicht:

Volkmar Dietz (BMBF, Berlin): Welcome

Timothy Moss (IRS, Erkner): Urban Lightmares – An Introduction

Panel 1: …and There Was Light

Kommentatorin: Beate Binder (Humboldt-Universität zu Berlin)

Jane Brox (Maine): Out of the Dark. A Brief History of Artificial Light in Outdoor Spaces

Folkert Degenring, Susanne Bach (Universität Kassel): From Shakespearean Nights to Light Pollution – (Artificial) Light in Anglophone Literature

Tim Edensor (Manchester Metropolitan University): The Rich Potentialities of Light Festivals: Defamiliarisation, a Sense of Place and Convivial Atmospheres

Poster Session

Avner Wishnitzer (Ben-Gurion University of the Negev, Beer Sheva): The Emergence of Public Nightlife in Nineteenth Century Istanbul

Leon van Rijswijk, Antal Haans (Eindhoven University of Technology): The Relation Between Street Lighting and People’s Percept ions of Personal Safety

Andreas Hänel (Museum am Schölerberg, Osnabrück): Practice of Public Lighting in Municipalities of Proposed German Star Parks

Panel 2: Lighting up the City

Kommentatorin: Nona Schulte-Römer (Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung)

Katharina Krause (IRS, Erkner): Plurality of Purpose – The Functions of Artificial Outdoor Lighting

Dennis Köhler (Lichtforum NRW, Dortmund): Lighting Master Plans – Status Quo, Possibilities and Limitations

David Nye (University of Southern Denmark, Odense): The Transformation of American Urban Space. Early Electric Lighting, 1875-1915

Dietrich Henckel (TU-ISR, Berlin): Introduction to the Second Day

Panel 3: The Dark Side of Light: Lighting Conflicts and Regulation

Kommentator: Andreas Hänel (Museum am Schölerberg, Osnabrück)

Ute Hasenöhrl (IRS, Erkner): Lighting Conflicts from a Historical Perspective

Katharina Krause (IRS, Erkner): Regulating Urban Lighting – Prospects for Institutional Change

Martin Morgan-Taylor (DeMontfort University Leicester): Regulating Light Pollution in Europe

Josiane Meier (TU-ISR, Berlin): Protecting the Night Sky

Panel 4: Valuating and Evaluating Light and Darkness

Kommentator: Lucas Porsch (Ecologic Institute, Berlin)

Merle Pottharst, Florian Wukovitsch, Benjamin Könecke (TU-ISR, Berlin): The Economics of Night-Time Illumination

Anja Besecke, Robert Hänsch (TU-ISR, Berlin): Valuation of Light and Night – Residents‘ Perception

Kenneth Willis (University of Newcastle): Improved Visibility of the Night Sky. An Economic Analysis

Terrel Gallaway (Missouri State University, Springfield): The Value of the Night Sky

Timothy Moss (IRS, Erkner), Dietrich Henckel (TU-ISR, Berlin): Towards a Brighter Future?

Anmerkung:
1 Vom 28. bis 30. Oktober 2013 findet in Berlin die internationale Abschlusskonferenz des gesamten Forschungsverbundes „Verlust der Nacht“ statt mit Beiträgen aus den Geistes-, Sozial-, Natur-, Gesundheits- und Ingenieurswissenschaften <http://www.verlustdernacht.de/alan2013.html> (03.09.2013).