The Dynamic Middle Ages II. International PhD and post-doctoral training school

The Dynamic Middle Ages II. International PhD and post-doctoral training school

Organisatoren
National Research University - Higher School of Economics Moskau; Deutsches Historisches Institut Moskau
Ort
Moskau
Land
Russian Federation
Vom - Bis
06.10.2014 - 11.10.2014
Url der Konferenzwebsite
Von
Annette Kehnel, Historisches Institut, Universität Mannheim; Eva Schlotheuber, Institut für Geschichtswissenschaften, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf; Silke Schwandt, Abteilung Geschichte, Universität Bielefeld

Vom 6. bis zum 11. Oktober 2014 fand in Moskau das zweite Treffen der internationalen Doktoranden- und Postdoktorandenschule „The Dynamic Middle Ages“ auf Einladung der National Research University - Higher School of Economics Moskau und des Deutschen Historischen Institutes Moskau statt.1 Damit wurde die im Herbst 2012 von Mikhail Boytsov und Michael Borgolte ins Leben gerufene Initiative einer internationalen Doktoranden- und Postdoktorandenschule fortgesetzt und auf eine breitere Basis gestellt. Mikhail Boytsov (Higher School of Economics, Moskau) Mikhail Dmitriev (Lomonosov Moscow State University / Higher School of Economics), Fjodor Uspenskij (Russian Academy of Sciences / Higher School of Economics), Andrea von Hülsen-Esch und Eva Schlotheuber (beide Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf), Graham Loud (Leeds University), Johannes Helmrath (Humboldt-Universität zu Berlin) und Annette Kehnel (Universität Mannheim) waren als Kooperationspartner und Mentoren, Silke Schwandt (Universität Bielefeld) als ‚junior member‘ mit dabei. Ziel war es, den fruchtbaren Austausch zwischen ost- und ostmitteleuropäischen (Russland, Bulgarien, Ungarn und Ukraine) und westeuropäischen (Großbritannien, Italien, Deutschland, Niederlande, Österreich) Doktorandinnen und Doktoranden weiter zu führen und die Teilnehmer/innen über ihre Promotionsvorhaben miteinander und mit den Mentoren ins Gespräch zu bringen.

Auch diesmal wurde auf ausführliche Vorträge verzichtet. Stattdessen stellten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer wechselseitig ihre Promotionsvorhaben zur Diskussion, wofür die vorab kommunizierten Projektpaper die Grundlage lieferten. Alle Promotionsvorhaben wurden intensiv diskutiert. Geplant ist die Fortführung der Doktorandenschule in den nächsten Jahren. In Moskau 2014 lautete das Thema “The Dynamics of European Cultures and Societies in the Middle Ages”. Die Training School wird 2015 an den Universitäten Sheffield und Leeds mit dem Thema „Methods and Techniques of Medieval Research“ stattfinden. Das dritte Treffen soll 2016 an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf zum Thema „Materiality and Production in the Middle Ages“ stattfinden.

Die Projekte, die bei der Training School vorgestellt und diskutiert wurden, boten disziplinär, epochal und methodisch ein breites Spektrum unterschiedlicher Bereiche der Mittelalterforschung. Sie beleuchteten jeweils verschiedene dynamische und dynamisierende Aspekte der mittelalterlichen Gesellschaften in ganz Europa.

Die Projekte von ANASTASIA SIROTENKO (Moskau) und ANASTASIA ANUFRIEVA (Moskau) berührten beide, wenn auch auf unterschiedliche Weise, den Bereich der politischen Repräsentation. Frau Sirotenko widmete sich der Frage nach der Darstellung des Kaisers Heraklius in den Werken byzantinischer Autoren und wählte dabei einen eher literaturwissenschaftlichen Zugang. Ihr ging es um das Verhältnis von historischer Realität, christlicher Ideenwelt und klassisch-griechischer Motive bei der Darstellung des Kaisers. Frau Anufrieva behandelte die Repräsentationen von politisch-symbolischer Kommunikation in narrativen Texten der Ottonenzeit und ihrer Semantik. In ihrem Projekt ging es um Fragen der Ritualität als Dimension des Politischen, ihrer Wahrnehmung und Darstellung durch die Zeitgenossen.

PIETRO DELCORNO (Nijmegen), FRANCESCA POTENZA (Rom), SVETLANA YATSYK (Moskau) und JAMES HILL (Leeds) legten bei ihren Projektvorstellungen das Hauptaugenmerk auf Dynamiken innerhalb des kirchlich geprägten Mittelalters. Herr Delcorno sprach auf der Basis breiter Predigtstudien über das Motiv des ‚Verlorenen Sohnes‘ in Predigten des Spätmittelalters als prägendes Element der religiösen Kultur. Die in erster Linie editorische Arbeit von Frau Potenza an griechischen Viten des Heiligen Pantaleon bemühte sich neben kodikologischen Klärungen um eine Neubewertung der verschiedenen kulturellen Einflüsse von Ost- und Westkirche auf Geschichte und Interpretation des Märtyrers. Svetlana Yatsyk diskutierte das Konzept der Heiligkeit auf einer eher diskursiven Ebene. Im Zentrum stand bei ihr der Traktat-Beitrag des Franziskaners John of Wales zur grundsätzlichen Diskussion um den Status des Heiligen im 13. Jahrhundert. Eine ganz andere Perspektive auf die Kirche und ihre Deutungshoheit nahm James Hill ein, indem er sich der Analyse der außenpolitischen Kontaktbestrebungen des Papsttums zu den Kirchen des Ostens und nichtchristlichen Religionsgemeinschaften im 14. Jahrhundert widmete.

Thematisch sehr nah beieinander waren die Beiträge von ANTOAN TONEV (Sofia) und TAMAS KOVÁCS (Szeged). Beide beschäftigten sich mit den sogenannten Nachfolgekönigreichen, die in der Spätantike anstelle des weströmischen Reiches Machtpositionen ergreifen und festigen. Während Herr Tonev den Einfluss des foederati-Status der aufstrebenden Machthaber untersuchte, der nach seiner Ansicht für die Reichsbildungen konstitutiv war, richtete Herr Kovács seinen Blick auf die Rolle der italischen Eliten im ostgotischen Königreich und deren stabilisierende oder destabilisierende Funktion unter König Theoderich.

Wirtschaftliche Dynamiken waren die zentralen Untersuchungsgegenstände in den Präsentationen von WEI-SHENG LIN (Birmingham) und STEPHAN KÖHLER (Mannheim). Beide untersuchten die Zusammenhänge von Handelswegen, Handelsakteuren und Handelsgütern – Lin in Bezug auf die mongolische Expansion in Anatolien, Köhler im westlichen Mittelmeerraum, vor allem in Südfrankreich und Katalonien.

Einen Blick auf philosophisch-theologische Diskurse und deren dynamische Kraft warfen die Paper von OVANES AKOPYAN (Warwick) und ANDRÁS KRAFT (Budapest). Akopyan widmete sich den Auseinandersetzungen um Konzepte und Praktiken von Astrologie und Magie im Italien der Renaissance. Kraft diskutierte die Vorstellungen von Zeit zwischen Naherwartung und Ewigkeit in der byzantinischen Theologie. Beide zeigten das dynamische Potential dieser Auseinandersetzungen in dem Maße auf, in dem sie auf die Weltwahrnehmung der sie umgebenden Gesellschaften Einfluss hatten.

DARIA SAFRONOVA (Moskau), TATIANA SHINGUROVA (Moskau) und DENIS SUKHINO-KHOMENKO (Moskau) konzentrierten sich bei ihren Vorstellungen auf politische Akteure und Praktiken im frühen Mittelalter. Safronova untersuchte die Anfänge politischer Versammlungen in Léon und Kastilien und deren Stellenwert in der politischen Kultur auf der iberischen Halbinsel im achten bis elften Jahrhundert. Verfassung und Handlungsspielräume einer bisher wenig untersuchten politischen Klasse, der ‚thengly‘-class im angelsächsischen England, standen im Zentrum der Arbeit von Sukhino-Khomenko. Neben Fragen von deren politischer Partizipation stellten sich solche nach der sozialen Struktur der angelsächsischen Gesellschaft und den Methoden ihrer Erschließung. Shingurova widmete ihre Untersuchung der Funktion und polymorphen Struktur des frühen irischen Königtums und den damit verbundenen sozialen Dynamiken.

VERA-SIMONE SCHULZ (Florenz/Berlin) und AUDREY THORSTAD (Leeds) erweiterten den Fragehorizont der Training School auf materielle Zeugnisse des Mittelalters. Im Zentrum der Analyse von Festungs- bzw. Residenzbauten aus der frühen Tudorzeit und ihren mittelalterlichen Vorläufern in der Arbeit von Thorstad stand die Frage nach der Verbindung von Sozialgeschichte und Raum. Schulz widmete ihre Analyse den verschiedenen Formen der Adaptation und der Transformationsdynamik von islamischen Artefakten und Textilien in der Kultur von Florenz und der Toskana vom 13. bis zum 15. Jahrhundert.

Eine rechtshistorische Perspektive auf gesellschaftliche Dynamiken im Mittelalter nahm das Paper von ANGELINA KALASHNIKOVA (St. Petersburg) ein. Sie untersuchte systematisch russische Gerichtsurkunden und fragte danach, ob die von ihr beobachteten semantischen Formalisierungsprozesse in den verschiedenen Herzogtümern als Ausdruck einer beginnenden Integration des moskovitischen Reiches im 15. und 16. Jahrhundert verstanden werden können.

Die intensiven Diskussionen der Dissertationsvorhaben ermöglichten nicht zuletzt einen wertvollen Einblick in die verschiedenen Forschungstraditionen, Wissenschaftskulturen und unterschiedlichen Perspektiven, die die einzelnen Länder und Regionen auf die vormoderne Geschichte Europas entwickelt haben. Die Intensität des intellektuellen Austauschs, die Energie, mit der um methodisch-praktische wie grundsätzliche theoretische Fragen der Mediävistik gerungen wurde, war durchaus ungewöhnlich. Nicht zuletzt in dieser Hinsicht war die Training School in Moskau eine für alle Beteiligten bereichernde und nachhaltige Erfahrung, die auch kontinuierliche Kontakte sicher erwarten lässt. Die große Gastfreundschaft und hervorragende Organisation der russischen Veranstalter – zu nennen sind hier insbesondere Maria Alexandrova (Moskau), Julia Lebedeva (Moskau) und als spiritus rector Mikhail Boytsov (Moskau) –, trugen dazu bei. Wesentlich war auch, dass die Gastgeber für Möglichkeiten der Begegnung mit dem modernen Moskau als eindrucksvolle und vielschichtige Metropole sorgten. Der erste Tag im Deutschen Historischen Institut in Moskau und die beiden folgenden Tage in der Higher School of Economics boten die seltene Möglichkeit, die akademischen Orte in ihrer Praxis kennenzulernen. Eine Exkursion in die Museen des Kreml rundete die Sommerschule in sehr gelungener Weise ab.

Konferenzübersicht:

Eröffnung durch die Organisatoren
Sandra Dahlke (Deutsches Historisches Institut Moskau) / Mikhail Boytsov (National Research University - Higher School of Economics Moskau) / Graham Loud (Leeds University) / Eva Schlotheuber / Andrea von Hülsen-Esch (Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf) / Maria Alexandrova (National Research University - Higher School of Economics Moskau) / Julia Lebedeva (Deutsches Historisches Institut Moskau)

1. Sektion

Annette Kehnel (Universität Mannheim), Language Dynamics – Multilingualism in Medieval Societies

Johannes Helmrath (Humboldt-Universität zu Berlin), Transformations of the Antiquity during the Middle Ages and Renaissance

Gemeinsame Diskussion von Disserationsthemen
Leitung: Annette Kehnel (Universität Mannheim) / Johannes Helmrath (Humboldt-Universität zu Berlin)

Tamas Kovács (Szeged) / Anastasia Sirotenko (Moskau) / Wei-Sheng Lin (Birmingham) / Pietro Delcorno (Nijmegen) / James Hill (Leeds) / Ovanes Akopyan (Warwick)

2. Sektion

Fjodor Uspenskij (Russian Academy of Sciences / Higher School of Economics), Pagan Ancestors and Baptized Offsprings: the Dynamics of Family Cult in Medieval Russia and Scandinavia

Andrea von Hülsen-Esch (Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf), The Dynamics of the Production of Value in the Middle Ages

Graham Loud (Leeds University), A Political and Social Revolution: the Development of Territorial Principalities in Germany, c. 1100-1300

Gemeinsame Diskussion der Disserationsthemen
Leitung: Fjodor Uspenskij (Russian Academy of Sciences / Higher School of Economics) / Andrea von Hülsen-Esch (Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf ) / Graham Loud (Leeds University)

Svetlana Yatsyk (Moskau) / Francesca Potenza (Rom) / Anastasia Anufrieva (Moskau) / Vera-Simone Schulz (Florenz/Berlin) / Tatiana Shingurova (Moskau) / Denis Sukhino-Khomenko (Moskau)

3. Sektion

Eva Schlotheuber (Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf), Developing a new Model of Ruling by Writing – the Emperor Charles IV's Concept of Governance

Mikhail Dmitriev (Lomonosov Moscow State University / Higher School of Economics), Muscovite Toleration? The Russian Orthodox Church facing Muslims, Pagans, Jews (15th through 17th century)

Gemeinsame Diskussion von Disserationsthemen
Leitung: Eva Schlotheuber (Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf) / Mikhail Dmitriev (Lomonosov Moscow State University / Higher School of Economics) / Fjodor Uspenskij (Russian Academy of Sciences / Higher School of Economics)

Antoan Tonev (Sofia) / Angelina Kalashnikova (St. Petersburg) / Audrey Thorstad (Leeds) / András Kraft (Budapest) / Daria Safronova (Moskau) / Stephan Köhler (Mannheim)

Zusammenfassung

Anmerkung:
1 Mehr Informationen auf der Hompage des Centre of Medieval Studies der National Research University Higher School of Economics unter: <http ://medieval.hse.ru/dynamicma> (8.12.2014).


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