Wenn François Ewald davon sprach, dass wir im Zeichen einer Rückkehr der Katastrophen leben, wird man ihm 20 Jahre und einige Katastrophen später kaum widersprechen wollen. Begriffe wie Komplexität, Ungewissheit oder Beschleunigung definieren die Lage, Zukunftskalkulationen und klassische Präventionsanstrengungen geraten an unhintergehbare Grenzen. An diesen Grenzen des Wissens, der Planung, Prognose und Steuerung kommt das Konzept der Resilienz ins Spiel. Resilienz verspricht Antworten auf die diagnostizierte Verwundbarkeit moderner, hochgradig vernetzter Gesellschaften und die drängende Frage nach alternativen Strategien im Umgang mit ungewissen, potentiell katastrophischen Zukünften. Ausgehend von der Ökologiedebatte wurde das Konzept auf sozial-ökologische Systeme ausgedehnt, um schließlich in mehr oder weniger metaphorischer Weise für Flexibilität, Anpassungsfähigkeit oder Regenerationsfähigkeit von technischen, ökologischen oder sozialen Systemen überhaupt zu stehen. Seit der Jahrtausendwende wird Resilienz als Paradigma nicht mehr nur im Bereich des Katastrophenschutzes, sondern für weitere Ebenen nationaler Sicherheit propagiert und hat sich zunehmend als strategisches Leitbild gegenwärtiger Sicherheitsproduktion etabliert. Doch so anschluss- und konsensfähig programmatische Forderungen nach Resilienz auf den ersten Blick auch sein mögen, so diffus, unscharf und politisch umkämpft erweist sich das Konzept, sobald es um Fragen nach dem Wie der praktischen Umsetzung geht.
Die in der neuen Behemoth-Ausgabe zum Themenschwerpunkt „Resilienz“ versammelten Beiträge setzen produktiv an dieser Unschärfe des Konzepts sowie seinem politischen Einsatz an. Zugleich verdeutlichen sie die Bandbreite und das Potential unterschiedlicher analytischer Zugänge, die der Diskussion um Resilienz, etwa durch eine sozialtheoretisch fundierte Schärfung des Konzepts, neue Perspektiven eröffnen könnten.
TABLE OF CONTENTS
Artikel
Editorial Sabine Blum, Stefan Kaufmann, Ricky Wichum, S. 2–4
Von Schmetterlingen und Atomreaktoren: Medien und Politiken der Resilienz am IIASA Isabell Schrickel, S. 5–25
Resilience as an Element of a Sociology of Expression Leon Hempel, Daniel Lorenz, S. 26–72
Resilienz als Prozess transformativer Autogenese. Schritte zu einer soziologischen Theorie Martin Endreß, Benjamin Rampp, S. 73–102
The boundaries of building societal resilience: responsibilization and Swiss Civil defense in the Cold War Florian Roth, Tim Prior, S. 103–123
Reviews
Klaus Thoma (ed.): Resilien-Tech. „Resilience-by-Design“: Strategie für die technologischen Zukunftsthemen Myriam Dunn Cavelty, S. 124–129
Eva Horn: Zukunft als Katastrophe Robert Feustel, S. 130–134
Diskussion
(Mis)readings of Luhmann? Reply to Robert Seyfert Moritz Mutter, S. 135–141
Critical Response to Moritz Mutter RobertSeyfert, S. 142–146