Rechtskulturelle Prägungen Ostmitteleuropas in der Moderne: Produktionseigentum, Geistiges Eigentum, Bodeneigentum

Rechtskulturelle Prägungen Ostmitteleuropas in der Moderne: Produktionseigentum, Geistiges Eigentum, Bodeneigentum

Projektträger
Geisteswissenschaftliches Zentrum Geschichte und Kultur Ostmitteleuropas ()
Ausrichter
Ort des Projektträgers
Leipzig
Land
Deutschland
Vom - Bis
01.06.2009 - 31.12.2012
Von
Dr. Dietmar Müller

An dem vom BMBF geförderten GWZO hat 2009 die Projektgruppe „Rechtskulturelle Prägungen Ostmitteleuropas in der Moderne: Produktionseigentum, Geistiges Eigentum, Bodeneigentum“ ihre Arbeit aufgenommen. Projektleiter sind Prof. Dr. Stefan Troebst (GWZO, an der Univ. Leipzig) und Prof. Dr. Hannes Siegrist (Univ. Leipzig). Die Projektmitarbeiter sind Dr. Augusta Dimou („Kultur und Urheberrechte in Bulgarien, Jugoslawien und der Tschechoslowakei. 1918-1989“) und Dr. Dietmar Müller („Eigentum und Nation im östlichen Europa im 20. Jahrhundert. Polen, Rumänien und Jugoslawien im europäischen Vergleich“).

Die Projektgruppe untersucht rechtskulturelle Prägungen in Ostmitteleuropa insbesondere mithilfe von Ansätzen und Methoden der vergleichenden Kultur- und Gesellschaftsgeschichte sowie der vergleichenden Rechtsgeschichte, Rechtswissenschaft und Rechtsethnologie. Ihr Forschungsgegenstand ist die „Eigentumskultur“, die zu den zentralen Bereichen der „Rechtskultur“ moderner Gesellschaften gehört und in Ostmitteleuropa im 20. Jahrhundert besonders heftig umstritten war. Vergleichende und verflechtungsgeschichtliche Studien über die Entwicklung des materiellen und immateriellen Eigentums in ausgewählten ostmitteleuropäischen Ländern und Rechtsgebieten sollen klären, warum sich in Ostmitteleuropa spezifische „rechtskulturelle Prägungen“ oder „ostmitteleuropäische Besonderheiten“ ausbildeten und erhielten; und wie diese im europäischen Rahmen zu bewerten sind. Ziel der Projektgruppe ist es, regionale, nationale und rechtskulturelle Unterschiede sowie grenzüberschreitende Transfers, Ähnlichkeiten und Gemeinsamkeiten historisch und systematisch zu begreifen und erklären und unter Bezugnahme auf allgemeine und besondere europäische Eigentumsmuster und Modernisierungswege zu beurteilen.

Die Projektgruppe untersucht die Entwicklungen in der Rechts- und Eigentumskultur im Zusammenhang mit sozialen, kulturellen, politischen und wirtschaftlichen Strukturen und Prozessen. Sie fragt, warum Akteure sich dafür oder dagegen entscheiden, soziale, kulturelle, wirtschaftliche und politische Beziehungen und Prozesse eigentumsförmig zu institutionalisieren; und was die Leistungsfähigkeit und Anerkennung bzw. die Defizite und die Kritik proprietärer Institutionen im jeweiligen Kontext begründet. Welche Bedeutungen und Funktionen werden proprietären Institutionen zugeschrieben? Welche Rolle nehmen diese im Institutionengefüge oder der Governance der Gesellschaft und Kultur ein? Wieweit ist die Eigentumskultur durch endogene Traditionen und institutionelle Entwicklungspfade bestimmt? Warum werden exogene Begriffe und Institutionen im Rahmen von Rezeptions- oder Transferprozessen angeeignet - oder verworfen?

Die Projektgruppe untersucht die Geschichte der eigentumsförmigen oder eigentumsähnlichen Institutionalisierung sozialer, kultureller und rechtlicher Beziehungen mithilfe des interdisziplinären historisch-systematischen Konzepts der „Propertisierung“ (englisch: „popertization“). Sie analysiert Prozesse der Propertisierung und der De-Propertisierung in Ostmitteleuropa auf der empirischen und systematischen Ebene, um diese im Rahmen der europäischen Geschichte einer kritischen Neubewertung zu unterziehen.

Dr. Augusta Dimou untersucht die Bedeutung und Funktion von Autorrechten in der Kultur Bulgariens, Jugoslawiens und der Tschechoslowakei im Zeitraum vom 1918 bis 1989. Das Einzelprojekt behandelt die Beziehungen zwischen Kulturschaffenden, Medienunternehmen, Publikum, Staaten und internationalen Instanzen, indem es auf eigentumsartige oder eigentumsähnliche Formen der Regulierung kultureller Beziehungen abhebt. Es untersucht die Konstruktion und De-Konstruktion geistiger Eigentumsrechte (bzw. von Urheber- und Urheberpersönlichkeitsrechten und funktional äquivalente Exklusivrechten) und den gesellschaftlichen Umgang mit diesen. Urheberrechte werden unter interessen- und steuerungspolitischen Gesichtspunkten und im Hinblick auf das Verhältnis zwischen privaten und öffentlichen Interessen und zwischen dem Eigenen und dem Anderen analysiert. Zeitlich setzt das Teilprojekt bei der Einführung nationaler Urheberrechte nach dem Ersten Weltkrieg an.

Das Einzelprojekt von Dr. Dietmar Müller untersucht Begriffe, Institutionen und Praxisformen des Eigentums an Grund und Boden in drei habsburgisch geprägten Ländern Ostmittel- und Südosteuropas im 20. Jahrhundert (Polen, Rumänien und Jugoslawien). Die historische Rekonstruktion der Gesetze, Verordnungen und Doktrinen zum Bodenrecht, dient als Ausgangsbasis, um auf drei Wegen zu der Praxis des Eigentums und Bodenrechts vorzudringen. Anhand der Geschichte des Kataster- und Grundbuchwesens wird untersucht, wie die staatliche Boden- und Eigentumspolitik technisch und administrativ umgesetzt wird. Anhand der Professionsgeschichte von Geodäten, Agronomen, Rechtsanwälten und Notaren wird untersucht, wie das Eigentumsrecht in der (ländlichen) Gesellschaft und Landwirtschaft in die alltägliche gesellschaftlich Praxis überführt wird. Um bis zur Ebene der bäuerlichen Bevölkerung und deren Eigentumsbegriff an Grund und Boden vorzudringen, werden Erkenntnisse und Ansätze aus der Sozial- und Kulturgeschichte des Alltags und der historischen Sozialanthropologie fruchtbar gemacht.

Eine erste internationale Tagung zum Thema „Eigentum in der Rechtskultur Ostmitteleuropas im 19. und 20. Jahrhundert“ wird am 25.-26.11.2010 in Leipzig durchgeführt.