C. Beattie u.a. (Hrsg.): Intersections of Gender, Religion & Ethnicitity

Titel
Intersections of Gender, Religion and Ethnicitiy in the Middle Ages.


Herausgeber
Cordelia, Beattie; Fenton, Kirsten A.
Reihe
Genders and Sexualities in History
Erschienen
Basingstoke 2010: Palgrave Macmillan
Anzahl Seiten
232 S.
Preis
£ 60.00 / € 70,54
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Michael Hohlstein, Fakultät für Geschichtswissenschaft, Philosophie und Theologie, Abteilung Geschichtswissenschaft, Universität Bielefeld

Noch ein Buch über Gender? Was Cordelia Beattie und Kirsten A. Fenton 2011 als Sammelband vorgelegt haben, ist jedoch nicht die Wiederholung einer exklusiven Geschichte von Gender als Manifestation von Machtverhältnissen. Sie versuchen, Gender mit anderen analytischen Kategorien zusammen zu bringen, die den Blick auf Phänomene gesellschaftlicher Unterscheidungen richten: Religion und Ethnizität. Erst in den kategorialen Schnittpunkten, denen Forschungen zur Neuzeit schon länger nachgehen, und die seit wenigen Jahren auch von der Mittelalterforschung zum Thema gemacht werden, wird demnach Gender als Phänomen sozialer Hierarchisierung sicht- und beschreibbar. Es bleibt aber sowohl in der kurz gehaltenen Einleitung als auch in den neun Beiträgen weitestgehend bei interessanten Anregungen. Cordelia Beattie lässt den Leser zu Beginn des Buches mit unbeantworteten Fragen zurück. Wieso wurden Gender, Religion und Ethnizität als erkenntnisleitende Begriffe gewählt? Wieso bleibt das Verhältnis von Religion und Ethnizität ungeklärt, ja, können beide Begriffe offensichtlich auch synonym gebraucht werden? Und: Wie sollen die Schnittmengen zwischen den gewählten Kategorien analytisch überhaupt ermittelt werden? Die grundlegenden Fragen, die in der Einleitung nicht gestellt werden, werden auch nicht von den Autoren der Einzelbeiträge beantwortet, in denen mittelalterliche Texte von circa 800 bis in das 15. Jahrhundert die empirische Basis bilden – mit einem Schwerpunkt in der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts und der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts. In den meisten Fällen wäre aber zumindest eine genauere Bestimmung der jeweils verwendeten Kategorien wünschenswert gewesen. Allein dies hätte den sehr deskriptiv gehaltenen Ausführungen mehr analytische Schärfe verleihen können.

Die ersten drei Beiträge thematisieren Vorstellungen von Männlichkeit im Mittelalter. Rachel Stone weist am Beispiel karolingischer Kapitularien zu Beginn des 9. Jahrhunderts nach, dass religiöse und moralische Lebensführung mit „male terms“ (S. 14) beschrieben wurde – anders als bis in die Anfänge des 7. Jahrhunderts hinein, in denen weibliche Jungfräulichkeit das Ideal bildete. Mit Blick auf die mögliche Unterscheidung zwischen Laien und Mitgliedern einer Ordensgemeinschaft, nach der Stone in ihrem Beitrag über karolingische Männlichkeitsvorstellungen fragt, lassen sich aber keine spezifischen Männlichkeitsdiskurse feststellen, zumal das Zölibatsgebot für Religiose wenig Aufmerksamkeit im zeitgenössischen Diskurs fand. Den Konflikt zwischen Religiosen und Laien um Herrschafts- und Machtpositionen hat Jo Ann McNamara vor fast zwei Jahrzehnten als Ursache der von ihr konstatierten Krise der Männlichkeit zwischen 1050 und 1150 identifiziert.1 Die Beiträge von Carol Braun Pasternack und William M. Aird stehen im Kontext der lebhaften Debatte, die sich um McNamaras These entwickelt hat.2 Carol Braun Pasternack stellt unterschiedliche Männlichkeitsvorstellungen vor, die sie der Sammelhandschrift 201b aus dem Corpus Christi College in Cambridge entnimmt. Der Codex, dessen einzelne, überwiegend altenglischen Texte zumeist aus dem 11. Jahrhundert stammen, sei Teil des europäischen Diskurses um priesterliche Keuschheit und präsentiere als Ideal den keuschen Mann, unabhängig möglicher religiöser Gelübde, ein Ideal, das auch weltliche Herrscher auszeichne. William M. Aird weist hingegen am Beispiel der Vita Bischof Gundulfs von Rochester darauf hin, dass es sehr wohl Unterschiede zwischen religös-zölibitären und laikalen Männlichkeitsentwürfen gegeben habe, zugleich aber die Dichotomie zwischen beiden den Blick auf unterschiedliche, kontextabhängige Männlichkeitsvorstellungen im religiösen Bereich verstelle. Gundulfs Tränen als Zeichen von Reue und Medium der Interferenz mit seinem monastischen Publikum seien Teil eines „male monasticism“ (S. 64). Es böte zugleich Möglichkeiten, auch Stärke zu zeigen, etwa im Zusammenhang von Gundulfs Machtdarstellung gegenüber des von ihm gegründeten Frauenklosters Malling: „the monastery wall should not be necessarily seen as boundary between the gendered and the un-gendered“ (S. 76).

Die folgenden Beiträge verlassen die innerchristliche Welt und thematisieren Genderaspekte in der Wahrnehmung und Auseinandersetzung mit nichtchristlichen Kulturen. Steven F. Kruger und Hannah Meyer zeigen an Beispielen des christlich-jüdischen Verhältnisses, dass religiöse Grenzziehungen nicht durch geschlechterspezifische Sprachbilder verstärkt sein mussten. Kruger nimmt sich der aus dem Ende des 11. Jahrhunderts stammenden ‚Disputatio Iudei et Christiani‘ Gilbert Crispins an. Der Benediktinerabt von Westminster habe weitestgehend auf Tropen aus der dogmatischen Kontroverse zwischen Juden und Christen verzichtet, die pejorative Vorstellungen von Körperlichkeit und Geschlecht des religiös Anderen sichtbar machen. Die von Crispin besonders betonte Körperlosigkeit der Disputanten mache es schwierig, derartige Texte „in embodied, feminist and/or queer ways“ (S. 97) zu lesen. Hannah Meyer weist in einen großen Anteil Frauen unter den jüdischen Kreditoren während des 13. Jahrhunderts in Exeter nach. Allerdings tritt auch hier das Geschlecht hinter die Religion zurück, wenn in den Akten, die die Geldgeschäfte überliefern, die Frauen geschlechtsunspezifisch durch ihr Jüdischsein gekennzeichnet sind. Festzuhalten bleibt, dass in beiden Beiträgen zu christlich-jüdischen Differenzen Geschlecht nicht als grenzziehende Kategorie aufgerufen wird.

Geschlecht als Differenzkategorie tritt hingegen in den folgenden Beiträgen wieder in den Vordergrund. Kirsten A. Fenton sieht in der einschlägigen Passage der ‚Gesta Regum Anglorum‘ Wilhelm von Malmesburys ein „Gendering the First Crusade“ und betont dabei geschlechtsspezifische Attributierungen von Ethnien. Malmesbury stelle die Christen als ethnische Einheit dar, die sich durch tugendhafte Männlichkeit auszeichne. Ihr gegenüber stehen die Türken, stilisiert als untugendhafte Frauen. Simon Yarrows Beitrag bleibt im Kontext des ersten Kreuzzuges, richtet den Blick aber nicht auf ethnische, sondern religiöse Unterscheidungen. Die Kirchengeschichte des Orderic Vitalis gilt ihm als Text, aus dem sich „Gendering of Religious Difference“ ablesen lässt. Der Historiograph biete dem Leser aber keine einfachen Dichotomien der Über- und Unterordnung an, wie sich an der Ausgestaltung der fiktiven Geschichte von Bohemund von Tarent und der sarazenischen Prinzessin Melaz zeigen lasse. Gleichwohl sei Geschlecht nicht nur ein Medium „for defining asymmetrical relationships between men and women, but also for appealing to wider norms of social inequality“ (S. 142).

Die letzten beiden Beiträge thematisieren spezifische Frauenbilder in unterschiedlichen Textgattungen. Juliette Dor fokussiert auf die Darstellung der virago in drei Geschichten der Canterbury Tales. Nach Dor entlässt Geoffrey Chaucer den Leser nicht mit einem eindeutigen Bild heldenhafter Jungfrauen. Als Ursache sieht Dor nicht nur die unterschiedlichen Inhalte der von ihr gewählten Geschichten, sondern vor allem ein eigentümliches Spannungsverhältnis zwischen den Erzählfiguren und dem Erzählten. Während „Chaucer’s Viragos“ sehr heterogen daher kommen, lässt sich in europäischen mittelalterlichen Reiseberichten, folgt man Kim M. Phillips am Beispiel der Erzählungen über weibliche Krieger und Amazonen, eine viel homogenere Vorstellung von „Asian Femininities“ fassen. Die starken, unabhängigen Frauen hätten als Phantasiefiguren Bedürfnisse des Lesepublikums befriedigt und könnten als Kompensation zu europäischen Geschlechterkonfigurationen gesehen werden, die seit dem 12. und 13. Jahrhundert die Frau stärker an das Haus gebunden haben.

Zweifellos: Der Ansatz, Gender, Religion und Ethnizität als Kategorien sozialer Differenzierung und Hierarchisierung zusammen zu denken, ist zumindest mit Blick auf die Mittelalterforschung noch durchaus innovativ. Aus den einzelnen, zumeist sehr kurzen Beiträgen lassen sich durchaus Anregungen gewinnen. Allerdings ist allen Aufsätzen ein assoziativer Charakter eigen, indem kausale Zugehörigkeiten mehr behauptet als argumentativ nachvollziehbar bewiesen werden. Mehr Fragen als Antworten bleiben nicht zuletzt mit Blick auf die Schärfung des konzeptionellen Profils des vorgelegten Sammelbandes. Die Kategorien Gender, Religion und Ethnizität hätten ebenso geschärft werden müssen wie die methodische Umsetzung einer geschichtswissenschaftlichen Analyse, die an den kategorialen Schnittstellen ansetzen möchte, um einen überzeugenden Beitrag zu mittelalterlichen Phänomenen sozialer Distinktion zu leisten.

Anmerkungen:
1 Jo Ann McNamara, The Herrenfrage: The Restructuring of the Gender System, 1050–1150, in: C.A. Lees (Hrsg.), Medieval Masculinities. Regarding Men in the Middle Ages, Minneapolis 1994, S. 3–29.
2 Dazu etwa Bea Lundt, Mönch, Kleriker, Gelehrter, Intellektueller: Zu Wandel und Krise der Männlichkeiten im 12. Jahrhundert, in: L’HOMME. Europäische Zeitschrift für Feministische Geschichtswissenschaft 19 (2008), 2: Krisen der Männlichkeit, S. 11–29; und Claudia Opitz-Belakhal, „Krise der Männlichkeit“ – ein nützliches Konzept der Geschlechtergeschichte?, in: L’HOMME 19 (2008), 2, S. 31–49.

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