Cover
Titel
Libanios. Zeuge einer schwindenden Welt


Autor(en)
Nesselrath, Heinz-Günther
Reihe
Standorte in Antike und Christentum 4
Erschienen
Stuttgart 2012: Anton Hiersemann
Anzahl Seiten
VII, 166 S.
Preis
€ 39,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Christian Fron, Historisches Institut, Universität Stuttgart

Innerhalb der deutschsprachigen Forschung zu Libanios ist in jüngster Zeit insbesondere der Göttinger Altphilologe Heinz Günther Nesselrath hervorgetreten. So verfasste er etwa den einschlägigen Artikel im „Reallexikon für Antike und Christentum“ (RAC)1 und lieferte eine zweisprachige Ausgabe der Rede pro templis (or. 30).2 Nun folgt mit der vorliegenden Monographie eine Einführung zum Leben, Wirken und Umfeld des spätantiken Sophisten. Wie bereits aus dem Untertitel des Werkes sowie aus der Reihe, in der das Buch erscheint, ersichtlich wird, bleibt Nesselrath seinen Forschungsinteressen zu Libanios treu. Die Hauptblickrichtung stellt weiterhin die Auseinandersetzung des tief in der paganen Religion verhafteten Sophisten Libanios mit Glaubensgenossen, Christen sowie ganz allgemein mit dieser Zeit des religiösen Umbruchs dar. Sowohl bezüglich der Kernthesen als auch bezüglich der Gliederung des Werkes bildet der zuvor aufgeführte Lexikonartikel die Grundlage der Monographie.

Die ersten drei Kapitel bieten zunächst im Rahmen eines Prologs eine Einführung in das 4. Jahrhundert als Epoche des Umbruchs sowie erste Eindrücke von der vielgestaltigen Rezeption des Sophisten vom 18. bis zum 20. Jahrhundert, danach einen allgemeinen biographischen Abriss sowie schließlich Einblicke in das Œuvre des spätantiken Sophisten. In den Kapiteln 4 und 5, welche sowohl inhaltlich als auch bezüglich der Seitenstärke den Hauptteil der Arbeit ausmachen, behandelt Nesselrath Libanios’ Position in der im 4. Jahrhundert geführten Auseinandersetzung zwischen der „klassisch“ heidnisch-polytheistischen und der christlichen Religion. Zunächst werden Libanios’ eigene religiöse Überzeugungen sowie daran anschließend sein Umgang mit dem Christentum dargestellt. Nach dieser allgemeinen Betrachtung werden dezidiert die Beziehungen und Kontakte des Sophisten zu Individuen und Personengruppen näher in den Blick genommen. Zentrales Auswahlkriterium bleibt die jeweilige Einstellung zur Religion sowie das sich hieraus ergebende Verhältnis zwischen Heidentum und Christentum. Libanios erscheint innerhalb dieser Darstellung als ein überzeugter Anhänger der klassisch griechisch-polytheistischen Religion, der sich insbesondere mit „Glaubensgenossen“ umgibt, dezidiert dem Mönchtum entgegensteht, eine durch Zwang herbeigeführte Konvertierung der Christen ablehnt und selbst Kontakte zu Christen und auch Juden unterhält. Der Fokus bleibt dabei allein auf Libanios’ Wertungen und Taten. Andere Strategien eines Zusammenlebens zwischen Heiden und Christen tauchen nur schlaglichtartig im Rahmen der Behandlung der anderen Personengruppen auf, was allerdings von einer einführenden Biographie nicht anders erwartet werden kann. Zudem bleibt am Ende der beiden Kapitel die Frage bestehen, ob die Belange der Religion tatsächlich diese zentrale Rolle in der Gedankenwelt des Libanios spielten.3

Das sechste Kapitel bietet einen detaillierteren Einblick in die facettenreiche Rezeption und Beurteilung des Sophisten durch die Nachwelt. Anders als im Libanios-Artikel im RAC beschränkt sich Nesselrath nicht allein auf den Zeitraum der spätantiken und byzantinischen Geschichte, sondern erweitert das Feld bis ins 20. Jahrhundert und auf die heutige Editionslage. Die Monographie beschließt ein persönliches Nachwort. Die Bibliographie des Werkes besteht aus einer Auswahl und bleibt bewusst minimalistisch. Bedauerlicherweise werden aktuelle und insbesondere seit der Arbeit von Wintjes4 veröffentliche Publikationen zum 4. nachchristlichen Jahrhundert und zu Libanios nur sehr sporadisch mit aufgeführt.5 Demgegenüber liefert sie bezüglich den wichtigsten Textausgaben, Übersetzungen und Kommentare einen guten Überblick.

Worin besteht nun der besondere Wert dieser Monographie? Trotz einiger kleinerer Unzulänglichkeiten bietet die Studie eine solide Einführung zu Libanios, welche nicht allein Einsteigern, sondern auch auf diesem Gebiet erfahreneren Lesern einiges Wissenswerte vermittelt. Sie brilliert insbesondere durch eine gute Lesbarkeit und einen charmanten Stil sowie die zahlreichen eingearbeiteten Übersetzungen von Passagen aus dem Gesamtwerk von Libanios. Damit macht die Einführung Lust auf eine weitere Beschäftigung mit und eine eingehendere Lektüre von Libanios – und das ist es doch, was eine einführende Biographie beim Leser vornehmlich bewirken sollte.

Anmerkungen:
1 Heinz-Günther Nesselrath, Art. „Libanios“, in: Reallexikon für Antike und Christentum 23 (2008), S. 29–61.
2 Für Religionsfreiheit, Recht und Toleranz. Libanios’ Rede für den Erhalt der heidnischen Tempel. Eingeleitet, übersetzt und mit interpretierenden Essays versehen von Heinz-Günther Nesselrath, Okko Behrends, Klaus Stephan Freyberger, Johannes Hahn, Martin Wallraff und Hans-Ulrich Wiemer, Tübingen 2011.
3 Diese Frage wurde zu Recht bereits von Lieve Van Hoof in ihrer Rezension zu dieser Monographie aufgeworfen (Bryn Mawr Classical Review 2013.02.38, <http://bmcr.brynmawr.edu/2013/2013-02-38.html> [04.07.2013]).
4 Jorit Wintjes, Das Leben des Libanius, Rahden/Westf. 2005.
5 So fehlt etwa das Sammelwerk Odile Lagacherie / Pierre-Louis Malosse (Hrsg.), Libanios. Le premiere humaniste. Etudes en hommage à Bernard Schouler (Actes du colloque de Montpellier, 18–20 mars 2010), Alessandria 2011. Auch die insbesondere für Kapitel 5 interessante Studie von Isabelle Sandwell, Libanius’ Social Networks. Understanding the Social Structure of the Later Roman Empire, in: Irad Malkin / Christy Constantakopoulou / Katerina Panagopoulou (Hrsg.), Greek and Roman Networks in the Mediterranean, London 2009, S. 129–143, fehlt. Weitere Titel könnten genannt werden.

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