S. Eickhoff u.a. (Hrsg.): 1636 – ihre letzte Schlacht

Cover
Titel
1636 – ihre letzte Schlacht. Leben im Dreißigjährigen Krieg


Herausgeber
Eickhoff, Sabine; Schopper, Franz; Jungklaus, Bettina
Erschienen
Stuttgart 2012: Theiss Verlag
Anzahl Seiten
208 S.
Preis
€ 18,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Alexander Querengässer, Leipzig

Die Schlachtfeldarchäologie steckt in Deutschland immer noch in den Kinderschuhen. Die Beschäftigung mit dem Kalkrieser Schlachtfeld (9 v.Chr.) und weiteren Kampfplätzen der Antike brachte diese Wissenschaft in den letzten Jahren jedoch ins Bewusstsein der Öffentlichkeit. Mittlerweile gibt es auch mehrere Projekte zur Erforschung frühneuzeitlicher Schlachtfelder, besonders aus dem Dreißigjährigen Krieg, wie etwa das groß angelegte Grabungsprojekt bei Lützen.1 Es widmet sich jener für Schweden wie Kaiserliche verlustreichen Schlacht des Jahres 1632, in der bekanntlich König Gustav Adolf von Schweden fiel. Vier Jahre später, in der Schlacht bei Wittstock an der Dosse 1636, schlug hingegen ein schwedisches Heer unter Feldmarschall Johan Banér eine kaiserlich-sächsische Armee. In ihrer Folge konnten sich die angeschlagenen Schweden weiter im Krieg behaupten.

Durch Bauarbeiten wurde nun 2007 bei Wittstock ein Massengrab freigelegt, das auf dieses militärische Ereignis zurückgeht. Mit 125 identifizierten Skeletten ist es das größte bisher entdeckte Kriegsgrab dieser Zeit in Deutschland. Über mehrere Jahre arbeitete ein Forscherteam des Brandenburgischen Landesamts für Denkmalpflege und des Archäologischen Landesmuseums an der Ausgrabungsstätte und entlockte den bleichen Knochen etliche Geheimnisse, die Aufschluss über den Lebensalltag der Söldner des Dreißigjährigen Krieges geben. Das Ergebnis wurde am 31. März 2012 in der Ausstellung „1636. Ihre letzte Schlacht“ präsentiert. Parallel wurde ein aufschlussreicher Begleitband von den wissenschaftlichen Leitern Sabine Eickhoff, Anja Grothe und Bettina Jungklaus herausgegeben.

Der Band erzählt von der Entdeckung des Grabes und erklärt die Herangehensweise der Archäologen und die Bedeutung der menschlichen Überreste als Quelle. Anschließend führen mehrere Kapitel den Leser in die Alltagswelt des Dreißigjährigen Krieges. Jedes dieser Kapitel ist zweigeteilt. Ein Abschnitt skizziert verschiedene Aspekte des historischen Kontextes (Dreißigjähriger Krieg, Der Weg in die Armeen, Ausrüstung und Bewaffnung, Berufsalltag, Lagerleben, Medizinische Versorgung), bevor der zweite Abschnitt diese Informationen um die archäologischen Erkenntnisse der Ausgrabung ergänzt. Die Texte der einzelnen Autoren sind stilistisch gut und verständlich geschrieben und schaffen es, die teilweise komplexen anthropologischen und medizinischen Untersuchen und Ergebnisse plausibel zu erläutern.

Die Kapitel beschreiben, wie das schlecht gemahlene Mehl die Zähne der Söldner im Laufe der Zeit abschliff, wie aus dem DNA-Code die Herkunft und das Alter der Männer rekonstruiert werden konnte, woraus ihre Nahrung bestand, wie die körperliche Belastung eines harten Lebens ihre Knochen schädigte und welche Erkenntnisse sich aus der gefundenen Munition ziehen lassen. Einen besonderen Fokus richten die Kapitel auf die Geschichte schottischer Söldner, die seit 1629 vermehrt in schwedische Dienste übernommen wurden und bei der Schlacht einen erheblichen Teil der schwedischen Armee ausmachten.

All diese Teilergebnisse fließen in einem weiteren Kapitel zusammen. Dieses versucht zunächst aus den schriftlichen Überlieferungen die Schlacht zu rekonstruieren um dann die Ergebnisse der Schlachtfeldgrabung heranzuziehen. Dieser Abschnitt verdeutlicht, dass die Grabung einige neue Erkenntnisse zum Verlauf des Kampfes hervorgebracht hat. So sind die wichtigsten Gefechtsabschnitte nun genau kartiert. Somit unterstreicht der Band auch eindrucksvoll den wissenschaftlichen Nutzen der Schlachtfeldarchäologie.

Das nächste Kapitel beschäftigt sich mit dem Grab selbst. Es versucht, einen Einblick in die Kriegsgräberkultur der Frühen Neuzeit zu geben und erläutert nochmals die Arbeit der Archäologen. Der letzte Abschnitt schließlich schildert dem Leser die Gedanken der Ausstellungsplaner. Es erklärt, dass aus Pietätsgründen keine vollständigen Skelette ausgestellt wurden und wie die einzelnen Räume thematisch gegliedert sind. Positiv sticht besonders der Umstand heraus, dass die Ausstellungsplaner eine „Kinderebene“ in die Texte eingebaut haben. Diese Zielgruppe vernachlässigen viele historische Museen und Ausstellungen nach wie vor sträflich.

Der vorliegende Ausstellungsband ist nicht als ein rein wissenschaftliches Buch zu kennzeichnen, sondern richtet sich an die breite Masse der Ausstellungsbesucher. Trotzdem gelingt es den Autoren hervorragend, wissenschaftliche Erkenntnisse anspruchsvoll und gleichzeitig leicht verständlich zu vermitteln. Gleichzeitig bereichern die Beiträge die militärgeschichtliche Forschungsarbeit zum Dreißigjährigen Krieg.

Anmerkung:
1 Hierzu: Maik Reichel / Inger Schubert, Leben und Sterben auf dem Schlachtfeld von Lützen. Beiträge eines wissenschaftlichen Kolloquiums, Lützen 2011.

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