Cover
Titel
Testimonia Alt-Paphos.


Autor(en)
Näf, Beat
Reihe
Ausgrabungen in Alt-Paphos auf Cypern 8
Erschienen
Anzahl Seiten
XVIII, 116 S.
Preis
€ 49,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Christian Körner, Historisches Institut, Universität Bern

„Nach Kypros möchte ich ziehen, / der Insel der Aphrodite, / wo die Eroten wohnen, /die der Menschen Herz bezaubern, / und nach Paphos, das der / Strom des Barbarenflusses / mit hundert Armen befruchtet, /von keinem Regen gespeist.“1 – Die enge Verbindung des zyprischen Paphos mit Aphrodite durchzieht die gesamte griechische und lateinische Literatur, wie das Chorlied aus den „Bakchai“ des Euripides beispielhaft zeigt. Bereits in der späten Bronzezeit entstand in Paphos ein gewaltiger Temenos. Das Königtum von Paphos, erstmals in assyrischen Listen des 7. Jahrhunderts v.Chr. schriftlich bezeugt, bestand bis ins späte 4. Jahrhundert v.Chr. Die Könige trugen den Titel „Priester der Anassa“, der „Herrin“, wie die mit Aphrodite gleichgesetzte zyprische Fruchtbarkeitsgöttin apostrophiert wurde.2

Die Ruinen des Heiligtums und der alten Königsstadt finden sich beim heutigen Kouklia. Seit der Gründung von Neupaphos im späten 4. Jahrhundert v.Chr., wahrscheinlich durch Nikokles, den letzten König von Paphos, wird die ursprüngliche Stadt Palaipaphos („Alt-Paphos“) genannt. Die Universität Zürich hat sich viele Jahre in Kouklia engagiert, wovon die Untersuchung der Belagerungsrampe zeugt, mit deren Hilfe die Perser nach dem Ionischen Aufstand 498 v.Chr. die Stadtmauern von Paphos gestürmt hatten.3

Die von Franz Georg Maier herausgegebene Reihe „Ausgrabungen in Alt-Paphos auf Cypern“ ist nun um den achten Band reicher geworden, in dem Beat Näf die literarischen Testimonien bis ins frühe 20. Jahrhundert zusammengestellt hat. Näfs Werk folgt weitgehend einem chronologischen Aufbau. Die Texte werden zunächst im Original zitiert, dann folgen eine deutsche Übersetzung und ein kurzer Kommentar, in den Belege und weiterführende Literatur integriert sind. Auf die epigraphischen Funde wurde bewusst verzichtet: Die Inschriften in zyprischer Silbenschrift sind einerseits in der nach wie vor maßgeblichen Edition von Olivier Masson zugänglich.4 Zum anderen wurden die Inschriftenneufunde aus dem Heiligtum Rantidi bei Paphos wie aus der Belagerungsrampe in zwei anderen Bänden der Reihe publiziert.5

Zunächst stellt Näf die antiken Zeugnisse zur geographischen Lage zusammen (S. 5–11). Besondere Beachtung finden dabei die Angaben zu den auf Zypern so häufigen Erdbeben. Nach einem kurzen Überblick zu den in literarischen Quellen bezeugten Paphiern geht Näf in übersichtlich gegliederten Essays auf die mit dem Ort verbundenen Sagengestalten ein (S. 13–21). Sogar die Tiere und Pflanzen, die die Quellen mit Paphos und dem Aphroditekult in Verbindung bringen, finden Erwähnung. Die Testimonien verdeutlichen, wie das Toponymikon Paphos als gelehrte Chiffre für das Aphroditeheiligtum diente: „Testimonia, welche die Epiklese Paphia für Aphrodite enthalten, Paphos in Dichtung, Legende und Mythos erwähnen oder die mit Paphos verknüpften mythischen Personen behandeln, dienen der historischen Rekonstruktion der Geschichte der Stadt und der Monumente von Alt-Paphos oft nur zu einem geringen Teil, oder sogar überhaupt nicht“ (S. 15).

Das umfangreichste Kapitel führt die antiken Testimonien zu Paphos in chronologischer Folge auf (S. 23-67). Dabei werden auch die für die Forschung zu Zypern oft so wichtigen Scholien berücksichtigt, so beispielsweise zu Pindar, Homer oder Vergil. Neben den historiographischen Zeugnissen wie Herodot, Tacitus und Diodor ist die Zusammenstellung auch eine Fundgrube für entlegenere Autoren. Das letzte Zeugnis, das noch korrekt zwischen Palaipaphos und Nea Paphos trennt, ist der Anonymus Ravennatis (5,20) im 7. Jahrhundert n.Chr.: Er nennt „Palopaphos“ und „Pafos“ als Städte auf Zypern (S. 67; vgl. S. 9).

Viele der mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Berichte (S. 69–87) stammen von Pilgerreisenden, die das Heilige Land besuchten und dabei auf Zypern Halt machten. So berichtet Felix Faber (1438–1502) in seinem „Evagatorium in Terrae Sanctae, Arabiae et Egypti Peregrinationem“ vom „mons Veneris“ in Paphos. Überhaupt stellt Fabers Darstellung den ausführlichsten Bericht über Paphos in den mittelalterlichen Zeugnissen dar. Auch der Schweizer Ludwig Tschudi (1495–1530), der 1519 ins Heilige Land reiste, überschreibt eines seiner Kapitel mit „Von Fraw Venus’ Wohnung vnd ihrem Berg“. Bedeutsam ist Tschudis Bericht jedoch vor allem, weil er als erster Reisender wieder Alt- von Neu-Paphos unterscheidet: „Jn dem kam ein gar starcker guter nachwind / der vnß auff den Donstag zu Mittag / deß 20. Iulij, an das Cyprisch geländt / geworfen zu der Statt Paphus oder Neapaphos, das ist / newen Paphus genandt / die man jetzt Bapho nennet / dann die alt Statt Paphus, ist jetzt zerstört / ligt 8. Welsch meyl von Bapho, da sicht man noch die alten grossen / zerstörten gebäw“ (vgl. S. 77).

Das letzte Kapitel (S. 89–116) ist den Zeugnissen des 18. und 19. Jahrhundert gewidmet und zeichnet dabei den Übergang von Reiseberichten zu den ersten archäologischen Untersuchungen nach. Besonders umfangreich ist der Bericht des Österreichers Joseph von Hammer-Purgstall (1774–1856) ausgefallen (S. 93–96), der auf seiner Reise im Jahr 1800 Paphos besuchte und ausführlich über die dortigen Ruinen berichtet, aber auch deren Verfall beklagt („Wie verschieden das was ist, von dem was war!“, S. 94). Mit dem Bericht von Ludwig Ross, der 1845 die Insel bereiste und für den Abtransport der berühmten Stele von Kition nach Berlin verantwortlich war6, bekommen die Beschreibungen der Ruinen erstmals einen wissenschaftlichen Charakter. Von den übrigen Reisenden des 19. Jahrhunderts seien der Begründer der Zypernsammlung und erste Direktor des Metropolitan Museum of Arts, Luigi Palma di Cesnola, eher Raubgräber als Archäologe (S. 103–106), sowie der englische Maler William Turner (S. 98) erwähnt. Der Überblick endet mit dem Bericht von John Myres über die Entdeckung des von römischen Münzen bekannten anikonischen Steins, der im Heiligtum verehrt wurde, im Jahr 1913 (S. 116).

Näf legt einen umfassenden Katalog der literarischen Zeugnisse zu Palaipaphos vor. Für Altertumswissenschaftler, die sich mit Geschichte, Mythos und Kult befassen, ist die rasche Zugriffsmöglichkeit auf die einschlägigen Quellen, gerade auch auf die entlegeneren Scholien und Kommentare, eine enorme Arbeitserleichterung. Besonders verdienstvoll sind die Kapitel zu den weniger leicht greifbaren nachantiken Zeugnissen. Der Überblick über die Reise- und frühen Forschungsberichte des 18. und 19. Jahrhunderts bietet nicht nur eine ideale Grundlage für die Beschäftigung mit der Rezeptionsgeschichte, sondern liest sich als anregende, bisweilen auch erheiternde Lektüre. Der künftigen historischen Forschung zu Zypern steht mit Näfs Testimoniensammlung ein unentbehrliches Grundlagenwerk zur Verfügung.

Anmerkungen:
1 Euripides, Bacchae 402–408, zitiert nach Euripides, Tragödien, Bd. 6: Iphigenie in Aulis, Die Bakchen, Der Kyklop, Griechisch und Deutsch von Dietrich Ebener, Berlin 1980, S. 139.
2 Vgl. die Inschriften der Könige Timocharis und Echetimos: Olivier Masson, Les inscriptions chypriotes syllabiques. Recueil critique et commenté, 2. Aufl., Paris 1983, Nr. 16 und 17. Der Rezensent arbeitet an einer Studie über die zyprischen Könige vom 8. bis 4. Jahrhundert v.Chr.
3 Elisabeth Erdmann, Nordosttor und persische Belagerungsrampe, Bd. 1: Waffen und Kleinfunde (= Ausgrabungen in Alt-Paphos 1), Konstanz 1977; Franz Georg Maier, Nordosttor und persische Belagerungsrampe in Alt-Paphos, Bd. 3: Grabungsbefund und Baugeschichte (= Ausgrabungen in Alt-Paphos 6), Mainz am Rhein 2008.
4 Vgl. Anm. 2.
5 Terence B. Mitford / Olivier Masson, The Syllabic Inscriptions of Rantidi-Paphos (= Ausgrabungen in Alt-Paphos 2), Konstanz 1983; Olivier Masson / Terence B. Mitford, Les inscriptions syllabiques de Kouklia-Paphos (= Ausgrabungen in Alt-Paphos 4), Konstanz 1986. Die Alphabetinschriften aus Paphos werden von Anne Kolb (Zürich) bearbeitet.
6 Vgl. dazu Andreas Mehl, Der Archäologe Ludwig Ross 1845 in Zypern auf den Spuren der Antike, in: Sabine Rogge (Hrsg.), Zypern und der Vordere Orient im 19. Jahrhundert. Die Levante im Fokus von Politik und Wissenschaft der europäischen Staaten, München 2009, S. 153–187.

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