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Titel
"Herman the German". Das Hermann Monument in der deutsch-amerikanischen Erinnerungskultur


Autor(en)
Lange, Julia
Reihe
Transnational and transatlantic American studies 12
Erschienen
Berlin 2013: LIT Verlag
Anzahl Seiten
129 S.
Preis
€ 24,90
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Charlotte Tacke, Castelfiorentino

„Herman the German“ ist eine für den Druck überarbeite Magisterarbeit, die an der Universität Hamburg im Jahr 2011 vorgelegt worden ist. Ausgehend vom Konzept des kulturellen Gedächtnisses von Aleida und Jan Assmann geht die Autorin der Geschichte und wandelnden Bedeutung des Hermannsdenkmals in der amerikanischen Kleinstadt New Ulm, Minnesota, nach und stellt es – vor allem für die Zeit nach 1945 – in eine komparative Perspektive zur Rezeptionsgeschichte des Hermannsdenkmals in Detmold. Als Quellen dienen vor allem lokale Zeitungsartikel, Denkmalsbroschüren, Festschriften und -reden, die aus Anlass von Einweihungs- und Jubiläumsfeiern in den letzten 130 Jahren rund um dieses Denkmals entstanden sind.

Einer kurzen theoretischen Einleitung folgen drei chronologisch geordnete Kapitel. Das erste empirische Kapitel wendet sich der Bedeutung des Arminiusmythos und des Herman Monuments im 19. Jahrhundert bis zum Vorabend des Ersten Weltkriegs zu. In dieser Zeit stand das Denkmal, dessen Bau von dem Orden der Hermannssöhne 1885 initiiert, mit großen Schwierigkeiten finanziert und erst 1897 fertig gestellt wurde, im Zeichen der von deutschen Auswanderern nach Amerika gepflegten Erinnerungskultur. Offiziell verstanden die Hermannssöhne – ein von deutschen Auswanderern gebildetes soziales und kulturelles Netzwerk – ihren Herman als Mittlerinstanz zwischen ihrer kulturellen Affinität zu Deutschland und ihrer politischen Loyalität zu den Vereinigten Staaten. Allerdings lässt sich, so die These, diese Trennung nicht aufrechterhalten. Die deutsch-amerikanische Identität unterliegt im Verlaufe des 19. Jahrhunderts einer „Hybridisierung“ (S. 6), die in der schleichenden Amerikanisierung deutscher Sprache und Kultur der Einwanderer einerseits („Saloon im Wiesental“, S. 39) und in ihrem zunehmend zum Ausdruck gebrachten Stolz auf die politischen Errungenschaften und die Großmachtpolitik des Deutschen Kaiserreichs ihren Niederschlag fand.

Ihre von weiten Teilen der Deutsch-Amerikaner beim Ausbruch des Ersten Weltkriegs zum Ausdruck gebrachte Sympathie für die Kriegspolitik des Deutschen Reiches – Herman the German wird auch hier, wie in Detmold, in einem Atemzug mit Wilhelm I., Bismarck, Moltke u.a. genannt – wird mit dem Kriegseintritt der Vereinigten Staaten 1917 problematisch. Aus den auf ihre Herkunft und ihren Einfluss auf die amerikanische Kultur und Politik stolzen Deutsch-Amerikanern werden gleichsam über Nacht innere Staatsfeinde, die deutschfeindlichen Ressentiments ausgesetzt sind und unter Konformitätsdruck geraten. Multiple, oder wie es die Autorin nennt, „hybride“ (S. 43) Formen der Identität konnten unter diesen Bedingungen nicht mehr aufrechterhalten werden, sondern wichen einer eindeutigen politischen Identifizierung mit den Vereinigten Staaten, in der öffentliche Formen einer ‚ethnischen‘ deutschen Identifikation nicht mehr zugelassen waren. Jede Form der Erinnerung an Herman the German unterblieb in der Folgezeit. Das Denkmal wurde gar zum „Schmerzenskind“ (S. 43) der Hermannssöhne, die sich schließlich seiner entledigten, indem sie ihre Besitzrechte an dem Bauwerk 1929 an die Stadt New Ulm übergaben. In der Folgezeit wurde Herman im Zuge der lokalen Tourismusförderung zum weitgehend entpolitisierten Ausflugsziel und Aussichtspunkt mit „picturesque view“ und „beauty spot“ (S. 55) vermarktet und vor allem von der lokalen Bevölkerung als Ort für Ausflüge und Picknicks genutzt.

Erst in den siebziger Jahren wurde das Herman Monument im Zuge einer jetzt nationalen Förderung historischer Orte und Denkmäler wieder entdeckt, restauriert und zu einem amerikanischen Denkmal umgedeutet (oder „resemiotisiert“, S. 59). 1973 wurde es als eines von 80.000 Bauwerken in das „National Register of Historic Places“ aufgenommen und im Jahr 2000 vom US Kongress als nationales Symbol für die Beiträge der Deutsch-Amerikaner zur US-Gesellschaft anerkannt. Gleichzeitig unterlag es in dieser Zeit als städtisches Wahrzeichen auf lokaler Ebene eines „ethnic revival“ (S. 61). Vor allem lokale Verantwortliche im Umkreis der historischen Vereine versuchten, „das deutsche Kulturerbe der Stadt stärker im Bewusstsein der Stadtbewohner zu verankern“ (S. 64), stellten aber die Varusschlacht zunehmend in den Kontext amerikanischer und transnationaler Werte von Freiheit und Unabhängigkeit. Diese Amerikanisierung von Herman als Teil einer zunehmend ‚ethnische‘ Diversität anerkennenden amerikanischen Gesellschaft ging einher mit einer unbefangenen Waltdisneyisierung der Erinnerung in Form von bunten heritage festivals mit German Bier und Dirndl, germanischen Kostümierungen mit Hermann und Tusnelda und der Kommerzialisierungen der Denkmalsfigur etwa in Form eines Wackelkopfhermanns.

Ein zentrales Anliegen der Autorin liegt schließlich darin, die unterschiedliche Entwicklung der Erinnerungskultur in Deutschland am Hermannsdenkmal und in Amerika am Herman Monument nach dem Zweiten Weltkrieg aufzuzeigen. Während die Detmolder Verantwortlichen bemüht waren, eine kritische Haltung zur vormals nationalistischen und nationalsozialistischen Inanspruchnahme des Hermannsdenkmals einzunehmen, gelingt es den Deutsch-Amerikanern in New Ulm ihre ethnische Vergangenheit losgelöst von der Erinnerung des Holocaust zu konstituieren. Ob man für diese Erkenntnis die These der „Amerikanisierung des Holocaust“ (S. 110) in Anspruch nehmen muss, die die amerikanische Mehrheitsgesellschaft für die Erinnerung an den Holocaust verantwortlich macht und damit die Deutschamerikaner von dieser Erinnerung entlastet, sei dahin gestellt. Vielleicht sollte man vielmehr stärkeres Gewicht auf die sozialen Träger des Erinnerungsdiskurses in den beiden Kleinstädten legen. Damit ist ein generelles Manko dieser Arbeit angesprochen, die die „Diskursanalyse“ (S. 65) ohne eine soziale und politische Einbettung ihrer Träger vornimmt. Denn während in Detmold die Hermannsdenkmalstiftung des Landesverbands Lippe als öffentliche Trägerin des Hermannsdenkmals fungiert, die neben ihrer Aufgabe, das Hermannsdenkmal zu erhalten, ausdrücklich den politischen Auftrag erhalten hatte, es „dem Deutschen Volke als Mahnmal zur Einigkeit und im Gedenken an die furchtbaren Weltkriege als Friedensmahnzeichen zu erhalten“1 und wissenschaftliche Arbeiten zu fördern, liegt die Vermarktung des Herman in New Ulm in der Hand kleinstädtischer Geschichts- und Denkmalsvereine, die, losgelöst von wissenschaftlichen Interessen, ihr lokales Kleinod zu erhalten und vermarkten suchen. Solche Formen einer unreflektierten Geschichtskultur gibt es wohl nicht nur in den USA.

Werden Denkmäler, die nun einmal noch in der Welt herumstehen, und an denen man zu gegebener Zeit Reden zu halten und Feiertage abzuhalten hat, weil sie mittlerweile wichtige Einnahmequellen für die touristische Erschließung strukturschwacher Regionen darstellen, nicht vielleicht in Form von Diskursanalysen zu wichtig genommen? Vergleicht man die Einträge der Besucher beider Denkmäler auf dem Internetportal Tripadvisor, fallen eher die Gemeinsamkeiten als die Unterschiede beider Denkmäler in der heutigen Gesellschaft ins Auge: monumentale Architektur, schöne Aussichten auf die Landschaft, Wanderwege, Spiel- und Klettergerüste, Picknickplätze, Restaurants und Souvenirangebote sowie schließlich der erschwingliche Preis für einen halbtägigen Ausflug ins Grüne scheinen hier wie dort die wichtigsten Kriterien für einen Besuch des Denkmals zu sein. Dass man zusätzlich noch etwas Kultur – in Form einer gratis zugänglichen kleinen Ausstellung – geboten bekommt, nimmt man dann offenbar noch gerne mit.

Da es sich um eine insgesamt gute Magisterarbeit handelt, soll von weitergehenden Kritikpunkten abgesehen werden. Allerdings fallen erstaunliche Mängel in der Literaturliste auf. Kaum eine der vielen in den letzten Jahren erschienenen theoretischen und empirischen Arbeiten der Denkmalsforschung ist zur Kenntnis genommen worden, und es fehlen sogar zentrale Arbeiten zur Geschichte und Erinnerungskultur des Hermannsdenkmals in Detmold, obwohl dieses als Vergleichsobjekt herangezogen wurde. Außerdem hätte man sich eine gründlichere Korrektur durch die Herausgeber der Reihe gewünscht. Die These, dass es den deutschen Botschaftern bei ihrem Besuch am Herman Monument in der der zweiten Hälfte der 1920er-Jahre darum ging, „dem Deutschen Kaiserreich weltpolitisch wieder zur Geltung zu verhelfen“ (S. 53), hätte spätestens ein informierter Lektor korrigieren müssen.

Anmerkung:
1 Der Stiftungszweck nachlesbar auf <http://www.kulturserver-nrw.de/-/institution/detail/37080> [28.10.2014].

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