L. Möller u.a.: Einführung in das Studium der Kirchengeschichte

Cover
Titel
Einführung in das Studium der Kirchengeschichte.


Autor(en)
Möller, Lenelotte; Ammerich, Hans
Reihe
Einführung Theologie
Erschienen
Anzahl Seiten
160 S.
Preis
€ 17,95
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Dr. Florian Bock, Katholisch-Theologische Fakultät, Eberhard Karls Universität Tübingen

Lenelotte Möllers und Hans Ammerichs „Einführung in das Studium der Kirchengeschichte“ hat einen hohen Anspruch. Auf 160 Seiten, die die Wissenschaftliche Buchgesellschaft (WBG) mehr oder weniger verbindlich für ihre Einführungsbände vorgibt, arbeitet das rheinland-pfälzische Autorenduo „die Grundfragen auf, die sich mit dem Studium der Kirchengeschichte verbinden“ (Einband). Neben Themen und Epochen von der Antike bis in die Neueste Zeit legt der Band einen Fokus auf die Methodik sowie die didaktische Umsetzung eines der Zentralgebiete des theologischen, religionswissenschaftlichen und, im Übrigen, immer stärker auch des geschichtswissenschaftlichen Studiums: Möller und Ammerich verfolgen das Anliegen, auf jeweils wenigen Seiten über den Umgang mit Quellen und Kirchengeschichte zu informieren. Das Buchkonzept ist dabei konsequent ökumenisch angelegt. Möller ist protestantische Theologin und Gymnasiallehrerin für die Fächer Latein, Geschichte und evangelische Religionslehre; Ammerich hat katholische Theologie, Germanistik und Geschichte studiert und war Direktor des Speyrer Bistumsarchivs.

Auswahl und Darbietung des Stoffs sind auf Oberstufenschüler, Studierende des Lehramts und Referendare, Pastoralreferenten sowie Priesteramtskandidaten ausgerichtet. „Ihre Zugangsweisen zu Themen, ihre Bedürfnisse als Benutzer von Archiven, Bibliotheken und musealen Sammlungen sowie ihre Fähigkeiten sind es, nach denen sich die vorgelegten Informationen und Ratschläge richten“ (S. 7). So gliedert sich das Buch nach der obligatorischen Einleitung in II. Gegenstand der Kirchengeschichte (Kirchengeschichte als Disziplin zwischen Theologie und Geschichtswissenschaft), III. Periodisierung, IV. Schlaglichter der Kirchengeschichte (Antike, Mittelalter...), V. Aspekte der Kirchengeschichte (Personen-, Dogmengeschichte etc.), VI. Methoden kirchengeschichtlichen Arbeitens (Umgang mit Quellen) und schließlich VII. Kirchengeschichte im Unterricht. Ausgewählte Hilfsmittel (VIII.), ein Überblick über Kirchengeschichte im Internet (IX.) und eine Zeittafel (X.) runden das Buch ab.

Die aus der Gliederung ersichtliche Quadratur des Kreises ist kaum zu schaffen. Das übergeordnete Problem des Bands ist für Einführungsbände und Überblicksdarstellungen charakteristisch: Tiefergehende Theoriefragen, neuere Forschungsdiskussionen oder eine Reflektion der Stoffauswahl müssen durch die starren Verlagsvorgaben beiseite gelassen werden, stattdessen gilt das Prinzip „von allem ein bisschen“. Dargestellt werden scheinbar kanonisierte Daten, Fakten, Personen und Ereignisse. Dadurch entsteht zum einen ein latenter Eurozentrismus, dem man insbesondere der Abhandlung zur Neuesten Kirchengeschichte anmerkt. Zum anderen fehlt eine durchgehende Genderperspektive: Wurde Kirchengeschichte wirklich nur von ‚großen Männern‘ gemacht?

Wenn nach der Einleitung des Buchs zunächst der Gegenstand des Fachs thematisiert wird (S. 10–23), ist dies sehr zu begrüßen: Was ist Kirchengeschichte eigentlich? In enger Anlehnung an Christoph Markschies wird Kirchengeschichte als „Geschichte des Christentums“ definiert, gleichzeitig aber ein universeller heilsgeschichtlicher Ansatz zurückgewiesen, „die Geschichte der Welt von ihren Anfängen an aus christlicher Perspektive darzustellen“ (S. 10). Wünschenswert, aber in einer solchen Einführung wahrscheinlich kaum zu leisten, wäre eine Historisierung beider Auffassungen gewesen. So ist etwa die „Geschichte des Christentums“, auch verstanden als „Geschichte des geglaubten Gottes“ (Andreas Holzem), stark durch den Cultural Turn geprägt, der spätestens seit den 1990er-Jahren die Geisteswissenschaften prägt. Positiv hervorzuheben sind Elemente des dritten Kapitels, das sich der Periodisierung von Kirchengeschichte widmet. Hier machen Möller und Ammerich alternative Vorschläge zur Grenzziehung zwischen Antike, Mittelalter und Neuzeit und begründen diese Auswahl stichwortartig. So sehen sie den Beginn der Neuzeit unter anderem in der Veröffentlichung von Luthers Thesen im Jahr 1517, mit der die Einheit der westlichen Kirche endete (S. 26). Über diese Position mag man streiten können – der zu rezensierende Einführungsband aber schafft es hier, für einen problemgeschichtlichen Zugriff auf Perioden und Epochen zu sensibilisieren.

Dass beide Autoren sich in der Mittleren und Neueren Kirchengeschichte verorten, spiegeln die „Schlaglichter der Kirchengeschichte“ wider: Während dem Lehrgebiet der Alten Kirchengeschichte und Patristik lediglich 16 Seiten gewidmet werden (S. 27–43), erhält die Kirchengeschichte des Mittelalters und der Neuzeit mit 39 Seiten (S. 43–82) deutlich mehr Gewicht. Insbesondere die Stellung beider Kirchen im Nationalsozialismus und der SBZ/DDR wird dabei beschrieben. Eine Begründung für diese ausführliche Behandlung der Zeitgeschichte fehlt. Resultiert die sicherlich vertretbare Entscheidung aus einem Blick auf die Lehrpläne an weiterführenden Schulen?

Wenn im fünften Kapitel die Art, Geschichte zu erzählen, zum Thema gemacht wird, liegt ein Ungleichgewicht vor: Neben der nach wie vor prominenten Personengeschichte wird die Sozial-, nicht aber die Kulturgeschichte vorgestellt. Dafür aber finden sich Randgebiete heutiger Kirchengeschichtsschreibung aufgelistet – so die eher als marginal anzusehenden „Kirchenrechtsgeschichte“ (S. 89f.). Die im siebten Teil „Kirchengeschichte im Unterricht“ ausgewählten Aufgabenstellungen zur Reformation im deutschen Südwesten zeugen von der profunden Kenntnis der Autoren über diese Epoche, erschließen sich aber hinsichtlich ihrer Relevanz für Schüler beispielsweise in Nordrhein-Westfalen nicht. Darüber hinaus geht es bei jenen Aufgaben vor allem um textanalytische Kompetenzen der Jugendlichen. Eine Quelle etwa zu Pfalzgraf Georg, von 1513 bis 1529 Bischof von Speyer, soll argumentativ erschlossen und beurteilt werden (S. 122f.). Ein weiterführender, konstruktivistischer Umgang mit historischen Quellen, der z.B. auf die Entfaltung narrativer Kompetenzen ausgerichtet ist 1, wäre hier wünschenswert gewesen.

Möller und Ammerich scheinen an die Tradition der großen einführenden Darstellungen anknüpfen zu wollen, wie sie etwa der Freiburger Ordinarius August Franzen (1912–1972) vor Jahrzehnten mit seiner „Kleinen Kirchengeschichte“ vorlegte, die 2014 in die 26. Auflage ging und in mehrere Sprachen übersetzt wurde.2 Damit reihen sie sich in den Boom von ähnlich angelegten Einführungsdarstellungen der letzten Jahre ein, den die Bologna-Reform und die mit ihr verbundene Modularisierung der Studiengänge nach sich zog.3

Die Autoren sind sichtlich bemüht, 2.000 Jahre Kirchengeschichte zu vermitteln. Dieses ambitionierte Engagement verdient angesichts der vorgegebenen Kürze der Darstellung Respekt; für eine erste Orientierung leisten sie mit ihrer übersichtlich angelegten und klar gegliederten „Einführung in das Studium der Kirchengeschichte“ verdienstvolle Arbeit. Ob mit dem Buch jedoch tatsächlich Abschluss-Examina gemeistert werden können, wie es das Etikett „Bachelor/Master geprüft“ suggeriert, bleibt abzuwarten.

Anmerkungen:
1 Vgl. als nur ein Beispiel Gerhard Büttner u.a. (Hrsg.), Religion lernen. Band 2: Kirchengeschichte (= Jahrbuch für konstruktivistische Religionsdidaktik Bd. 2), Hannover 2011.
2 August Franzen, Kleine Kirchengeschichte, durchgesehen von Bruno Steimer, erweitert bis in die Gegenwart von Roland Fröhlich, Freiburg im Breisgau 2014.
3 Vgl. u.a. evangelischerseits Martin H. Jung, Kirchengeschichte (= UTB basics), Tübingen 2014, katholischerseits Manfred Eder, Kirchengeschichte. 2000 Jahre im Überblick, Ostfildern 2010.

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