Filmblatt 25 (2020/2021), 73/74

Titel der Ausgabe 
Filmblatt 25 (2020/2021), 73/74
Zeitschriftentitel 
Weiterer Titel 
Weimarer Kino/Deutsch-sowjetische Zusammenarbeit/ Geschichte CineGraph e.V.Kinemathek Oberrhein

Erschienen
Erscheint 
dreimal jährlich
ISBN
1433-2051
Anzahl Seiten
160 S.
Preis
16 €

 

Kontakt

Institution
Filmblatt
Land
Deutschland
c/o
CineGraph Babelsberg e.V., c/o Philipp Stiasny, Frankfurter Allee 22, 10247 Berlin
Von
Braun, Brigitte

Können wir 2021 wieder aufatmen? Wird es das Jahr, in dem wir das Virus besiegen und das Kino wieder in unser Leben einziehen darf? Es fehlt uns so sehr: als Fenster in die Welt, als Raumschiff, das uns zurückbringt in die Geschichte und voran in die Zukunft, als Ort des Zusammentreffens, des gemeinsamen Erlebens und Wunderns. „Wer das Kino hat, wird die Welt aushebeln“, prognostizierte Carlo Mierendorff vor hundert Jahren. Wenn es so kommt, wie wir es uns allen wünschen, ist das ein Grund zu großer Freude und zum Feiern.

Gründe fürs Feiern im Jahr 2021 sind auch das 30. Jubiläum unseres Vereins CineGraph Babelsberg und das 25-jährige Bestehen unserer Zeitschrift Filmblatt. Wir, die damals noch nicht dabei waren, schauen zurück – mit Hochachtung vor den Gründern und Initiatoren. Der erste Teil des Vereinsnamens deutet hin auf den Hamburger Verein CineGraph, der bei der Gründung Pate stand; der zweite Teil unterstreicht, dass sich dieser Verein zwar nicht nur, aber doch besonders für ein Erbe zuständig fühlt, dass mit dem Ort Babelsberg verbunden ist. In Babelsberg vor den Toren Berlins entstand ab 1911/12 das erste Studiogelände der Welt, das zunächst von der Deutschen Bioskop und später von der Ufa und der DEFA betrieben wurde. Als 1992 die DEFA aufgelöst wurde und viele ihrer Angestellten einer ungewissen Zukunft entgegensahen, setzte die Vereinsgründung im Büro des Szenografen Alfred Hirschmeier ein Zeichen: Das Fachwissen der DEFA-Mitarbeiterinnen und -mitarbeiter sollte nicht verloren gehen, es sollte bewahrt und gepflegt werden. Das Erbe der DEFA lebendig zu halten und zu erforschen, ist denn auch bis heute ein wichtiger Teil der Vereinsarbeit.

Zu den ersten Aktivitäten von CineGraph Babelsberg gehörte es, 1992 eine neue Veranstaltungsreihe im frisch eröffneten Zeughauskino im Deutschen Historischen Museum ins Leben zu rufen. Es gibt sie bis heute: die monatliche Reihe „Wiederentdeckt“. Was aber wurde damals auf der Kinoleinwand „wiederentdeckt“ – und sei es nur für einen Abend? Wie ein Blick in alte Aktenordner beweist, betätigte sich die erste Generation des Vereins weniger als Archäologen der DEFA-Geschichte als des Weimarer Kinos. Nach mehr als einem halben Jahrhundert des Vergessens und der Unsichtbarkeit wurden mit unstillbarer Lust und Neugierde die „Mittelfilme“ aus den Kellern des Bundesarchivs – dem treuen Kooperationspartner seit der ersten Stunde – hervorgeholt: Komödien, Krimis, Abenteuerfilme und Melodramen der 1920er und frühen 1930er Jahre. Nicht den Klassikern mit Gütesiegel, sondern dem Genrekino galt die größte Aufmerksamkeit. Dieses Genrekino, das mit seiner Qualität und Masse überhaupt erst die materielle und finanzielle Basis für filmkünstlerische Experimente und Innovationen schuf, war dabei von Anfang an international ausgerichtet. Wenn auch damals der Begriff des Transnationalen noch ungebräuchlich war, so vollzogen doch schon die ersten „Wiederentdeckt“-Programme eine Bewegung von der Vorstellung einer primär national ausgerichteten Kinematographie hin zu einem Kino der vielen Vaterländer und Muttersprachen. Das erste Programm war dem Ufa-Kulturfilm Milak, der Grönlandjäger (1927) gewidmet, bei dem Bernhard Villinger aus dem Umkreis von Arnold Fanck und der Exilrusse Georgij Azagarov Regie führten. Zu sehen war die Begegnung mit Ureinwohnern der Arktis, eingebunden in eine Reise ins ewige Eis, in eine Landschaft von fast irrealer Schönheit. Diesem Auftakt folgten bislang 290 weitere Expeditionen in der Reihe „Wiederentdeckt“ und 225 in der 1997 eingeführten Reihe „FilmDokument“ zum nichtfiktionalen Filmerbe. Zu Filmen des Weimarer Kinos kamen später Werke des frühen Kinos vor 1918 und nach und nach Filme der DEFA, NS-Filme, Exilfilme und westdeutsche Produktionen, schließlich sogar einige Filme aus der Nachwendezeit. Die Ideen gehen nicht aus.

Von Anfang an waren die Filmvorführungen gerahmt von Einführungsvorträgen; dazu gab es Informationspapiere mit historischen Rezensionen und anderen Quellen zur Entstehung und Rezeption des Films. Seit 1996 ist die Dokumentation dieser Einführungsvorträge und der damit verknüpften Forschungen die vornehmste Aufgabe des Filmblatts. Aus einem Mitteilungsblatt des Vereins entwickelte sich eine Fachzeitschrift – die Einzige, die sich ganz dem deutschsprachigen Filmerbe verschrieben hat. 2002 erschien die erste Ausgabe der Filmblatt-Schriften, einer Reihe mit monografischen Studien. 2021 kommt der elfte Band heraus. Was verbinden Sie, liebe Leserinnen und Leser, mit unserem Verein? Welche Bedeutung hat für Sie das Filmblatt? Schreiben Sie uns! (mehr dazu auf S. 122)

Das vorliegende Filmblatt knüpft mit seinem Themenschwerpunkt zum Weimarer Kino an frühere Arbeiten aus dem Verein an und interessiert sich dabei einmal mehr besonders für die inter- und transnationalen Verbindungen. Das gilt für Personen und Länder, Stoffe, Genres und Produktionsweisen. Eleanor Halsall zeichnet die Wege indischer Filmstudenten und Filmschaffender nach, die in den 1920er Jahren zur Ausbildung und zur Planung gemeinsamer Projekte nach Deutschland kamen. Mit Jeanpaul Goergen, der 15 Jahre lang verantwortlicher Redakteur des Filmblatts war und die Zeitschrift stark geprägt hat, erkunden wir deutsche Reisefilme in den Mittleren Osten, mit Adelheid Heftberger eine der frühesten deutsch-sowjetischen Koproduktionen und mit Philipp Stiasny die Antworten der Ufa auf die Welle der „Russenfilme“. Anjeana K. Hans stellt Willi Wolffs Operettenadaption Der Juxbaron (1927) vor, einen Ellen Richter-Film für die Parufamet, das deutsch-amerikanische Verleihunternehmer von Paramount, MGM und Ufa. Ins Paris der Bohème führt uns schließlich Heike Klapdor in ihrem Aufsatz über den Lilian Harvey-Film Adieu, Mascotte (1929). Dazu kommen kürzere Berichte, Reviews und Besprechungen, die vom Brückenbauer Paul Leni und seinen deutschen und amerikanischen Stummfilmen bis in die Gegenwart zur Berliner Schule reichen. Beim Lesen viel Vergnügen!

Die Redaktion, 1. Januar 2021

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

Editorial [1]
Eleanor Halsall: Kosmopoliten, Nationalisten, Visionäre. Indische Filmstudenten und Filmschaffende im Deutschland der Weimarer Republik [5]

Jeanpaul Goergen: Abenteuer Morgenland. Deutsche Reisefilme der 1920er Jahre nach Persien und in den Irak [19]

Anjeana K. Hans: Das Kleine und Halbe. Die Ellen Richter-Film, die Ufa und Willi Wolffs Operettenadaption Der Juxbaron (1927) [35]

Philipp Stiasny: Böse Bolschewisten, edle Emigranten. Die Ufa, der „Russenfilm“ und Die geheime Macht (1928) [51]

Adelheid Heftberger: Politischer Wissenschaftskrimi und genetischer Aufklärungsfilm. Die deutsch-sowjetische Koproduktion Salamandra (1928) [67]

Heike Klapdor: Spiel-Räume. Adieu, Mascotte (1929) mit Lilian Harvey [81]

Aus Forschung und Vermittlung

Kay Hoffmann: Über den Rhein hinweg. Die Kinemathek Oberrhein als [93]

Review

Eileen Rositzka: Transnationale Welle und klassisches Kino. Zum Curriculum der Berliner Schule [100]

Filmeditionen

Neuerscheinungen zu Paul Leni. Das Wachsfigurenkabinett (D 1924). Bluray + DVD. Fridolfing: absolut MEDIEN 2020 / The Cat and the Canary (USA 1927). DVD. Paris: Lobster Films 2019 / The Man Who Laughs (USA 1928). Blu-ray + DVD. Los Angeles: Flicker Alley 2019 und London: Eureka! Entertainment 2020 / The Last Warning (USA 1928/29). Blu-ray + DVD. Los Angeles: Flicker Alley 2019 (Olaf Brill) [109]

Joris Ivens. DEFA-Dokumentarfilme. 2 DVDs. Berlin: ICESTORM Entertainment GmbH 2018 / Günter Jordan: Unbekannter Ivens. Triumph, Verdammnis, Auferstehung. Joris Ivens bei der DEFA und in der DDR 1948–1989. Berlin: DEFA-Stiftung 2018 (Anett Werner-Burgmann) [116]

Spielbank-Affäre / Parkplatz zur grossen Sehnsucht (DDR/Schweden
1957, R: Artur Pohl). 2 DVDs. Walluf: Fernsehjuwelen GmbH 2016 (Annette Dorgerloh) [120]

Buchrezensionen
Michael Wedel: Pictorial Affects, Senses of Rupture. On the Poetics and Culture of Popular German Cinema, 1910-1930. Berlin, Boston: De Gruyter 2019 (Joel Westerdale) [123]

Sabine Schwientek: Dämon der Leinwand. Conrad Veidt und der deutsche Film 1894–1945. Marburg: Schüren Verlag 2019 (Jürgen Kasten) [126]

Rolf Giesen: The Nosferatu Story. The Seminal Horror Film, Its Predecessors and Its Enduring Legacy. Jefferson: McFarland 2019 (Michael Wedel) [128]

Ruth Barton, Simon Trezise (Hg.): Music and Sound in Silent Film. From the Nickelodeon to The Artist. London, New York: Routledge 2019 (Eunice Martins) [131]

Charles O’Brien: Movies, Songs, and Electric Sounds. Transatlantic Trends. Bloomington: Indiana University Press 2019 (Michael Wedel) [133]

Anke Woschech: Ingenieure auf der Leinwand. Technische Visionen und Ordnungsvorstellungen im deutschen Zukunftsfilm der 1930er Jahre. Berlin u. a.: Peter Lang 2019 / Erhard Schütz: Mediendiktatur Nationalsozialismus. Heidelberg: Universitätsverlag Winter 2019 (Annika Haupts) [136]

Rolf Aurich: Die Degeto und der Staat. Kulturfilm und Fernsehen zwischen Weimar und Bonn. München: edition text + kritik 2018 ( Jan Uelzmann) [139]

Christina Gerhardt, Marco Abel (Hg.): Celluloid Revolt. German Screen Cultures and the Long 1968. Rochester: Camden House 2019 / Hermann Kappelhoff, Christine Lötscher, Daniel Illger (Hg.): Filmische Seitenblicke. Cinepoetische Exkursionen ins Kino von 1968. Berlin, Boston: De Gruyter 2018 (Stephan Ahrens) [142]

Anna Luise Kiss: Topografie des Laiendarsteller-Diskurses. Zur Konstruktion von Laiendarstellerinnen und Laiendarstellern im Kinospielfilm. Wiesbaden: Springer VS 2019 (Tobias Hochscherf) [145]

Ulrike Häußer: Golzow Forever. Eine Untersuchung der Langzeitdokumentation Die Kinder von Golzow. Berlin: Panama Verlag 2018 (Anna Luise Kiss) [147]

Angelika Friederici: Castan’s Panopticum. Ein Medium wird besichtigt. Monografie in 35 Themenheften inklusive Registerheft. Berlin: Verlag Karl-Robert Schütze 2020 (Martin Loiperdinger) [151]

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dieser Ausgabe [154]

Impressum [157]

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