Osteuropa 53 (2003), 2-3

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Osteuropa 53 (2003), 2-3
Zeitschriftentitel 
Weiterer Titel 
Die Zukunft Kaliningrads - Konfliktschichten und Kooperationsfelder

Erschienen
Stuttgart 2003: Deutsche Verlags-Anstalt
Erscheint 
Erscheinungsweise: monatlich.
Anzahl Seiten
287 Seiten
Preis
€ 15

 

Kontakt

Institution
Osteuropa
Land
Deutschland
c/o
Redaktion „Osteuropa“ Dr. Manfred Sapper, Dr. Volker Weichsel, Dr. Andrea Huterer, Olga Radetzkaja, Margrit Breuer Schaperstraße 30 10719 Berlin Tel. 030/30 10 45 - 81 / 82 Fax 030/21 47 84 14 E-mail: osteuropa@dgo-online.org
Von
David Rupp

Inhaltsverzeichnis

Inhaltsverzeichnis:

Editorial
Zu neuen Ufern, S. 157.

Kaliningrader Ansichten

Tomas Venclova
Über den „Königsberg-Text“ der russischen Literatur und die Königsberg-Gedichte von Iosif Brodskij, S. 159.

Wulf D. Wagner
Was tun? Eile mit Weile. Zum Umgang mit dem Königsberger Schloß, S. 178.

Philipp Adlung
Graben nach der eigenen Identität. Internationale Kooperation auf kulturellem Terrain, S. 193.

Volker Weichsel
Wessen Erde ist Kaliningrad? In Sachen Sacharov gegen Čekin, S. 201.

Dokumentation: Andrej Sacharov: Rjurik und das Schicksal der rußländischen Staatlichkeit, S. 202.

Leonid S. Čekin
Rjurikgrad? Ein Kommentar zu Andrej Sacharov, S. 206.

Lutz Oberdörfer
Konfliktlinien in Ostpreußen am Ende des Ersten Weltkriegs, S. 213.

Alvydas Nikžentaitis
Historische Tradition und Politik. Die Sowjetrepublik Litauen und das Kaliningrader Gebiet, S. 229.

Dokumentation: Sowjetlitauische Eingliederungspläne für Kaliningrad, S. 235.

Manfred Sapper
Ein Diener seines Herrn. Die zweifelhaften Verdienste von Michail Kalinin, S. 244.

Kooperationsfelder von heute und morgen

Guido Müntel
Kaliningrads Weg aus der Isolation? Eine Analyse des Transit-Kompromisses zwischen der EU und Rußland, S. 249.

Dokumentation: Der Transitkompromiß, S. 262.

Arkadij Mošes
Pilotregion oder doppelte Peripherie?
Ein Kommentar zu Guido Müntel, S. 265.

Ingmar Oldberg
Kaliningrad in der Sicherheits- und Militärpolitik Rußlands, S. 270.

Lutz Mez, Michael Krug
Aktuelle Probleme der Stromversorgung Kaliningrads, S. 287.

Bernd-Uwe Zöllter
Der Ausbau der logistischen Infrastruktur des Gebietes Kaliningrad. Möglichkeiten für eine internationale Kooperation, S. 304.

Pavel Malyšev
Quell des Lebens? Trinkwasserversorgung oder Schmutzwasserversorgung in Kaliningrad? S. 320.

Pranas Baltrėnas
Umweltkooperation zwischen Litauen und dem Kaliningrader Gebiet, S. 329.

Elke Knappe
Eine schwierige Zukunft. Landwirtschaft und ländlicher Raum im Gebiet Kaliningrad, S. 336.

Stephan Stein
Aufstieg, Fall und Neuanfang. Zehn Jahre Sonderwirtschaftszone Kaliningrad, S. 353.

Johanna Mischke
Arbeit unter schwierigen Bedingungen. Deutsche Unternehmen in der Enklave Kaliningrad, S. 368.

Hanne-Margret Birckenbach, Christian Wellmann
Kaliningrad im Brennpunkt. Empfehlungen der Kieler internationalen ad-hoc Expertengruppe zu Kaliningrad, S. 376.

Solomon Ginzburg
Die Interessen der Kaliningrader sind die Interessen Rußlands, S. 387.

Susanne Nies
Ach, Kaliningrad! Eine ungewöhnlich gewöhnliche Enklave, S. 394.

Bert Hoppe
Zwischen deutscher Geschichte und postsowjetischer Zukunft. Ein Literaturbericht zu Königsberg/Kaliningrad, S. 410.

OSTEUROPA-Mitteilungen 1/2003: Schwerpunkt Kaliningrad, S. 423.

Margrit Breuer
Zum Tod von Wolfgang Kasack, S. 427.

Eingesandte Bücher, S. 428.

Bibliographie, S. 429.

Konkordanz der Städtenamen in Ostpreußen und im Gebiet Kaliningrad, S. 441.

Abstracts

Tomas Venclova
Über den „Königsberg-Text“ der russischen Literatur und die Königsberg-Gedichte von Iosif Brodskij.
Wie vom Moskau- oder Petersburg-Topos könnte man auch von einem Königsberg/Kaliningrad-Topos in der russischen Literatur sprechen. Königsberg gilt seit Andrej Bolotov und Nikolaj Karamzin als Ort der Initiation. Hier traf der russische Reisende zum ersten Male auf Europa und die westliche Lebensweise und hier verabschiedete er sich von ihr auf seiner Rückreise. Diesen Königsberg-Text greifen drei Gedichte von Iosif Broskij auf. Mit der Spiegelung des zerstörten Königsberg und dem sowjetischen Kaliningrad in diesen Gedichten setzt sich der bekannteste litauische Gegenwartslyriker, Tomas Venclova, auseinander.

Wulf D. Wagner
Was tun? Eile mit Weile. Zum Umgang mit dem Königsberger Schloß.
Kaum eine Region Europas befindet sich in einer so verheerenden sozioökonomischen und kulturellen Lage wie das Gebiet Kaliningrad, das nördliche Ostpreußen. Dennoch wird vor Ort über den Wiederaufbau des Königsberger Schlosses nachgedacht. Ist dies eine vorrangige Aufgabe? Der Beitrag analysiert die Frage, inwiefern der Bezug auf die Geschichte und ihre Verbildlichung in wesentlichen Bauten dem Gebiet Kaliningrad eine Identität zu geben vermag. Er plädiert dafür, das wertvolle historische, landschaftliche und baugeschichtliche Erbe zu entdecken und daran beim Wiederaufbau anzuknüpfen, ohne allerdings das Schloß in den Mittelpunkt der Bemühungen zu stellen.

Philipp Adlung
Graben nach der eigenen Identität. Internationale Kooperation auf kulturellem Terrain.
Im Kaliningrader Gebiet leben Russen heute in der dritten und bald vierten Generation. Von den Schwierigkeiten, in dieser in den Jahrhunderten zuvor von Polen, Deutschen und Balten gleichermaßen geistig und kulturell geprägten Gegend eine eigene Identität zu finden, handelt dieser Beitrag.

Volker Weichsel
Wessen Erde ist Kaliningrad? In Sachen Sacharov gegen Čekin.
Weit verbreitet ist in Rußland die Angst, Kaliningrad könnte verloren gehen. Mit dem schleichenden Legitimationsverlust der auf dem Sieg über Hitler-Deutschland und den militärischen Kräfteverhältnissen nach dem Zweiten Weltkrieg beruhenden Ordnung nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion geht daher eine intensivierte Suche nach anderen Legitimationsmuster für diese Ordnung einher. Dabei muß wieder einmal das Erstbesiedelungsrecht herhalten, diesmal allerdings auf rußländischer Seite. Statt aus grauen Vorzeiten staatliche Ansprüche abzuleiten und den alten unlösbaren, weil mit falschen Fragen arbeitenden Streit um die Herkunft Rjuriks wieder zu reaktivieren sollte über die zukünftige Stellung der Enklave in Europa gesprochen und den Bürgern Kaliningrads dabei ein gewichtiges Wort eingeräumt werden.

Andrej Sacharov
Rjurik und das Schicksal der rußländischen Staatlichkeit. Dokumentation.

Leonid S. Čekin
Rjurikgrad? Ein Kommentar zu Andrej Sacharov.
Andrej Sacharov versucht in seiner von offizieller Seite geförderten Darstellung der Entstehung Rußlands einen nationalen Mythos aufzubauen. Sacharovs anti-normannischer, d.h. anti-westlicher Eifer kulminiert in der neuen Behauptung, daß Fürst Rjurik, der Gründer der russischen Dynastie der Rjurikiden, ein Slawe aus der Gegend von Kaliningrad gewesen sei. Der phantastische „Rjurik aus Kaliningrad“ kann auf mißinterpretierte Aussagen des Archäologen Vladimir Kulakov zurückgeführt werden. In Sacharovs ethnozentrischem Konstrukt wird Kaliningrad zur geheiligten Heimaterde der Russen. Sacharovs Auseinandersetzung mit seinen „normannistischen“ Kollegen gewinnt damit unmittelbare Relevanz für den neuen rußländischen Staat.

Lutz Oberdörfer
Konfliktlinien in Ostpreußen am Ende des Ersten Weltkriegs.
Der Zusammenbruch des Russischen und des Deutschen Reichs rief nach dem Ende des Ersten Weltkriegs Neuordnungswünsche hervor, in deren Fokus auch die Region Ostpreußen geriet. Hier kollidierten polnische, litauische und deutsche Ambitionen. Konkurrierende Interessen, fehlende Kräfte, die unzureichende Bereitschaft der Siegermächte, bindende Verpflichtungen zu übernehmen sowie Rußlands unklare Perspektive begünstigten eine instabile Nachkriegslage zwischen 1919 und 1924.

Alvydas Nikžentaitis
Historische Tradition und Politik. Die Sowjetrepublik Litauen und das Kaliningrader Gebiet.
Das heutige Territorium Kaliningrads umfaßt ein Gebiet, das in Litauen seit jeher als Teil wenn nicht als Wiege Litauens betrachtet wird. Die Vorstellung, dieses Land sei ein integraler Bestandteil Großlitauens, geht auf die Zeit der ersten litauischen Staatsbildung unter dem Großfürsten Litauens Algirdas Mitte des 14. Jahrhunderts zurück. Noch Anfang der 1990er Jahre löste der von dem Botschafter Litauens in den USA erhobene Anspruch auf das Gebiet internationale Besorgnis aus. Wie jüngst aufgefundene Dokumente zeigen, waren solche Ziele jedoch auch den leitenden Funktionären der Litauischen SSR nicht fremd. Wenn diese Ziele auch nicht realisiert wurden, so zeigen die beigefügten, erstmals auf deutsch veröffentlichten Dokumente doch, daß nicht nur die Staaten der äußeren Peripherie der Sowjetunion, sondern auch zumindest einige Sowjetrepubliken nationalkommunistische Politik betrieben.

Sowjetlitauische Eingliederungspläne für Kaliningrad: Dokumentation.

Manfred Sapper
Ein Diener seines Herrn. Die zweifelhaften Verdienste von Michail Kalinin.
Seit 1946 ist Michail Kalinin Namenspatron der Stadt Königsberg und des nördlichen Ostpreußens. An ihm ist die Aufarbeitung der Vergangenheit in Rußland, die zum Sturz von Denkmälern und zur Rückkehr zu den historischen Städtenamen führte, spurlos vorüber gegangen. Er ist damit Bestandteil der rußländischen Erinnerungskultur. Das ist insofern erstaunlich, als Kalinin ein treuer Gefolgsmann Stalins war, der sich fragwürdige Verdienste erwarb.

Guido Müntel
Kaliningrads Weg aus der Isolation? Eine Analyse des Transitkompromisses zwischen der EU und Rußland.
Der aus der EU-Osterweiterung resultierende Konflikt zwischen dem Interesse Rußlands und der Region Kaliningrad, den problemlosen Transit zwischen Kernland und Enklave durch Litauen aufrecht zu erhalten und dem Streben der EU nach Sicherheit an den künftigen Außengrenzen konnte rechtzeitig vor dem Inkrafttreten des Schengen-Regimes in Polen und Litauen entschärft werden. Der im November 2002 von Rußland und der EU beschlossene Kompromiß ist die momentan beste Möglichkeit, die Folgen der Osterweiterung für den Kaliningrad-Transit zu minimieren. Erst ein Entgegenkommen in Brüssel ermöglichte diese Lösung. Sie kam nicht zustande, weil die EU vor Rußland eingeknickt wäre. Vielmehr hat sich in der EU das Problemverständnis im Fall Kaliningrad gewandelt und ist die Notwendigkeit einer institutionalisierten Zusammenarbeit der beiden Partner erkannt worden. Die „Kaliningrad-Frage“ hat sich somit als erfolgreicher Qualitätstest für die Beziehungen zwischen Rußland und der EU erwiesen.

Der Transitkompromiß zwischen der EU und Rußland: Dokumentation.

Arkadij Mošes
Pilotregion oder doppelte Peripherie? Ein Kommentar zu Guido Müntel.
Der Transitkompromiß zwischen der EU und Rußland ist in vielerlei Hinsicht positiv zu bewerten. Er verspricht eine tragbare Lösung, die insbesondere auch die Bürger Kaliningrads in angemessener Weise berücksichtigt. Und doch ist der Blick auf die Transitfrage eng, viel zu eng. Der gelobte Kompromiß droht andere, viel wichtigere Fragen wie die sozioökonomische Situation in Kaliningrad in den Hintergrund zu drängen. Nach den Feiern in Brüssel und Moskau über die Einigung könnte sich Kaliningrad schon bald wieder für beide an der unbeachteten Peripherie befinden.

Ingmar Oldberg
Kaliningrad in der Sicherheits- und Militärpolitik Rußlands.
Während des Ost-West-Konflikts war das Gebiet Kaliningrad militärisches Sperrgebiet und eine der militarisiertesten Regionen der UdSSR. Heute hat sich die militärische Funktion des Gebietes erheblich verändert. Der Beitrag analysiert den Wandel und untersucht, welche sicherheitspolitischen Folgen die Erweiterung der NATO und der EU für Kaliningrad hat. Der Befund mag manche überraschen. In der Ostseeregion findet die Zusammenarbeit zwischen NATO-Staaten und Rußland bereits statt. Kaliningrad hat das Potential, von einer Kriegstrophäe zu einem archimedischen Punkt gesamteuropäischer Kooperation zu werden.

Michael Krug, Lutz Mez
Aktuelle Probleme der Stromversorgung Kaliningrads.
Die Stromversorgung im Gebiet Kaliningrad basiert zu 95 Prozent auf Importen aus Rußland und Litauen. Mit dem EU-Beitritt Litauens und Polens ergeben sich für Kaliningrad zusätzliche Herausforderungen: Litauen hat die Stillegung seines Atomkraftwerkes Ignalina zugesichert, das eine wichtige Versorgungsfunktion für die gesamte Region einschließlich Kaliningrad übernimmt. Ferner planen die baltischen Staaten die Bildung eines gemeinsamen Strommarktes, wobei die Option einer Loslösung vom elektrischen Verbundsystem Rußlands IPS/UPS und ein synchroner Parallelbetrieb mit dem westeuropäischen Verbundsystem UCTE besteht. Dies hat Implikationen für die Stromversorgung Kaliningrads. Gegenwärtig diskutierte Problemlösungsstrategien konzentrieren sich auf den Bau eines leistungsstarken Heizkraftwerkes im Gebiet.

Bernd-Uwe Zöllter
Der Ausbau der logistischen Infrastruktur des Gebietes Kaliningrad. Möglichkeiten für eine internationale Kooperation.
Dem Transportsektor wird eine zentrale Rolle bei der Entwicklung des Gebietes Kaliningrad zugeschrieben. Rußland beabsichtigt, die Beziehungen zu anderen Regionen der Föderation auszubauen und die Vorteile der Enklavenlage des Gebietes im europäischen Wirtschaftsraum zu nutzen. Schlüsselfragen sind dabei die Modernisierung der Transportinfrastruktur, die Optimierung der Transporttarife und die Einbindung des Gebietes in die transeuropäischen Verkehrskorridore. Mit der Umsetzung des „Föderalen Zielprogramms zur Entwicklung des Kaliningrader Gebietes für den Zeitraum bis zum Jahre 2010“ sollen wichtige Voraussetzungen für die Erhöhung der Investitionsattraktivität des Gebietes geschaffen und die internationale Wettbewerbsfähigkeit des Gebietes verbessert werden.

Pavel Malyšev
Quell des Lebens? Trinkwasser- oder Schmutzwasserversorgung in Kaliningrad?
Die Stadt Kaliningrad bezieht ihr Trinkwasser zu großen Teilen aus dem Fluß Pregel. Dieser ist jedoch stark bakteriologisch verschmutzt und mit zum Teil hochtoxischen chemischen Substanzen belastet. Die existierenden Kläranlagen für die städtische Kanalisation sind veraltet und überlastet, so daß das Abwasser nahezu ungereinigt in den Pregel geleitet wird. Besonders gravierend ist die chemische Verunreinigung mit Dioxinen, die größtenteils auf das Konto einer örtlichen Zellulosefabrik gehen. Geld für neue Kläranlagen fehlt, die angespannte soziale Situation macht eine Stillegung des Zellulosewerks unpopulär. Hoffnung versprechen Projekte, die mit staatlicher Unterstützung aus dem föderalen Budget und internationalen Kreditgarantien eine Modernisierung der städtischen Kläranlagen und der Produktionsanlagen des Werkes beabsichtigen.

Pranas Baltrėnas, Saulius Vasarevičius, Agnė Kazlauskienė, Edita Baltrėnaitė
Umweltkooperation zwischen Litauen und dem Kaliningrader Gebiet.
Die gravierenden Umweltprobleme im Kaliningrader Gebiet können nur durch eine grenzüberschreitende Kooperation gelöst werden. Litauen ist als Nachbarstaat in vielen Fällen von der Verschmutzung des Wassers und der Luft ebenfalls betroffen und hat als angehendes Mitglied der Europäischen Union eine besondere Verantwortung übernommen. Zahlreiche Umweltschutzprogramme wurden in den vergangenen Jahren im Rahmen von EU-Projekten durchgeführt. Drei Euroregionen, die sich unter anderem dem Umweltschutz widmen, umfassen sowohl Litauen als auch das Kaliningrader Gebiet. Trotz einiger Abkommen und vielen Projekten wird allerdings gerade die bilaterale Kooperation zwischen Litauen und dem Gebiet dadurch behindert, daß die zentralistischen Verwaltungsstrukturen in Rußland eine effektive Problemlösung vor Ort verhindern. Die Moskauer Mühlen mahlen langsam und die Entscheidungen sind häufig von Interessen geprägt, die mit den lokalen Problemen wenig zu tun haben.

Elke Knappe
Eine schwierige Zukunft. Landwirtschaft und ländlicher Raum im Gebiet Kaliningrad.
Nachdem 1991 der Status eines militärischen Sperrgebietes aufgehoben worden war, bot sich Besuchern des Gebiets Kaliningrad ein Bild, das beträchtlich von den Vorstellungen abwich, die sich aus der Vorkriegszeit speisten. Die frühere Provinz Ostpreußen galt als Hochburg der Pferde- und Rinderzucht, als eine der am meisten von Landwirtschaft geprägten Regionen Deutschlands. Nun zeigten sich der ländliche Raum und die Landwirtschaft in einem schlechten Zustand, der erahnen ließ, daß der Übergang zur Marktwirtschaft einen dramatischen Rückgang der landwirtschaftlichen Produktion und große Probleme für die Landwirtschaftsbetriebe mit sich bringen würde. Über zehn Jahre nach dem Beginn der Reformen ist ein Aufschwung im ländlichen Raum kaum erkennbar. Es wächst die Gefahr, daß die Modernisierung der Landwirtschaft ohne Unterstützung durch die Verwaltung des Gebietes Kaliningrad und die Regierung in Moskau fehlschlägt. Damit stünde die Überlebensfähigkeit dieses Raumes in Frage.

Stephan Stein
Aufstieg, Fall und Neuanfang. Zehn Jahre Sonderwirtschaftszone Kaliningrad.
Euphorisch nannte man das Kaliningrader Gebiet „Hongkong an der Ostsee“, als 1993 die Freie Wirtschaftszone Jantar’ ausgerufen wurde. Dann kam die Enttäuschung. Die erhofften ausländischen und rußländischen Investitionen blieben weitgehend aus. Der Grund waren die Instabilität der rußländischen Wirtschaft und die lokale protektionistische Wirtschaftspolitik. Nach der Einigung zwischen der Europäischen Union und der Rußländischen Föderation über den Transitverkehr kommt neue Bewegung in die Sonderwirtschaftszone.

Johanna Mischke
Arbeit unter schwierigen Bedingungen. Deutsche Unternehmen in Kaliningrad.
Ausländische Unternehmen, die ein wirtschaftliches Engagement im Kaliningrader Gebiet anstreben, treffen in der rußländischen Exklave auf äußerst instabile Markt- und Investitionsbedingungen. Der Aufbau und die Führung einer Firma gestalten sich unter diesen Umständen sehr aufwendig und stellen ein hohes ökonomisches Risiko dar. Dennoch sind rund 250 ausländische Firmen, darunter 50 deutsche, im Kaliningrader Gebiet unter schwierigen rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen unternehmerisch tätig.

Hanne-Margret Birckenbach, Christian Wellmann
Kaliningrad im Brennpunkt. Empfehlungen der Kieler internationalen ad-hoc Expertengruppe zu Kaliningrad.
Das Problem Kaliningrad läßt sich als ein komplexes „Konfliktsyndrom“ beschreiben, zu dem so unterschiedliche innergesellschaftliche und zwischenstaatliche Faktoren wie Unsicherheiten über die langfristige territoriale Zugehörigkeit der Exklave, Probleme militärischer Sicherheit und der wirtschaftlichen sowie sozialen Entwicklung, Spannungen zwischen Zentrum und Region, menschen- und bürgerrechtliche Probleme, umstrittene Prozesse der Identitätsentwicklung, soft security-Risiken wie organisierte Kriminalität, AIDS oder Umweltgefährdungen, Kulturdifferenzen sowie Transit- und Visafragen beitragen. Die Lösung all dieser Probleme ist auf der politischen Ebene noch nicht einmal angedacht. Vielmehr herrscht von Untergangs-Optimismus verdeckte allgemeine Ratlosigkeit. Das policy-paper der Kieler Expertengruppe empfiehlt eine offene Debatte, an der alle Betroffenen Organisationen, Staaten, und internationalen Organisationen beteiligt sind. In einem stufenweisen Vorgehen sollen klare Politikziele formuliert und neue Institutionen geschaffen.

Susanne Nies
Ach, Kaliningrad! Eine ungewöhnlich gewöhnliche Enklave.
2002 sorgte das Thema Kaliningrad wie nie zuvor für Schlagzeilen. Kaum beachtet wurde dabei, daß Kaliningrad kein Einzelfall ist, sondern es weltweit über einhundert Enklaven gibt. Sie haben ähnliche Probleme: den Zugang, die politische Steuerung, die spezifischen Wirtschaftsbedingungen und eine vom Mutterland abweichende kulturelle Identität. Der vorliegende Beitrag versteht sich als Aufriß des systematisch kaum erforschten Phänomens der Enklaven und vergleicht Kaliningrad mit den Fällen Gibraltar und Nagorno-Karabach.

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