Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 54 (2006), 4

Titel der Ausgabe 
Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 54 (2006), 4
Weiterer Titel 

Erschienen
München 2006: Oldenbourg Verlag
Erscheint 
vierteljährlich
Preis
Jahresabo: 58 €, Stud.abo: 38 € Mitgl.abo. hist. u pol. Fachverbände: 52,80 €, Online-Zugang: 58 €

 

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Institution
Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte
Land
Deutschland
c/o
Redaktion Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte Institut für Zeitgeschichte, Leonrodstraße 46b, 80636 München, vfz@ifz-muenchen.de
Von
Jaroschka, Gabriele

Liebe Listenmitglieder,

soeben ist das neueste Heft der Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte erschienen.
Besonders aufmerksam machen möchten wir Sie auch auf den aktuellen Band der Schriftenreihe der Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte:

Henning Türk
Die Europapolitik der Großen Koalition 1966-1969.
2006. 255 S. Oldenbourg Verlag

Inhaltsverzeichnis

Aufsätze

Manfred Kittel/Horst Möller: Die Beneš-Dekrete und die Vertreibung der Deutschen im Europäischen Vergleich.

Weshalb sind deutschsprachige Volksgruppen am Ende des Zweiten Weltkrieges nur im östlichen Teil Europas kollektiv aus ihrer angestammten Heimat vertrieben worden? Und warum beschränkten sich die westlichen Staaten darauf, von Nordschleswig über das belgische Eupen-Malmedy bis nach Südtirol eine individuelle politische Säuberung gegen besonders belastete Kollaborateure des Dritten Reiches durchzuführen? Das unterschiedliche Ausmaß des Terrors nationalsozialistischer Besatzungspolitik im besetzten Ost- und Westeuropa, so die Argumentation der Verfasser, kann dabei nicht als entscheidender Grund angesehen werden. Vielmehr hätten sich in Ostmitteleuropa eine ganze Reihe von Faktoren zu einem Ursachenbündel der Vertreibung zusammengefügt: Ältere nationalistische Motivschichten in den erst 1918 (wieder) erstandenen bzw. neugegründeten und ihrer Existenz noch nicht sicheren Nationalstaaten, ein - im Vergleich zu Westeuropa - viel höherer Bevölkerungsanteil der deutschsprachigen Minderheiten und ihr - vermutetes - Gefahrenpotential sowie nicht zuletzt der Umstand, daß sich der Massenexodus der Deutschen so trefflich in das sozialrevolutionäre und geostrategische Kalkül Stalins für die Länder seines neuen Machtbereichs östlich des Eisernen Vorhangs fügte.

Manfred Kittel/Horst Möller: The Beneš decrees and the expulsion of the ethnic Germans seen from a European perspective.

Why is it that ethnic Germans were, at the end of World War II, collectively expelled from their traditional homelands only in the Eastern part of Europe? Why is it, on the other hand, that, from Northern Schleswig to Eupen-Malmedy in Belgium and to South Tyrol, the Western states confined themselves to carrying out a political purge against those individuals who were directly accused of collaboration with the National Socialists? The authors of this article argue that the different extent to which the population in Eastern Europe was terrorized under the National Socialist occupation, as opposed to the population in Western Europe, cannot be regarded as a decisive reason for the different policies regarding ethnic Germans after the war. It is of much greater importance that in Eastern Europe, a whole lot of factors interacted with each other and in this very combination caused the expulsion: Previous nationalist motives that had long layered up in the nation-states in question, which had only been (re)founded in 1918 and which were not yet very settled in their existence, a much higher percentage of German minorities compared Western Europe, the (assumed) potential threat these ethnic Germans constituted, and, last but not least, the fact that the mass exodus of the Germans fitted perfectly into Stalin's social revolutionary and geo-strategic plans for the countries of his new sphere of influence east of the Iron Curtain.

Fiammetta Balestracci: Die "zweite Bauernrätebewegung" im Deutschen Reich 1919-1920.

Nach der Revolution von 1918 wetteiferten landwirtschaftliche Interessensverbände sowie Arbeiter- und Soldatenräte um die Kontrolle der Räte, die sich in agrarisch geprägten Gebieten gebildet hatten. In einigen Regionen verstanden es die alten agrarischen Interessenverbände, diese Räte für die Stabilisierung ihrer eigenen organisatorischen Basis und für die Herstellung der Einheit aller agrarischer Interessen zu nutzen, die im Ersten Weltkrieg in Frage gestellt worden war. August von Davier, ein Großgrundbesitzer aus Sachsen-Anhalt, den wichtigsten landwirtschaftlichen Organisationen Preußens schlug 1919 vor, auf der Basis von neuen Räten eine eigene nationale Repräsentanz der Landwirtschaft zu schaffen. Alle bestehenden Verbände, von den Gewerkschaften bis zu den Arbeitergeberorganisationen waren daran zu beteiligen, das Übergewicht sollten aber die Bauern haben. Sie sollten - in klarer Frontstellung zu den industriellen Organisationen - die Interessen der Landwirtschaft im geplanten Reichswirtschaftsrat vertreten. Diese neuen Bauern- und Landarbeiterräte, die von Mitstreitern Daviers geleitet wurden, entstanden in mehreren preußischen Provinzen und arbeiteten mit der lokalen Verwaltung bei der Lebensmittelversorgung eng zusammen. Daviers Projekt wurde in der ländlichen Welt lange diskutiert und schließlich von den Großagrariern und von der Regierung abgelehnt. Die neuen Bauern- und Landarbeiterräte stellten nämlich sowohl die Führungsrolle der alten agrarischen Verbände als auch die Rechtsprechung des Staates über die Räte in Frage.

Fiammetta Balestracci: The second movement of farmers' councils in Germany, 1919/20.

After the revolution of 1918, agrarian interest groups as well as workers' and soldiers' councils competed for controlling the councils which had formed in rural regions. In some regions the old agrarian pressure groups succeeded in using these councils to stabilize their own organizational basis and to reach the unity of all agrarian interests, a unity that had been questioned during World War I. In 1919, August von Davier, a big landowner from Saxony-Anhalt, suggested to the most important agrarian organizations in Prussia that they should create their own national representation of agricultural interests on the basis of newly formed councils. All existing associations, including both workers' unions and employers' associations, were to be part of this project, but the main emphasis was to be on the representation of the farmers. The latter were to represent agrarian interests in a planned "national economic council" (the so called "Reichswirtschaftsrat"), leading a clear front against the industrial organizations. These new farmers' and agricultural workers' councils, which were headed by Davier's comrades-in-arms, were formed in several Prussian provinces, and they cooperated closely with the local authorities to organize the food supply there. Davier's project was long discussed in agricultural circles, but was finally rejected by the big landowners and the government, as the new farmers' and agricultural workers' councils questioned both the leading role of the old agrarian associations and the state's dispensation of justice regarding the councils.

Bernhard Dietz: Gab es eine "Konservative Revolution" in Großbritannien? Rechtsintellektuelle am Rande der Konservativen Partei 1929-1933.

Die Konservative Revolution galt lange Zeit als ein Begriff für ein spezifisch deutsches Phänomen der europäischen Geistesgeschichte. Daß jedoch Konservative Revolution als ideengeschichtliche Kategorie auch für die Erforschung der Zwischenkriegszeit in Großbritannien ein fruchtbarer Zugang sein kann, ist Ausgangspunkt des Aufsatzes. Es soll gezeigt werden, wie sich während und nach der Weltwirtschaftskrise in Großbritannien eine neue Form des rechts-intellektuellen Diskurses entwickelte, dessen Vertreter in Parlamentarismus und Parteiendemokratie ganz und gar nichts typisch Britisches mehr sehen wollten. Nach einem allgemeinen, den Forschungsstand reflektierenden Teil, soll anhand einiger weniger Beispiele in Ideologie und Geschichtsbild der britischen Neokonservativen eingeführt werden. Im dritten Teil wird das Konzept des "true conservatism" der English Review-Gruppe erläutert und im vierten Teil anhand eines historischen Beispiels wie diese Gruppe Intellektueller ihre Vorstellungen politisch umsetzen wollte. Der fünfte Teil faßt einige Ergebnisse zusammen und wagt den vergleichenden Blick zur Konservativen Revolution in Deutschland.

Bernhard Dietz: A "Conservative Revolution" in Britain? Right-wing intellectuals at the margin of the Conservative party between 1929 and 1933.

The "Conservative Revolution" has long been regarded as a particularly German phenomenon in European intellectual history. In this essay, the author argues that the interwar period in Britain can be regarded as a time of "Conservative Revolution", too. During and after the world economic crisis a new form of right-wing intellectual discourse developed whose advocates denied that parlamentarism and democracy were original British concepts. After an introductory part that looks at the extensive literature on the subject, the second part of the essay gives an introduction to the British neo-Conservatives' ideology and their interpretation of history. The third part is a case study that deals with the idea of "true conservatism" in the English Review Group, while the fourth part looks at how this group of intellectuals tried to translate their ideas into politics. The final part of the essay gives a summary and attempts to put the "Conservative Revolution" in Germany into a European frame.

Stephan Lehnstaedt: Das Reichsministerium des Innern unter Heinrich Himmler 1943-1945.

Der Aufsatz untersucht Personal und Personalpolitik im Reichsministerium des Innern in der Zeit von 1943 bis 1945. Unter dem an seinem Amt nicht interessierten Minister Heinrich Himmler wurde der Staatssekretär Wilhelm Stuckart zum faktischen Leiter des Ressorts. Himmlers Einfluss auf die Innenverwaltung ist als eher marginal einzustufen, er vertraute Stuckarts Sachkenntnis und dessen Identifikation mit der SS. Der Staatssekretär zeichnete sich durch eine radikale völkische Grundhaltung ebenso wie durch sein Streben nach einer perfekten administrativen Neuordnung eines deutschen Europas aus. Dabei stellte er durchaus das Fachwissen der Beamten über deren Parteizugehörigkeit, wenn ihm das für seine Pläne sinnvoll erschien. Das entscheidende Ergebnis der Personalpolitik bestand in einer Halbierung der Zahl der Spitzenbeamten. Dennoch bewahrte die Führungsebene des Ressorts insgesamt ihre - dem Nationalsozialismus zugeneigte - Gruppenhomogenität; im Ministerium konnte die beabsichtigte Ablösung der institutionellen Verantwortung durch eine "Gefolgschaft" nicht realisiert werden.

Stephan Lehnstaedt: Administration without bureaucrats? The Ministry of the Interior under Heinrich Himmler.

This essay examines both the structure of the staff and the staff policy in the German Ministry of the Interior in the period between 1943 and 1945. Under the leadership of Heinrich Himmler, who was not interested in his office, undersecretary Wilhelm Stuckart rose to de facto head at the ministry. Himmler's influence on the interior management of the department is to be rated as rather marginal; and he relied on Stuckart's expert knowledge and on his identification with the SS. The undersecretary stood out due to his radical nationalist attitude as well as his striving for a perfect administrative reform in the whole of Europe. Stuckart put the civil servants' professional qualifications before their party membership when this seemed to make sense for his plans at the ministry. The decisive result of his staff policy was that the number of top officials was almost halved. Still, the top level officials in the department retained a very homogenous identity as a group, although they were certainly inclined towards National Socialism. So the intended shift from a sense of responsibility towards the institution to a kind of "allegiance to the party" was not realized.

Peter E. Fässler: Bonn und das strategische Embargo gegen die Sowjetunion und ihre Verbündeten 1949-1958.

Das Ende der 1940er Jahre maßgeblich von den USA initiierte und gemeinsam mit ihren Verbündeten etablierte strategische Embargo, welches die rüstungstechnologische Entwicklung der sozialistischen Staaten behindern sollte, stellte die Bundesregierung vor eine Reihe schwieriger Entscheidungen. Aufgrund divergierender Interessen in den Bereichen Sicherheits-, Außenwirtschafts-, Europa- und Deutschlandpolitik verfolgte sie einen teils eigensinnigen, teils widersprüchlichen Kurs. Besonders die von Washington gewünschte Einbindung der Wirtschaftsbeziehungen zur DDR in das Embargo-Regime stieß am Rhein auf entschiedene Ablehnung. Selbst offenkundige Embargoverstöße westdeutscher Unternehmen tolerierte das Bundeswirtschaftsministerium. Entgegen der in der bisherigen Forschung vorherrschenden Ansicht präsentierte sich die Bundesregierung keineswegs als uneingeschränkt loyale Erfüllungsgehilfin der Vorgaben der USA. Mit der Einrichtung eines Special Committees für sicherheitspolitisch bedenkliche Geschäfte zwischen West- und Ostdeutschland im Jahre 1955 reagierte Washington auf das Bonner "Fehlverhalten" und ergänzte zugleich das Institutionengefüge, in welches die zunehmend souveräner auftretende Bundesrepublik eingebunden wurde im Sinne einer "embedded sovereignty".
Das rasch wachsende wirtschaftliche und politische Gewicht der Bundesrepublik offenbarte sich insbesondere in den Jahren 1957/58, als einige westeuropäische Staaten den Washingtoner Embargokurs verließen. In dieser Situation übernahm Bonn nicht nur die Rolle eines wichtigen Fürsprechers westeuropäischer Interessen, ihm wurde auch die Rolle eines allseits akzeptierten Mediators innerhalb des Embargo-Regimes angetragen.

Peter E. Fässler: Bonn and the strategic embargo against the Soviet Union and its allies, 1949 - 1958.

The strategic embargo which the United States had initiated and then established together with its allies pursued the aim to impede the development of new armament technology in the socialist states. This embargo confronted the Federal German government with a number of difficult decisions: Because of diverging interests regarding the policies concerning global security, foreign trade, Europe and the two German states, the government of the Federal Republic pursued a strategy which was both stubborn and inconsistent in parts. Washington advocated an integration of the economic relations with the GDR into the "embargo regime", but this plan was met with strong objection on the Rhine. The Federal Ministry of Economics even tolerated it when West German companies obviously contravened the embargo. Contrary to the findings of previous research in this field, the Federal Government did certainly not present itself as an absolutely loyal agent which always kept to the guidelines given by the USA. In 1955, Washington reacted to Bonn's "misbehaviour" and installed a "special committee" that watched over transactions between West Germany and East Germany that were rated as questionable with regard to international security. At the same time the United States expanded the network of institutions in which the Federal Republic of Germany, which was acting increasingly self-confident, was integrated within the American concept of "embedded security".
The fast-growing economic and political importance of the Federal Republic of Germany revealed itself clearly in 1957/58 when some West European states pulled out from Washington's embargo strategy. Not only did the government at Bonn take on the role of an important advocate of West European interests. It was also suggested that the members of the West German government should act as widely accepted mediators within the embargo regime.

Notizen

Rudolf Vrba und die Auschwitz-Protokolle. Eine Antwort auf John S. Conway. (Yehuda Bauer)

Rudolf Vrba and the Auschwitz-protocols. A reply to John S. Conway (Yehuda Bauer)

Der Weg der Erinnerung. Entgegnung auf die Kritik an den Empfehlungen der Expertenkommission für eine künftige "Aufarbeitung der SED-Diktatur". (Martin Sabrow)

The path of remembrance. A reply to the criticism of the recommendations of the commission for a „;research into the SED-dictatorship“ (Martin Sabrow)

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