Mythos und Legende – Deutschland, arabische Stagnation und Globalisierung
Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Blätter-Leserinnen und Blätter-Leser,
Am 1. Februar erscheint die Februarausgabe der Blätter für deutsche und internationale Politik mit Beiträgen von Herfried Münkler, Sonja Hegasy, Burkhard Hirsch, Detlef Hensche, Walter Müller-Jentsch u.v.a.
Herfried Münkler Die politischen Mythen der Deutschen – und ihr heutiger Gebrauch
Wer Mythen erzählt, will betrügen – so jedenfalls lautet die landläufige Meinung. Tatsächlich stehen Wahrheit und Mythos seit den alten Griechen in einem Spannungsverhältnis zueinander. Herfried Münkler, Professor für Politikwissenschaft an der Humboldt-Universität Berlin, stellt dieses Verhältnis am Beispiel der deutschen Geschichte „vom Kopf auf die Füße“. Mit Hilfe von Karl Marx und Carl Schmitt zeichnet er nach, welche Mythen die Geschichte der Deutschen bestimmt haben – und warum wir sie seines Erachtens heute wieder brauchen, um die Herausforderungen der Zukunft zu meistern.
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Stefan Bajohr Das Reformkarussell
Mit einem Bruttoinlandsprodukt von 2,2 Billionen Euro ist die Bundesrepublik die drittgrößte Wirtschaftsmacht der Welt. Doch obwohl das hohe Wirtschaftswachstum auch im Jahr 2007 unvermindert anhält, wird das Reformkarussell unaufhörlich weiter gedreht. Stefan Bajohr, Professor für Politikwissenschaft an der Universität Düsseldorf, untersucht die einschneidenden Reformen der letzten Jahre auf dem Gebiet „Haushalt und Finanzen“, die Reform des Haushaltsrechts, der Unternehmenssteuer und des bundesstaatlichen Finanzausgleichs, und plädiert entschieden für den steuerpolitischen Stillstand im Jahr 2007.
Albert Scharenberg Kampfschauplatz Armut Der Unterschichtendiskurs in den Vereinigten Staaten
Die Unterschichtsdebatte scheint vorerst beendet, doch die Armut ist geblieben. Der Kampf um ihre Bezeichnung wird also weitergehen. Albert Scharenberg, Politologe, Historiker und Redakteur der „Blätter“, zeigt anhand der sehr US-amerikanischen Diskussion über die Unterklasse, wie die inhaltliche Bedeutung der Begriffe stets von den politischen Kräfteverhältnissen im Lande abhängt. Wer die Deutungshoheit über die Begriffe erlangt, wird auch in Deutschland darüber entscheiden, ob wir in Zukunft einen Kampf gegen die Armut oder gegen die Armen erleben werden.
Tom Karasek Herrschaft durch Konsensfiktionen Die Globalisierungssemantik der FAZ
Sozialleistungskürzungen, Lohnsenkungen, Entlassungen – so unangenehm die neoliberale Wirklichkeit auch aussieht, so angenehm lässt sie sich doch „umschreiben“: als Chance zur Eigenverantwortung, Selbstbestimmung und Herausforderung. Tom Karasek, Germanist und wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Siegen, analysiert am Beispiel der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, wie die semantische Umdeutung gesellschaftlicher Verhältnisse zu einem bestimmten Zweck funktioniert: der Vernebelung von Herrschaft durch fingierten Konsens.
Sonja Hegasy Die Legende von der arabischen Stagnation
Im Dezember 2006 erschien der vierte und vorerst letzte „Arabische Bericht über die menschliche Entwicklung“. Die vier Berichte werden immer wieder als „Kronzeugen“ herangezogen, um die Unter- oder Fehlentwicklung der arabischen Welt zu belegen. Sonja Hegasy, Islam- und Politikwissenschaftlerin sowie Mitglied der Institutsleitung des Zentrums Moderner Orient (ZMO) in Berlin, beleuchtet dagegen die enormen Bewegungen innerhalb der arabischen Zivilgesellschaften. Sie warnt davor, Transformationen von oben lediglich als „facelifting“ für autoritäre Regime zu begreifen. Sie bergen vielmehr Entwicklungen, welche langfristig das Potential haben, Demokratisierung einzuleiten – wie uns die jüngere Geschichte Ost-Europas eigentlich gelehrt haben sollte.
Dustin Dehéz Stellvertreterkrieg in Somalia
Seit dem Einmarsch Äthiopiens Ende 2006 steht Somalia wieder in den internationalen Schlagzeilen. Dem kurzen Kampf mit den islamistischen Milizen folgte die Wiedereinsetzung der somalischen Übergangsregierung. Dabei könnte es sich allerdings, wie Dustin Dehéz, Historiker und wiss. Mitarbeiter am Düsseldorfer Institut für Außen- und Sicherheitspolitik, nachweist, um einen trügerischen Sieg handeln. Das in Übergangsregierung, islamische Milizien und autonomes Somaliland dreigeteilte Somalia sowie die großen regionalen wie internationalen Interessen lassen einen Flächenbrand am Horn von Afrika befürchten – und den ersten großen Stellvertreterkrieg in Afrika nach Ende des Kalten Krieges.
Mohssen Massarrat KSZMNO jetzt Plädoyer für einen KSZE-Prozess im Mittleren und Nahen Osten
Wird der Iran das nächste Ziel im Kampf gegen den Terror? Steht der Welt gar eine atomare Auseinandersetzung bevor? Zahlreiche Meldungen deuten daraufhin. Nach dem Scheitern der bilateralen Verhandlungen kommt es, so der Politikwissenschaftler und Nahostexperte Mohssen Massarrat, umso mehr darauf an, zu einem Friedens- und Kooperationsabkommen für die gesamte Krisenregion zu gelangen. Das Vorbild liegt für Massarrat auf der Hand: die Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, die zur Überwindung des Kalten Krieges führte. Nach dem Scheitern der USA kann es dafür nur einen Vermittler geben: die Europäische Union.
Rolf Geffken Welt-Discounter China: Wal-Mart im Reich der Mitte
In Chinas Fabriken herrschen verheerende Arbeitsbedingungen, an denen westliche Unternehmen einen entscheidenden Anteil haben. Rolf Geffken, Rechtsanwalt und China-Experte, geht der Frage nach, welche Rolle Wal-Mart – der größte Konzern der Welt – im Reich der Mitte spielt. Die „Niedrigpreis-Philosophie“ bedeutet geringe Preise nicht nur für die Kunden, sondern auch für die Zulieferer des Konzerns – mit dramatischen Folgen für die Beschäftigten und ihre Gewerkschaften. Ein Konflikt, den inzwischen mehr und mehr die chinesische Regierung gegen die Multis austrägt.
Außerdem:
Burkhard Hirsch wendet sich gegen „Schäubles Quasi-Krieg“ zum Abschuss entführter Flugzeuge Detlef Hensche kritisiert den „Gemeinsamen Katechismus“ der evangelischen Kirchen als „Herrschaftsmoral“ Walther Müller-Jentsch analysiert die Ergebnisse der „Biedenkopf-Kommission“ zur Unternehmensmitbestimmung Thomas Rixen und Gerhard Schick fordern ein gemeinsames Vorgehen gegen „Europas falschen Steuerwettbewerb“ bei der Unternehmensbesteuerung Wolf Oschlies fragt nach der Zukunft der zwischen Serbien und Montenegro geteilten Provinz „Sandžak Novi Pazar“ Markus Bickel kritisiert die „Doppelmoral des Westens“ im Umgang mit der libanesischen Demokratie Felix Heiduk untersucht die Lage in der indonesischen Provinz Aceh nach dem Friedensschluss Hans Diefenbacher kritisiert Sigmar Gabriels ökologischen „New Deal“ Reinhold Kowalski verweist auf den „Abstieg Ost trotz Aufschwung West“ *
Wir dokumentieren George W. Bushs „Address to the nation“, mit welcher er die Aufstockung der US-Truppen und seine neu-alte Strategie im Irak begründete.
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DER SOUND DES SACHZWANGS - DER GLOBALISIERUNGS-READER. 2. AUFLAGE!
Mit Beiträgen von Elmar Altvater, Noam Chomsky, Mike Davis, Erhard Eppler, Johan Galtung, Jürgen Habermas, Samuel P. Huntington, Naomi Klein, Birgit Mahnkopf, Saskia Sassen u.a., 272 Seiten.
Kein Thema ist in den letzten Jahren so heiß umkämpft wie das der Globalisierung. Und es ist eine Auseinandersetzung ums Ganze: Wohin führt die Globalisierung, wie kann sie gesteuert werden? Brauchen wir „mehr Markt“ oder eine Re-Regulierung der Weltwirtschaft? Wie kann ökonomische Entwicklung gestaltet, ökologische Nachhaltigkeit gewährleistet werden? Und, vor allem, was ist politisch geboten: Empire oder Global Governance? Davos oder Porto Alegre?
Der Reader widmet sich sowohl der theoretischen Analyse der Globalisierung als auch der praktischen Suche nach Alternativen. Dabei wird der realgeschichtlichen Entwicklung keineswegs eine Art „Naturwüchsigkeit“ unterstellt. Im Gegensatz zum herrschenden Mantra insistieren die hier vertretenen Autoren auf dem eminent politischen Charakter der Globalisierung. Die Politik der Globalisierung ist niemals bloßer Vollzug vermeintlicher „Sachzwänge“, sondern immer Ausdruck gewollter Entscheidungen – für und gegen bestimmte Konzepte. Bereits das gängige Diktum von der Alternativlosigkeit erweist sich als politische Waffe, die gegen die Suche nach möglichen Alternativen zum Neoliberalismus in Stellung gebracht wird. Alle hier präsentierten Beiträge stammen aus den „Blättern für deutsche und internationale Politik“ und bilanzieren die Debatte der letzten Jahre.
"Der Sound des Sachzwangs" - hier bestellen: http://www.blaetter.de/globalisierung.php
Inhaltsverzeichnis der aktuellen Ausgabe:
KOMMENTARE UND BERICHTE
Schäubles Quasi-Krieg von Burkhard Hirsch S. 133
Kirchliche Herrschaftsmoral von Detlef Hensche S. 136
Streitfall Mitbestimmung von Walther Müller-Jentsch S. 140
Europas falscher Steuerwettbewerb von Thomas Rixen und Gerhard Schick S. 144
Gerangel um den Sandžak von Wolf Oschlies S. 148
Libanesische Friktionen von Markus Bickel S. 152
Aceh: Die Ruhe nach dem Sturm von Felix Heiduk S. 155
MEDIENKRITIK
Jedem seinen Hitler von Günter Giesenfeld S. 159
ANALYSEN UND ALTERNATIVEN
Die politischen Mythen der Deutschen von Herfried Münkler S. 160
Das Reformkarussell von Stefan Bajohr S. 173
Kampfschauplatz Armut. Der Unterschichtendiskurs in den Vereinigten Staaten von Albert Scharenberg S. 183
Herrschaft durch Konsensfi ktionen. Die Globalisierungssemantik der FAZ von Tom Karasek S. 193
Die Mär von der arabischen Stagnation von Sonja Hegasy S. 205
KSZMNO jetzt. Plädoyer für einen KSZE-Prozess im Mittleren und Nahen Osten von Mohssen Massarrat S. 212
Stellvertreterkrieg in Somalia von Dustin Dehéz S. 221
Welt-Discounter China: Wal-Mart im Reich der Mitte von Rolf Geffken S. 229
WIRTSCHAFTSINFORMATION
Abstieg Ost trotz Aufschwung West von Reinhold Kowalski S. 239
UMWELTINFORMATION
Sigmar Gabriels „New Deal“ von Hans Diefenbacher S. 242
DOKUMENTE ZUM ZEITGESCHEHEN
Neu-alte Strategie für den Irak. Die „Address to the Nation“ von US-Präsident George W. Bush vom 10. Januar 2007 S. 245
Berliner Erklärung „Schalom 5767“ Petition von Jüdinnen und Juden aus Deutschland für eine friedliche Lösung des israelisch-palästinensischen Konfliktes S. 250
Chronik des Monats Dezember 2006 S. 253
Impressum und Autorenverzeichnis S. 256
Mit freundlichen Grüßen Ihre Blätter-Redaktion