Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 55 (2007), 2

Titel der Ausgabe 
Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 55 (2007), 2
Weiterer Titel 

Erschienen
München 2007: Oldenbourg Verlag
Erscheint 
vierteljährlich
Preis
Jahresabo: 58 €, Stud.abo: 38 € Mitgl.abo. hist. u pol. Fachverbände: 52,80 €, Online-Zugang: 58 €, Print- und Online-Abo 66 €

 

Kontakt

Institution
Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte
Land
Deutschland
c/o
Redaktion Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte Institut für Zeitgeschichte, Leonrodstraße 46b, 80636 München, vfz@ifz-muenchen.de
Von
Jaroschka, Gabriele

Liebe Listenmitglieder,

in der neuesten Ausgabe der Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte veröffentlicht der Widerstandshistoriker Peter Hoffmann einen spektakulären Fund aus dem Archiv des sowjetischen Geheimdienstes: Schon 1943 bereitete Henning von Tresckow den Staatsstreich gegen Hitler vor. Der Inhalt dieser Schlüsseldokumente ist genauso spannend und abenteuerlich wie ihre Geschichte.

Mit freundllichen Grüßen
Gabriele Jaroschka
Oldenbourg wissenschaftsverlag

Inhaltsverzeichnis

Aufsätze:

Igor Lukes, Ein nachrichtendienstliches Versagen. Die Amerikaner und die kommunistische Machtergreifung in der Tschechoslowakei 1948.
Die tschechoslowakische politische Krise zwischen dem Ende des Zweiten Weltkrieges und 1948 hatte keinen vorherbestimmten Ausgang. Sie wurde nicht alleine durch das Gewicht der entstehenden Blöcke und auch nicht durch das Diktat des Kreml entschieden. Dieser Beitrag betrachtet den Anteil der Nachrichtendienste an dieser Auseinandersetzung zwischen Stalinismus und Demokratie. Im Zentrum stehen Colonel Charles Katek, der Chef der amerikanischen Militärmission, und Spencer L. Taggart, ein amerikanischer Diplomat im Prag der Nachkriegszeit.
Die Amerikaner, die im Geschäft des Sammelns von Geheimnissen im Prag der Nachkriegszeit tätig waren, hatten Zugang zu einigen der höchstrangigsten Funktionäre. Es wäre schwer, sich ein anderes Land mit einem vergleichbar hohen Grad an Konvergenz zwischen den Zielen der Nachrichtensammler und denen ihrer Quellen vorzustellen. Überdies hatten Katek und Taggart eine erstklassige Ausbildung genossen, sie verstanden die zentraleuropäische Geschichte und sie sprachen Tschechisch. Trotzdem erlitten die Kräfte der Demokratie eine Niederlage. Dieser Beitrag sucht die Gründe dafür zu identifizieren.

Igor Lukes, A failure of intelligence: The United States and the communistic coup in Czechoslovakia 1948.
The Czechoslovak political crisis from the end of World War II to 1948 did not have a preordained conclusion. It was not determined solely by the weight of the emerging blocs and it was not simply for the Kremlin to dictate. This article examines the intelligence dimension of the contest between Stalinism and democracy. At the center of the study are Colonel Charles Katek, chief of the American Military Mission, and Spencer L. Taggart, an American diplomat in postwar Prague.
The Americans who were in the business of collecting secrets in postwar Prague had access to some of the highest-ranking officials. It would be hard to imagine any other country where there existed such a harmony of interests between the intelligence collectors and their sources. Moreover, Katek and Taggart were highly educated, they understood the history of Central Europe, and they spoke Czech. Nevertheless, the cause of democracy suffered a swift and humiliating defeat. This article seeks to identify its causes.

Holger R. Stunz, Hitler und die "Gleichschaltung" der Bayreuther Festspiele. Ausnahmezustand, Umdeutung und sozialer Wandel einer Kulturinstitution 1933-1934.
Die Bayreuther Richard-Wagner-Festspiele gelten als Inbegriff nationalsozialistischer Repräsentationskultur. Holger R. Stunz untersucht, wie es dazu kam und welche zentrale Rolle dabei das Jahr 1933 spielt, in dem die Festspiele organisatorisch, finanziell und vom Publikum her neue Strukturen erhielten. Mit Hilfe einer Analyse des Kartenverkaufs kann er die öffentliche Rezeption der Festspiele rekonstruieren. So hatte etwa die Freikartenpraxis des Regimes Auswirkungen auf das Selbstverständnis der Festspiele als unabhängige Einrichtung wie auch auf Zusammensetzung und Habitus des Publikums. Die exponierte Stellung der Festspiele war nur durch persönliche Entscheidungen Hitlers möglich, der sich auch bei künstlerischen Grundsatzfragen einschaltete. 1933 begann ein Schwebezustand, der bis zum Ende der Kriegsfestspiele andauerte.

Holger R. Stunz, Hitler and the "Gleichschaltung" of the Bayreuth Festival. State of Emergency, Reinterpretation and Social Change of a Cultural Institution 1933-1934.
The Richard Wagner Festival in Bayreuth is considered the epitome of National Socialist cultural representation. Holger R. Stunz investigates the genesis of this phenomenon and highlights the decisive role the year 1933 played, when the Festival experienced an organisational and financial transformation, as well as new structures to the makeup of the audience. The practice of the regime to hand out free tickets influenced the self-image of the Festival as an independent institution as well as the composition and disposition of the audience. The eminent position of the Festival was only possible due to Hitler's personal decisions, who also interfered in artistic questions of principle. 1933 marked the beginning of an abeyance, which lasted until the end of the "Wartime Festivals".

Martina Steber, Herbert Butterfield, der Nationalsozialismus und die deutsche Geschichtswissenschaft.
Der britische Historiker Herbert Butterfield fühlte sich zeit seines Lebens als Anwalt deutscher Geschichtswissenschaft in Großbritannien. Dabei prägte die Auseinandersetzung sowohl mit der deutschen historiographischen Tradition als auch mit der deutschen Zeitgeschichte und Politik das geschichtstheoretische Denken Butterfields. Nicht zuletzt daraus formte sich Butterfields christlich-konservative Geschichtsphilosophie der späten 1940er und der 1950er Jahre, die ihn wiederum zu totalitarismustheoretischen Überlegungen führte. In der jungen Bundesrepublik stießen die Thesen Butterfields nicht nur in der Geschichtswissenschaft auf bereitwillige Aufnahme, schon weil sie in ihrer apologetischen Tendenz in das erinnerungskulturelle Klima der 1950er Jahre passten. Diesem deutsch-britischen "Historikerdialog" geht der Beitrag nach und weist mithin auf die europäische Dimension der Historiographiegeschichte des 20. Jahrhunderts hin.

Martina Steber, Herbert Butterfield, National Socialism und German Historiography.
For all of his life, the British historian Herbert Butterfield saw himself as the advocate of German historiography in Great Britain. It was precisely the examination of the German historiographical tradition as well as German contemporary history and politics that shaped Butterfield's theoretical thinking on history. Ultimately, this formed Butterfield's Christian-conservative philosophy of history of the late 1940s and 1950s, which lead him to deliberations on the theory of totalitarianism. In the young Federal Republic, Butterfield's theses were received eagerly and also outside of the field of historiography, as their apologetic tendency fit into the climate of the politics of memory in the 1950s. This paper focusses on this German-British "dialog of historians" and thereby points towards the European dimension of the history of the historiography of the 20th Century.

Diskussion:

Dieter Sauer, Die Zukunft der Arbeitsgesellschaft. Soziologische Deutungen in Zeithistorischer Perspektive.
Die von Hannah Arendt vor fünfzig Jahren formulierte These, "von der Arbeitsgesellschaft, der die Arbeit ausgeht", scheint heute aktueller denn je. Auch ihr Nachsatz, "was könnte verhängnisvoller sein", scheint sich zu bewahrheiten. Zu einem Zeitpunkt, an dem es in den westlichen Industrieländern realistisch erscheint, bei steigender Bedarfsdeckung immer weniger Zeit mit Erwerbsarbeit verbringen zu müssen, wird diese partielle Befreiung von der Erwerbsarbeit vor allem für die Freigesetzten immer mehr zu einem Problem. Und die, die noch Arbeit haben, werden mit der paradoxen Anforderung konfrontiert, statt weniger mehr zu arbeiten - und zwar länger und intensiver.
Angesichts steigender Erwerbsbeteiligung kann jedoch von einem Ende der Arbeitsgesellschaft im Sinne einer abnehmenden Bedeutung von Erwerbsarbeit gegenwärtig nicht die Rede sein. Die vorherrschende Parole "Hauptsache Arbeit" indiziert aber eine massive Krise dieser Arbeitsgesellschaft. Die Frage nach den Ursachen, der Qualität und den möglichen Konsequenzen dieser Krise steht im Mittelpunkt des Beitrags. Dabei wird auch ein radikaler gesellschaftlicher Umbruch diagnostiziert, der jedoch nicht das Ende der Arbeitsgesellschaft einläutet. Vielmehr wird sich die Arbeit selbst grundlegend verändern.

Dieter Sauer, The Future of Work-driven Society. Sociological Interpretations in the Perspective of Contemporary History.
Hannah Arendt's thesis about a "society of laborers without labor" formulated fifty years ago seems more up to date than ever. Her afterthought "nothing could be worse" also seems to be coming true. At a time when it seems realistic for Western industrialised countries that less and less time will have to be spent working for a living with simultaneously rising commodity supply, this partial freedom of gainful occupation is increasingly becoming a problem for those dismissed. And those who still have work are confronted with the paradoxical demand that they have to work more instead of less - and also longer and more intensively. In view of rising labour participation however, the end of work-driven society in the sense of a decreasing importance of gainful employment is currently not in sight. The predominant parole "as long as you have a job" indicates a massive crisis of this work-driven society. The question as to the reasons, the quality and the possible consequences of this crisis is at the centre of this article. In this context, a radical change in society is also diagnosed, which however does not signal the end of work-driven society in general. Rather, work itself will change fundamentally.

Dokumentation:

Peter Hoffmann, Oberst i.G. Henning von Tresckow und die Staatsstreichpläne im Jahr 1943.
Ende November 1943 vergrub Major i.G. Joachim Kuhn, Mitverschworener des militärischen Widerstands gegen Hitler, im Hauptquartier des Oberkommandos des Heeres bei Angerburg Entwürfe für Befehle und Rundfunkansprachen, die nach einem geplanten Attentat auf Hitler den Staatsstreich ermöglichen sollten. Als Kriegsgefangener in sowjetischem Gewahrsam musste Kuhn im Februar 1945 seine Bewacher zu diesem Versteck führen. Auf diese Weise kamen die Dokumente in das Archiv des KGB in Moskau. Sie sind Schlüsseldokumente für die zentrale Rolle Oberst i.G. Henning von Tresckows in diesen Umsturzplanungen im Jahr 1943 und werfen neues Licht auf eine erstaunlich breite Zustimmung in der Wehrmacht wie auch speziell in der Heeresführung zum Plan der Entmachtung Hitlers.

Peter Hoffmann, Colonel (G.S.) Henning von Tresckow and the Coup Plans in 1943.
At the end of November 1943 in the German Army High Command Headquarters near Angerburg, Major Joachim Kuhn, co-conspirator of the military resistance against Hitler, buried drafts of orders and radio proclamations which were to be issued and broadcast after Hitler's assassination to enable a coup. In February 1945, as a prisoner-of-war in Soviet custody, Kuhn had to show this hiding place to his captors. The documents were taken to Moscow and eventually placed into the archive of the KGB. They provide the key to Tresckow's central role in the conspiracy against Hitler in 1943. They also throw new light upon the surprisingly broad agreement in the Wehrmacht and specifically in the Army High Command with attempts to disempower Hitler.

Notiz:

Thomas Schlemmer und Hans Woller, Schreib-Praxis. Ein anwendungsorientiertes Seminar des Instituts für Zeitgeschichte

Thomas Schlemmer and Hans Woller, Writing in practice. A course of the Institut für Zeitgeschichte.

Rezensionen online:
Januar – März 2007

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Bestandsnachweise 0042-5702