Internationale Politik 63 (2008), 1

Titel der Ausgabe 
Internationale Politik 63 (2008), 1
Zeitschriftentitel 
Weiterer Titel 
Themenheft Irak

Erschienen
Frankfurt am Main 2008: Societäts Verlag
Erscheint 
Erscheinungsweise: deutsch (monatlich), russisch (monatlich), englisch (vierteljährlich)
ISBN
4196721509956
Anzahl Seiten
144 Seiten
Preis
9,95 €

 

Kontakt

Institution
Internationale Politik
Land
Deutschland
c/o
Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik e.V. Rauchstraße 17-18 10787 Berlin Tel.: +49-(0)30-25 42 31-46 Fax: +49-(0)30-25 42 31-67
Von
INTERNATIONALE POLITIK

Inferno Irak

„Wir übergeben kein Land, in dem Milch und Honig fließen.“ Dieser Satz des britischen Außenministers David Miliband dürfte als Untertreibung des Jahrhunderts in die Geschichte eingehen. Ausgesprochen wurde er am 16. Dezember in Basra, anlässlich der Machtübergabe der letzten noch von den Briten verwalteten Provinz des Irak an die irakischen Sicherheitskräfte. 2500 britische Soldaten bleiben zwar noch, „für Notfälle“, wie es heißt. Aber fast fünf Jahre nach „Mission accomplished“ ist der gesamte Irak ein Notfall, ein zerrissenes, gewalttätiges, unregierbares Land im permanenten Bürgerkrieg aller gegen alle, mühsam zusammengehalten von amerikanischen Truppen; derweil schleicht sich die „Koalition der Willigen“ nach und nach ruhmlos davon.
Für Journalisten und andere Beobachter ist es längst zu gefährlich geworden, sich im Irak außerhalb der schwer bewachten „grünen Zone“ zu bewegen. Wenig von dem, was dort tatsächlich geschieht, dringt daher noch nach draußen. Stern-Reporter Christoph Reuter, der seit 1990 kontinuierlich aus dem Irak berichtet, schildert in dieser IP seinen Eindruck von der heutigen Lage des Landes: ein düsteres Bild. Zusammenstellen konnte er es, weil er seit Anfang 2007 im Auftrag des britischen „Institute for War and Peace Reporting“ irakische Journalisten ausbildet; sie haben ihm die Situation in Regionen beschrieben, die seit langem kein westlicher Augenzeuge mehr betreten hat.
In den USA beginnt jetzt die heiße Phase des Präsidentschaftswahlkampfs. Irak, „Amerikas selbstverschuldete Bürde“ (John Hulsman), wird in den Debatten über die Zukunft der Führungsmacht des Westens eine entscheidende Rolle spielen. Was geht das uns an? Außerordentlich viel, mahnt Christoph Bertram: Denn der Irak sei „nicht nur ein amerikanisches Problem, das man mit der Schadenfreude des Unbeteiligten quittieren kann, sondern ein deutsches Problem“. Weshalb „deutsche Außenpolitik daran gemessen werden muss, ob sie dies erkennt und danach handelt“. Die Deutschen selber sehen das laut IP--Umfrage mehrheitlich auch so: 48 Prozent fordern, Deutschland solle sich diplomatisch und politisch mehr im Irak engagieren. Acht Prozent plädieren gar für politische und militärische Hilfe zur Stabilisierung des Landes (S. 7).

SABINE ROSENBLADT | CHEFREDAKTEURIN

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

Inferno Irak
8 Christoph Bertram
Amerikas Entzauberung
Auch Berlin muss mithelfen, die drohende Krise am Golf einzudämmen
Ohnmacht einer Weltmacht: Amerikas Debakel im Irak beschleunigt
den Verlust seiner globalen Machtposition, im neuen, noch unfertigen
internationalen System hat es seine Ankerrolle verloren. Doch von den
Auswirkungen der Invasion wird auch Deutschland in Mitleidenschaft gezogen
werden – Berlin muss helfen, die drohende Krise am Golf einzudämmen.

14 Christoph Reuter
Im ersten, zweiten,
dritten Kreis der Hölle
Zwischen Gewalt und Gesetzlosigkeit: Eine virtuelle Reise durch den Irak
Oberflächlich betrachtet scheint die amerikanische Truppenverstärkung
zu wirken: Das Morden nimmt ab, Bagdad wird ruhiger.
Aber hinter dieser Fassade bereiten sich zahllose Milizen – zum Teil von
den Amerikanern bewaffnet – auf den Kampf nach dem Abzug der US Armee
vor. Im Irak wächst ein weiteres zerfallenes Staatsgebilde heran.

32 Johannes Reissner und Guido Steinberg
Joker im Machtpoker
Der Iran hilft den irakischen Schiiten, fürchtet aber einen Zerfall des Nachbarn
Der Iran hat enge Beziehungen zu schiitischen
Organisationen im Irak und unterstützt schiitische Milizen im
Kampf gegen die US-Truppen. Aber Teheran will andererseits auch vermeiden,
dass das Land zerfällt und zu einer Bedrohung wird. Irans Interesse an
stabilen Verhältnissen im Irak sollten die USA zur Kooperation nutzen.

40 Lindsay P. Cohn
Kampf dem Chaos
Warum man im Irak mit der klassischen Counter-insurgency nicht weit kommt
Wenn es um Aufstandsbekämpfung im Irak geht, ist auch
hierzulande oft die Rede von „Counter-insurgency“. Eine exakte deutsche
Entsprechung fehlt, und wer den Begriff kennt, assoziiert ihn mit dem
Vietnam-Krieg. Beides trägt eher zur Verwirrung über die amerikanische
Strategie im Nahen und Mittleren Osten bei. Ein Klärungsversuch.

45 Henner Fürtig
Déjà vu im Zweistromland
Das britische Mandat als „Blaupause“ des neuen Irak?
Lassen sich aus der Geschichte Schlüsse für die Zukunft des
Irak ziehen? Ja, sofern man den richtigen Bezugspunkt wählt. Der ist nicht
Vietnam, sondern der Irak selbst, etwa die britische Mandatszeit in den
zwanziger Jahren. Ein seriöser Wiederaufbauplan hätte zudem die Resultate
aus 80 Jahren irakischer Entwicklung berücksichtigen müssen.
52 Muriel Asseburg & Steffen Angenendt
Die irakische Flüchtlingskrise
... überfordert die Nachbarländer und baut neue Spannungen in der Region auf
Die Flüchtlingszahlen aus dem Irak
steigen immer weiter, die Nachbarländer, allen voran Syrien und Jordanien,
sind mittlerweile völlig überlastet. Es ist höchste Zeit, dass sich Deutschland
stärker engagiert, um dieser humanitären Katastrophe zu begegnen
und weitere Destabilisierung in der Region zu verhindern.

58 John C. Hulsman
Hoffen auf Hillary
Einfach würde der transatlantische Dialog auch unter einer Präsidentin Clinton nicht
Wird ein von weiblicher Hand geführtes Amerika seine
„sanfte Macht“ wiederentdecken? Wer den Wahlkampfreden der aussichtsreichsten
Präsidentschaftskandidatin lauscht, muss das bezweifeln: Senatorin
Clinton ist zwar eine überzeugte Multilateralistin. Aber in der Frage
militärischer Gewaltanwendung unterscheidet sie wenig von George W. Bush.

Internationale Politik
66 USA | Belinda Cooper
Die Ära Guantánamo
Wie die US-Regierung Freiheitsrechte
auf dem Altar der Sicherheit opfert
Seit die USA ihren Krieg gegen den Terror führen, haben
Inhaftierte viele eigentlich selbstverständliche Rechte verloren. Die Bush-
Regierung schuf neue Gesetze, um Folter und unbegrenzte Haft ohne Prozess
zu legitimieren. Doch inzwischen setzen sich nicht mehr nur Menschenrechtler,
sondern sogar Militäranwälte für die Gefangenen ein.

72 USA/Europa | Helga Haftendorn
Partner oder Kontrahenten?
EU und USA werden auch künftig eher

Der Irak-Krieg hat den Dissens über die Behandlung außereuropäischer
Konflikte verschärft. Mit Blick auf die Zukunft der transatlantischen
Beziehungen stellt sich daher die Frage, welche Ursachen diesen
Differenzen zugrunde liegen und ob der Westen in Zukunft wieder in
der Lage sein wird, globale Probleme gemeinsam zu lösen. Eine Analyse.

82 Nahost | Shlomo Shpiro
Europas Job im Nahen Osten
... könnte es sein, mit seiner Erfahrung zur Friedenssicherung beizutragen
Shimon Peres brachte es auf den Punkt: Wie kann Frieden
gesichert werden, wenn es überhaupt keinen Frieden gibt? Sollten sich nun
Israelis und Palästinenser doch endlich auf eine Konfliktlösung verständigen,
könnten die Europäer eine wichtige Rolle bei der Friedenssicherung spielen
und ihre Erfahrungen aus mehr als drei Jahrzehnten einbringen.

89 Balkan | B. Schoch & M. Dembinski
Gordischer Knoten Kosovo
Nach dem Scheitern der Troika bleibt nur die Wahl zwischen Pest und Cholera
Kosovo bleibt die schwärende Wunde
auf dem Balkan: Da Serben und Kosovo-Albaner weiterhin auf ihren Maximalpositionen
verharren, hat sich in der EU die Auffassung durchgesetzt,
eine EU-überwachte Unabhängigkeit des Amselfelds sei noch die beste
aller schlechten Entscheidungen. Das könnte sich als Irrtum erweisen.

96 Auslandseinsätze | T. Noetzel & B. Schreer
Ende einer Illusion
Die Debatte in Deutschland macht einen großen Bogen um die Wirklichkeit
Nach dem Ende des Kalten Krieges, so
hofften damals viele, würden Streitkräfte kaum noch gebraucht werden.
Das Gegenteil ist der Fall: Die Bundeswehr ist zu einer Armee im internationalen
Dauereinsatz geworden. Diese Realität wird aber hierzulande
beharrlich verdrängt – mit fatalen Folgen für die Auslandseinsätze selbst.

102 Deutschland | Jochen Thies
Raus aus dem Ortsverein!
Wer regieren will, muss führen: Die SPD und die Außenpolitik
Global? Egal. Provinziell und selbstgenügsam gibt sich die SPD
ausgerechnet in einer Zeit, da die internationalen Anforderungen an Deutschland
steigen. Keine dankbare Aufgabe für den Außenminister, der als einer der
letzten Sicherheitspolitiker von Rang seine Partei mit der Realität konfrontiert
– und die Genossen mühsam an die notwendigen Einsichten heranführt.

108 Grenzen | Carlos Widmann
Die Blüte des Stacheldrahts
Amerika, Europa, Nahost: Die Zukunft der Zäune hat erst begonnen

Amerika, Nordafrika, Nahost: In aller Welt gehen Mauern hoch, errichten Staaten
Sperren, die Millionen Menschen an der Migration hindern, vor Terroristen
schützen oder vom Krieg mit Nachbarn abhalten sollen. Täglich sterben ungezählte
Flüchtlinge an monströsen Barrieren, die das Zeitalter der Globalisierung zu
verhöhnen scheinen. Doch die Zukunft der Zäune hat erst begonnen.

130 Nahostbilder | Götz Nordbruch
»Prüfung für Araber und Muslime«
Bei den Nachbarn des Irak wächst ein gemeinsames Verantwortungsgefühl
134 Buchkritik | S. Bierling und J. Croitoru
Rein ins Verderben
Fünf Jahre Irak-Konflikt und die Frage, wie es überhaupt so weit kommen konnte
Kolumnen
64 Werkstatt Deutschland | Paul Nolte
Das Verschwinden der Landespolitik
Welche Rolle spielen eigentlich noch die Bundesländer?
80 Ökonomie | Helmut Reisen
Ja, mach nur einen G-8-Plan ...
Die Initiative „Good Financial Governance in Africa“ klemmt jetzt schon
106 Kultur | Alexandra Kemmerer
Geologie des Säkularen
Warum der Glaube im Westen nur noch eine Option unter vielen ist
128 Technologie | Tom Schimmeck
Die WG der Welterklärer
Eine Art Carrera-Bahn für Atome: der „Large Hadron Collider“
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