Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 56 (2008), 2

Titel der Ausgabe 
Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 56 (2008), 2
Weiterer Titel 

Erschienen
München 2008: Oldenbourg Verlag
Erscheint 
vierteljährlich
Preis
Jahresabo: 58 €, Stud.abo: 38 € Mitgl.abo. hist. u pol. Fachverbände: 52,80 €, Online-Zugang: 58 €, Print- und Online-Abo 66 €

 

Kontakt

Institution
Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte
Land
Deutschland
c/o
Redaktion Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte Institut für Zeitgeschichte, Leonrodstraße 46b, 80636 München, vfz@ifz-muenchen.de
Von
Jaroschka, Gabriele

Liebe Listenmitglieder,
lesen Sie im April-Heft der Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte das Interview von Hermann Wentker und Karl Feldmeyer mit Hans-Georg Wieck (Präsident des BND von 1985-1990) darüber, was der Geheimdienst über die späte DDR herausfand, wie sie beurteilt wurde.
Ihr Oldenbourg Wissenschaftsverlag

Inhaltsverzeichnis

VfZ 2/2008

Aufsätze:
Dieter Krüger: Schlachtfeld Bundesrepublik? Europa, die deutsche Luftwaffe und der Strategiewechsel der NATO 1958 bis 1968.

Auf der Grundlage einer Auswertung der Atomic Strike Plans des NATO-Oberbefehlshabers in Europa aus den 1950er Jahren stellt der Autor die Strategie der Massiven Vergeltung und deren Aufweichung durch die Vereinigten Staaten im Verlauf der 1960er Jahre vor. Die Aufstellung der Bundeswehr hat die Vorstellung vom „begrenzten Krieg”, begünstigt. Da sie für die konventionelle und teil-nukleare Verteidigung nicht gerüstet war, hat das neue Konzept das strategische Dilemma der Bundesrepublik erhöht und ihre Sicherheit gemindert. Insbesondere Frankreich verweigerte sich einer alternativen europäischen Sicherheitsidentität. Folglich musste Bonn, wie im übrigen alle anderen Mitglieder des Bündnisses, den Vorgaben aus Washington folgen. Die Bundesrepublik wurde nicht trotz, sondern wegen ihres konventionellen Beitrages zum Festungsvorfeld der westlichen Nuklearmächte. Diese entschieden im Ernstfall souverän über dessen Schicksal. Insofern entsprach die Flexible Reaktion nicht dem objektiven Sicherheitsinteresse der Bundesrepublik.

Birgit Schwelling: Zeitgeschichte zwischen Erinnerung und Politik.
Die Wissenschaftliche Kommission für deutsche Kriegsgefangenengeschichte, der Verband der Heimkehrer und die Bundesregierung 1957 bis 1975.

Die Geschichte der „Wissenschaftlichen Kommission für deutsche Kriegsgefangenengeschichte” ist ein prägnantes Beispiel für die besonderen Bedingungen, denen Zeitgeschichtsschreibung im Vergleich zur Geschichtsschreibung älterer Epochen unterliegt. Im Jahr 1957 vom Bundesvertriebenenministerium mit dem Auftrag eingesetzt, die Geschichte der deutschen Kriegsgefangenen des Zweiten Weltkriegs zu erforschen, war die Tätigkeit der Kommission von Konflikten begleitet, die einerseits durch die Ansprüche und Forderungen der im Verband der Heimkehrer organisierten ehemaligen Kriegsgefangenen ausgelöst wurden, andererseits auf den vor allem vom Auswärtigen Amt reklamierten innen- wie außenpolitischen Rücksichtnahmen beruhten. Die Geschichte dieses bisher von der Forschung wenig berücksichtigten Projekts unter besonderer Berücksichtigung dieser Konflikte zwischen Zeitgeschichte, Erinnerung und Politik wird hier erstmals ausführlich untersucht. Deutlich gemacht werden kann, an welche Grenzen die Zeitgeschichtsschreibung in den Anfängen der Bundesrepublik stoßen konnte und durch welche Bedürfnisse, Rücksichtnahmen und Interessen diese Grenzen begründet waren. Die Analyse erlaubt es darüber hinaus, Antworten auf die Frage nach der Wirkung von „Vergangenheit” in der frühen Bundesrepublik zu formulieren. Deutlich wird, wie stark auch die Erfahrungen der Zwischenkriegszeit die politischen und gesellschaftlichen Debatten in den Gründerjahren der Bundesrepublik prägten.

Martin Jungius/Wolfgang Seibel: Der Bürger als Schreibtischtäter. Der Fall Kurt Blanke.

Dr. jur. Kurt Blanke (1900–1995), von September 1940 bis August 1944 Leiter des Referats „Entjudung” in der Wirtschaftsabteilung der obersten deutschen Besatzungsbehörde, war eine der Schlüsselfiguren der Judenverfolgung in Frankreich. Er war verantwortlich für alle Verfolgungsmaßnahmen auf wirtschaftlichem Gebiet, die, in Kollaboration mit der Vichy-Regierung und deren Verwaltung, in legalisierten Raub mündeten und die Vorstufe zur Deportation nach Auschwitz bildeten. Blanke, Rechtsanwalt aus Celle, war nach dem Novemberpogrom 1938 („Kristallnacht”) unter Protest aus der SA ausgetreten, der er seit 1933 angehört hatte. Als Besatzungsbeamter in Frankreich betrieb er gleichwohl die wirtschaftliche Verfolgung der Juden mit besonderem Eifer und professioneller Wendigkeit. Der Fall Kurt Blanke verdeutlicht die tragende Rolle, die bürgerlich geprägten Funktionseliten auch ohne Bindung an die nationalsozialistische Vernichtungsideologie bei der planmäßigen Verfolgung der Juden spielten. Die von ihnen nicht selten gepflegte Distanz gegenüber den als plebejisch empfundenen Vertretern von SA und SS bildete das identitätsstiftende Bindeglied zwischen der Täterbiografie und den oft genug beachtlichen Nachkriegskarrieren dieser Personengruppe. Kurt Blanke etwa, der sich nie vor einem Gericht zu verantworten hatte, war von 1964 bis 1973 Oberbürgermeister der Stadt Celle. 1969 wurde ihm das Große Bundesverdienstkreuz verliehen. Eine Straße in Celle trägt noch heute seinen Namen.

Diskussion:
Martin Werding: Gab es eine neoliberale Wende? Wirtschaft und Wirtschaftspolitik in der Bundesrepublik Deutschland ab Mitte der 1970er Jahre.

Viele Historiker, sowohl in Deutschland als auch außerhalb, sehen die 1970er Jahre als einen Zeitraum des Wandels vom „Goldenen Zeitalter” des Keynesianischen Sozialmodells hin zum Neoliberalismus. Der Aufsatz legt nahe, dass sich dies aus der Sicht eines Wirtschaftswissenschaftlers in dieser Stringenz nicht beweisen lässt. Erstens scheint das außergewöhnliche Wirtschaftswachstum bis Mitte der 1970er Jahre für Deutschland noch mehr als für andere Staaten eine Ausnahmeerscheinung gewesen zu sein, während die ökonomischen Bedingungen seitdem eher dem Normalfall entsprechen. Zweitens deckt sich der Paradigmenwechsel innerhalb der Wirtschaftstheorie zeitlich nicht mit dem Übergang vom Aufschwung zur Rezession. Drittens gab es – im Unterschied zu einigen anderen hochentwickelten Ländern – in Deutschland keinen fundamentalen Wandel in der Wirtschafts- und Sozialpolitik, weder in den 1970ern noch – zumindest in einigen Politikfeldern – bis heute. Im Rückblick mögen die Jahre zwischen dem Zweiten Weltkrieg und der Mitte der 1970er lediglich als eine Interimsperiode erscheinen, die seitdem graduell durch zunehmenden internationalen Wettbewerb beendet wurde.

Interview:
Hermann Wentker, Die DDR in den Augen des BND (1985–1990). Ein Interview mit Dr. Hans-Georg Wieck.

In Anbetracht der Tatsache, dass in den 1980er Jahren kaum jemand den Untergang der DDR voraussah, ist die Frage, wie der Bundesnachrichtendienst (BND) damals die Situation in Ost- und Ostmitteleuropa beurteilte, von besonderem Interesse. Da dessen Akten zu diesem Thema noch auf lange Sicht verschlossen bleiben werden, sind wir einstweilen auf Auskünfte der damals beteiligten Personen angewiesen. Ein Interview mit Hans-Georg Wieck, BND-Präsident von 1985 bis 1990, enthält wertvolle Einsichten. Er befasst sich in seinen Ausführungen vor allem mit drei Themen: 1. Wie wurde die geostrategische Situation der Sowjetunion im Hinblick auf ihre Satellitenstaaten vom BND wahrgenommen? 2. Wie schätzte der BND die wirtschaftliche und humanitäre Situation in der DDR und die Einstellung der Ostdeutschen zur deutschen Einheit ein? 3. Wie ging die westdeutsche Führung mit den Informationen, die sie vom BND zu diesen Fragen erhielt, um?

Notizen:
Klaus-Dietmar Henke, Systemstabilität und die Entkoppelung der Gewalt. Ludolf Herbst zum 65. Geburtstag.
Dieter Pohl, Erste Ergebnisse eines Großprojekts. Die Vorstellung der ersten Bandes der Edition „Die Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden durch das nationalsozialistische Deutschland 1933–1945” in Berlin.
Thomas Schlemmer, Hans Woller, Schreib-Praxis. Das Instituts für Zeitgeschichte organisiert zum zweiten Mal ein anwendungsorientiertes Schreibseminar.

Rezensionen online:
Januar – März 2008

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