Historische Zeitschrift Heft 266/1/2 · 1997

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Historische Zeitschrift Heft 266/1/2 · 1997
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Erschienen
München 1997: Oldenbourg Verlag
Erscheint 
6mal jährlich, 3 Hefte ergeben einen Band

 

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Institution
Historische Zeitschrift (HZ)
Land
Deutschland
c/o
Prof. Dr. Andreas Fahrmeir Redaktion Historische Zeitschrift Historisches Seminar der Johann Wolfgang Goethe-Universität Norbert-Wollheim-Platz 1 60323 Frankfurt am Main
Von
Jaroschka, Gabriele

Inhaltsverzeichnis

Rubrik: Aufsaetze

W. Ameling: Landwirtschaft und Sklaverei im klassischen Attika
Es ist eine weitverbreitete Ansicht, dass ein grosser Teil der Landarbeit im Athen des 5. und 4. Jahrhunderts (und von daher vielleicht auch in Griechenland insgesamt) von Sklaven geleistet worden sei, was den Freien erst die politische Taetigkeit eines Buergers ermoeglicht habe. Da diese UEberlegungen durch direkte schriftliche Aussagen antiker Autoren nicht gestuetzt werden, muss eine Antwort von den allgemeinen politischen und sozialen Parametern der attischen Gesellschaft ausgehen. Es zeigt sich, dass die Annahme einer weit verbreiteten, laendlichen Sklaverei falsch ist, was wiederum Konsequenzen fuer die politischen Partizipation der Bauern und die soziale Struktur der attischen Demen hat.
G. Algazi: Ein gelehrter Blick ins lebendige Archiv. Umgangsweisen mit der Vergangenheit im fuenfzehnten Jahrhundert
Kann man fuer historische Gesellschaften nachweisen, dass sich soziale Gruppen voneinander durch ihre Umgangsweise mit der Vergangenheit unterscheiden? Hierzu wird versucht, der laendlichen Praxis der Rechtsweisung im 15. Jahrhundert eine spezifische Konstruktionsweise der Vergangenheit zu entlocken. Diese Vergangenheit gab sich alt, auch wenn sie jung an Jahren war; einmal in dieser seichten Vergangenheit gebadet, tauchten gewohnte Praktiken in neuer Gestalt auf, derjenigen des Althergebrachten. So trug die Selbstdarstellung des laendlichen Rechts zur Befestigung des Bildes vom baeuerlichen "Traditionalismus" bei. Laesst sich dieser Befund durch die Muendlichkeit der Weisungstradition erklaeren? Diese Hypothese wird aus theoretischer Sicht kritisiert und anhand einer Fallanalyse empirisch ueberprueft. Die herausgearbeitete Konstruktionsweise der Vergangenheit wird mit einem Beispiel der "gelehrten" Konstruktion bei Nikolaus Cusanus in einer Stelle seiner "Concordantia catholica" verglichen. Der Vergleich foerdert konvergierende Vergangenheitsbilder und analoge - doch unterschiedlich modulierte - Strategien ans Licht und legt die Vielschichtigkeit des jeweiligen Umgangs mitder Vergangenheit frei. Cusanus zeigte sich imstande, den Kontext vergangener Praktiken zu rekonstruieren, andere als kontextlose Reste zu betrachten; Bauern ihrerseits konnten sich vergesslich und unwissend geben oder auch als diejenigen, die ein langes Gedaechtnis besitzen. Die Kohaerenz dieser entgegengesetzten Strategien sollte auf der Ebene der praktischen, sozial determinierten Logik gesucht werden. Daraus entsprangen spezifische Figuren der historischen Imagination: Gelehrte "mittlere Alter", die mit dem geschichtswissenschaftlichen Begriff vom "Mittelalter" verwandt zu sein scheinen, ebenso wie laienhaft angedeutete "Vorzeiten", mit deren Hilfe Bauern versuchen konnten, die Herrschaft der Vergangenheit abzuschuetteln. Im Falle der unterworfenen Bauern implizierte die "Muendlichkeit" der Tradition eine schwierige Naehe zur inkorporierten Vergangenheit, wenn man als lebendiges Archiv zu wirken hatte. Der Umgang mit der Vergangenheit hing daher mit der Beziehung der Akteure zu sich selbst und zur sozialen Welt zusammen und auf diese mittelbare Weise mit ihrer eigenen sozialen Position.
G. Walther: Adel und Antike. Zur politischen Bedeutung gelehrter Kultur fuer die Fuehrungselite der fruehen Neuzeit
Die im akademischen Studium oder in adliger Musse erworbene Kenntnis des griechisch-roemischen Altertums praegte nachhaltig den politischen Vorstellungshorizont fruehneuzeitlicher Eliten. Nicht nach den Inhalten dieses Wissens jedoch fragt dieser Beitrag, sondern nach den Formen seiner Umsetzung in politische Symbole und Rituale. Sprechen ueber die klassische Antike stiftete Gruppenidentitaeten und verkuendete Machtansprueche. Adlige Antikensammlungen wurden zu Symbolen fuer das Beziehungs- und Klientelnetz ihrer Besitzer, aber auch zu Medien der fuer das absolutistische Zeitalter charakteristischen halboffiziellen Diplomatie. Die spezifisch adlige Antikenkultur endete mit dem 18. Jahrhundert, als ihre Ideale und Methoden von den Universitaeten nachgeahmt und uebernommen wurden.
C. Nonn: Zwischenfall in Konitz. Antisemitismus und Nationalismus im preussischen Osten um 1900
C. J. Classen: Neue Historische Literatur. Rhetorische Bemerkungen zu einem historiographischen Text

HZ 266/1

Rubrik: Aufsaetze

M. Brenner: Juedische Geschichte an deutschen Universitaeten - Bilanz und Perspektive
Der Aufsatz beschreibt in einem knappen UEberblick die bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts zurueckreichende Versuche, das Studium juedischer Geschichte und Kultur an den deutschen Universitaeten zu etablieren. Diesbezuegliche Anstrengungen, angefangen von dem Gruender der Wissenschaft des Judentums, Leopold Zunz, im Jahre 1848 bis hin zu einer Initiative der Juedischen Gemeinde zu Berlin am Vorabend des Ersten Weltkriegs, scheiterten am Widerstand des akademischen Establishments sowie der zustaendigen Behoerden. Zwar wuchs waehrend der Weimarer Republik das Interesse an der Erforschung juedischer Geschichte und Kultur auch ausserhalb der bis dahin recht isolierten juedischen Rabbinerseminare, doch wurde eine eigener Lehrstuhl auch in dieser Epoche an keiner deutschen Universitaet eingerichtet. Waehrend des Dritten Reichs eroeffnete die "Erfortschung der Judenfrage" mit der Errichtung einiger speziell diesem Zweck gewidmeter Forschungsinstitute ein neues unruehmliches Kapitel der Beschaeftigung mit juedischer Geschichte und Kultur in Deutchland. Erst nach der weitgehenden Dezimierung des deutschen Judentums hat sich die Beschaeftigung mit juedischer Geschichte und Kultur als integraler Bestandteil der Lehre und Forschung an deutschen Universitaeten durchsetzen koennen. Dies geschah seit den sechziger Jahren zum einen in den neubegruendeten Judaistikinstituten, zum anderen innerhalb des Studiums neuerer deutscher Geschichte. Seit den achtziger Jahren haben Studiengaenge fuer Juedische Studien dieses Forschungsgebiet weiter bereichert. Mit dem Lehrstuhl fuer Juedische Geschichte und Kultur an der Universitaet Muenchen ist zum ersten Mal an einer deutschen Universitaet das Studium der juedischen Geschichte in einem historischen Institut vollstaendig verankert. Zu den wichtigsten Aufgaben des neuen Lehrstuhls gehoeren das Lehrangebot der juedischen Geschichte, insbesondere der neueren Zeit, in ihrer Gesamtheit und die Einbeziehung der Vermittlung hebraeischer sowie jiddischer Sprachkenntnisse.
E. Baltrusch: Die Christianisierung des Roemischen Reiches. Eine Zaesur in der Geschichte des Judentums
Die Rechtsstellung der Juden im Corpus Iuris (534) ist ausserordentlich schlecht. Ist es gerechtfertigt fuer diese Tatsache die Christianisierung des Roemischen Reiches seit Constantin verantwortlich zu machen? Judaisten, Historiker oder Antisemitismusforscher haben den Zusammenhang zwischen Diskriminierung von Juden und Aufstieg des Christentums immer wieder und einmuetig herausgestellt, ja sogar in der christlichen Haltung zu den Juden die Fundamente des modernen Antisemitismus sehen wollen. Dieses Ergebnis ist unhaltbar, weil 1. die Quellen keinen direkten Zusammenhang zwischen der Verschlechterung des juedischen Status und dem Aufstieg des Christentums erkennen lassen, weil 2. die christlichePosition keineswegs einer sozialen und rechtlichen Minderstellung der Juden das Wort geredet hat und weil 3. das grundsaetzliche Verhaeltnis zwischen der roemischen Weltmacht und ihren Untertanen in der Forschung keine Beachtung gefunden hat. Zaesuren in den juedisch-roemischen Beziehungen sind jene Phasen gewesen, in denen die Reichsverwaltung vereinheitlicht wurde; denn in solchen Phasen (z.B. Hadrians Verwaltungsreform) wurde das Leben von Juden als Juden ebenfalls eingeschraenkt. Die rechtliche und soziale Stellung der Juden im roemischen Reich wurde also mehr von den innerstaatlichen Veraenderungen als von der Ausbreitung der christlichen Religion bestimmt.
J. Peterson: Ueber monarchische Insignien und ihre Funktion im mittelalterlichen Reich
Die Insignienforschung in Deutschland hat unter dem Einfluss des Stereotyps, dass in der Rechtswirkung der mittelalterlichen Koenigskroenung "echte" und "falsche" Objekte zu unterscheiden seien, eine Zweiklassenlehre der monarchischen Symbole entwickelt, die den Blick auf die tatsaechliche Rolle der Herrschaftszeichen im politischen Alltag verstellt hat. Die Funktion der Herrscherinsignien im mittelalterlichen Reich wird anhand ihrer vielgestaltigen Verwendung in der Praxis oeffentlichen Handelns erlaeutert, deren Form auch durch die kultische Verehrung der Reichsreliquien im Spaetmittelalter nicht grundsaetzlich veraendert wurden. Das Insignienzeremoniell des mittelalterlichen Kaisertums erschliesst sich als wesentlicher Bestandteil der politischen Aktivitaet und Selbstdarstellung der monarchischen Amtstraeger dieser Epoche.

Rubrik: Neue historische Literatur

G.Metzler: Zeitgeschichte im Parlament. Die Materialien der Enquete-Kommission "Aufarbeitung von Geschichte und Folgen der SED-Diktatur in Deutschland"

Die Historische Zeitschrift erscheint in 6 Heften pro Jahr (2 Bände). Abonnenten der HZ erhalten Beihefte und die Sonderhefte der HZ sowie die Historische Bibliographie zum ca. 20% ermäßigten Preis.

Die Historische Zeitschrift ist durch die Gesamtregister 1859-1992 bestens erschlossen. Die Jahrgänge 1990-1995 sind auch auf CD-ROM verfügbar und werden jährlich um den neuesten Jahrgang der HISTORISCHEN BIBLIOGRAPHIE ergänzt (Preis im Abonnement: ca. DM 78,-).

Die Historische Zeitschrift erscheint im Februar, April, Juni, August, Oktober und Dezember. Je 3 Hefte ergeben einen Band.

Jahresabonnement 1998 (2 Bände): DM 486,- Jahresabonnement 1998 für Studenten und Mitglieder von Historikerverbänden: DM 243,- Einzelheft: DM 98,- zzgl. Versandspesen

Lektorat-w@verlag.oldenbourg.de

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