Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 57 (2009), 2

Titel der Ausgabe 
Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 57 (2009), 2
Weiterer Titel 

Erschienen
München 2009: Oldenbourg Verlag
Erscheint 
vierteljährlich
Preis
Jahresabo: 66 €, Stud.abo: 38 € Mitgl.abo. hist. u pol. Fachverbände: 52,80 €, Online-Zugang: 66 €, Print- und Online-Abo 66 €

 

Kontakt

Institution
Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte
Land
Deutschland
c/o
Redaktion Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte Institut für Zeitgeschichte, Leonrodstraße 46b, 80636 München, vfz@ifz-muenchen.de
Von
Jaroschka, Gabriele

Liebe Listenmitglieder,
lesen Sie im neusten Heft der Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte, welch unkonventionelle Wege Deutschland im heißen Herbst 1977 bei der Terrorismusbekämpfung beschritt: An geheimem Ort in Wien verhandeln im November 1977 der österreichische Bundeskanzler Bruno Kreisky, sein Innenminister und ein Vertreter von Hans-Jürgen Wischnewski, dem Staatsminister im Bundeskanzleramt, mit zwei international gesuchten Terroristen der PLO.

Ihr Oldenbourg Wissenschaftsverlag

Inhaltsverzeichnis

INHALTSVERZEICHNIS

Aufsätze

Andreas Wirsching, Konsum statt Arbeit? Zum Wandel von Individualität in der modernen Massengesellschaft

Gegenstand des Aufsatzes ist das prekäre und uneindeutige Verhältnis zwischen Arbeit, Konsum und Individualität in der modernen Massenkultur. Ausgegangen wird dabei zunächst von der langen Tradition des europäischen Skeptizismus gegenüber der Konsumgesellschaft, die ihrerseits unterschiedliche Wurzeln hat. Konservative, (neo-)liberale und marxistische Traditionen wirkten zusammen, diese grundsätzlich kulturkritische Position bis in die 1970er Jahre hinein aufrecht zu erhalten. Erst in neuester Zeit ist diese Kritik zurückgetreten zugunsten einer grundsätzlichen Akzeptanz des amerikanischen Modells des consumerism. Vor diesem Hintergrund tritt der Faktor Arbeit als ökonomische und moralische Instanz persönlicher Individualität im Verlauf des 20. Jahrhunderts zurück zugunsten der sich in der Massenkultur vervielfältigenden Möglichkeiten, Individualität durch Konsum zu konstruieren. Der Beitrag analysiert diesen tiefgreifenden Wandlungsprozess und reflektiert zugleich Chancen und Grenzen des gegenwärtig aktuellen wissenschaftlichen Paradigmas der Konsumgesellschaft.

Andreas Wirsching, Consumption Instead of Work? Regarding the Change of Individuality in Modern Mass Society

The object of the essay is the precarious and ambiguous relationship between work, consumption and individuality in modern mass culture. It initially starts off from the long-lasting tradition of European scepticism towards consumer society with its different roots. Conservative, (neo-)Liberal and Marxist traditions worked together to uphold this – at its core culture-critical – position well into the 1970s. Only recently, this criticism has retreated to the benefit of a fundamental acceptance of the American model of consumerism. Against this background the role of one’s occupation as an economical and moral instance of personal individuality has been receding during the course of the 20th century. Instead, social construction of personal individuality in modern mass culture takes place through an ever increasing multitude of means of consumption. The article analyzes this profound process of cultural change and at the same time reflects upon the opportunities and limits of the current scholarly paradigm concerning consumer society.

Matthias Dahlke, Das Wischnewski-Protokoll. Zur Zusammenarbeit zwischen westeuropäischen Regierungen und transnationalen Terroristen 1977

Das „Wischnewski-Protokoll“ ist das Wortlautzeugnis einer bemerkenswerten Zusammenkunft, die im Herbst 1977 in Wien stattfand. Am Tisch saßen der österreichischen Bundeskanzler Bruno Kreisky, im Auftrag der deutschen Bundesregierung ein Vertrauter Hans-Jürgen Wischnewskis und zwei höchstrangige palästinensischen Terroristen, darunter einer der Drahtzieher des Anschlags auf die Olympischen Spiele 1972 in München, Ali Hassan Salameh. Kurz nach der Ermordung Hanns Martin Schleyers und der Entführung der „Landshut“ nach Mogadischu diskutierten die ungleichen Partner über ein Ende des Terrorismus in Europa, das die Palästinenser durch ihre intimen Kenntnisse der terroristischen Netzwerke herbeiführen wollten. Die verlangte Gegenleistung: Politische Anerkennung der PLO, die nicht zuletzt durch das öffentliche Treffen Jassir Arafats mit Willy Brandt und Bruno Kreisky 1979 in Wien erreicht wurde. Die Motivationen der Teilnehmer waren höchst unterschiedlich, jedoch soweit kongruent, dass mindestens im Falle Österreichs „Vereinbarungen“ getroffen wurden. Auch wenn ein Großteil der offenbar langjährig betriebenen Geheimdiplomatie nicht den Weg ins Archiv gefunden haben dürfte, zeigt dieser seltene Fund, dass auch unkonventionellen Wege in der westeuropäischen Antiterrorismuspolitik der 1970er Jahre beschritten wurden.

Matthias Dahlke, The Wischnewski Protocol. On the Collaboration Between Western European Governments and Transnational Terrorists 1977

The “Wischnewski protocol” provides testimony about a remarkable gathering in Vienna in autumn 1977. The participants were the Austrian chancellor Bruno Kreisky and a confidant of Hans-Jürgen Wischnewski for the Federal German government as well as two Palestinian terrorists of the highest rank, among them Ali Hassan Salameh, who was deeply involved in the organization of the 1972 Olympic Games massacre in Munich. Shortly after the murder of Hanns Martin Schleyer and the skyjacking of the “Landshut” plane to Mogadishu, these unequal partners discussed an end to terrorism in Europe, which the Palestinians were supposed to achieve through their intimate knowledge of the terrorist networks. The PLO in return demanded political recognition which was ultimately reached by a public meeting in Vienna of Yasser Arafat with Willy Brandt and Bruno Kreisky in 1979. The motivations of the participants diverged greatly, but were sufficiently congruent to come to “agreements”, at least in the case of Austria. Although most of the secret diplomacy will not have left traces in the archives, this valuable source is one rare example of how unconventionally Western European governments could pursue their anti-terrorism policy in the 1970s.

Gerhard Wettig, Die Sowjetunion in der Auseinandersetzung über den NATO-Doppelbeschluss 1979–1983

Mit der Mittelstreckenrakete SS 20 suchte die UdSSR sich eine Erstschlagsfähigkeit in Europa zu verschaffen. Das rief bei Bundeskanzler Schmidt und anderen Regierungschefs in Westeuropa Sorge hervor. US-Präsident Carter lehnte es ab, dieses Waffensystem zu einem Thema bei den Verhandlungen über strategische Rüstungskontrolle zu machen; er wollte das Problem durch eine eurostrategische Gegenrüstung lösen. Schmidt unterbreitete ein paralleles Verhandlungsangebot, musste aber, falls die UdSSR nicht darauf eingehen sollte, die Gegenrüstung gegen eine weithin antinukleare Öffentlichkeit in seinem Land durchsetzen. Um das zu vermeiden, war Schmidt zu weitreichenden Zugeständnissen bereit, doch die sowjetische Führung lehnte jeden Kompromiss ab und verteidigte ihr Euroraketenmonopol durch Unterstützung der sich formierenden Anti-Raketen-Bewegung in der Bundesrepublik. Diese nahm zwar enormen Umfang an und führte zu Schmidts Sturz, doch nach Reagans Amtsübernahme in Washington Anfang 1981 geriet die UdSSR politisch in die Defensive, und die Standhaftigkeit von Schmidts Nachfolger Kohl ließ die westdeutschen Raketengegner scheitern.

Gerhard Wettig, The Soviet Union and the Debate about NATO’s Double Track Decision 1979-1983

Soviet medium range ballistic SS 20 missiles were designed to achieve first strike capability on this side of the Atlantic. Chancellor Schmidt and other major leaders in Western Europe sensed the implied threat, but President Carter declined to address the problem by negotiations about strategic arms control. He proposed Euro-strategic counter-armament measures instead. Schmidt made a simultaneous offer to negotiate; if, however, the USSR failed to accept it, he would have to implement counter-armament deployments despite the predominantly antinuclear sentiment in his country. To avoid this, he was willing to grant extensive concessions, but the Soviet leadership rejected any compromise and defended its Euro-missile monopoly by supporting the emerging antimissile movement in the Federal Republic. Opposition to NATO missile deployment grew stronger than expected and resulted in Schmidt's dismissal; nonetheless, politically the USSR was put into the defensive after Reagan’s inauguration in Washington in early 1981 and by the steadfast commitment of Schmidt’s successor Kohl, which led to the failure of the West German antimissile opposition.

Dokumentation

Florian Beierl und Othmar Plöckinger, Neue Dokumente zu Hitlers Buch Mein Kampf.

Im Herbst 2006 kamen in München fünf Seiten eines Manuskripts und 18 Seiten eines Konzepts an die Öffentlichkeit, die sich nach umfangreichen inhaltlichen, materialtechnischen sowie hand- und maschinenschriftlichen Untersuchungen als Entwürfe aus der Hand Adolf Hitlers zu seinem Buch Mein Kampf erwiesen. Sie entstanden im Frühjahr und Sommer 1924 während seiner Festungshaft in Landsberg und stellen den umfangreichsten Textkörper dar, der von Hitler vor der Veröffentlichung seines Buches bekannt ist. Die Dokumente geben nicht nur Einblick in Hitlers Arbeitsweise, sondern auch in seine politische und ideologische Entwicklung Mitte der 1920er Jahre. In biografischer Hinsicht stehen diese Dokumente damit an einer zentralen Schnittstelle zwischen dem rabiaten Parteiführer und dem ideologischen „Programmatiker“, als den sich Hitler in dieser Zeit zunehmend sah.

Florian Beierl/Othmar Plöckinger, New Documents about Hitler’s Book Mein Kampf

In autumn 2006, five pages of a manuscript and 18 pages of a draft appeared in Munich. After extensive analysis of the content, paper, handwriting and typewriter samples, they were determined to be early drafts by Adolf Hitler for his book Mein Kampf (My Struggle). They were written in spring and summer 1924 during his imprisonment in Landsberg and represent the largest known text corpus by Hitler before the publication of his book. Not only do the documents provide insights into Hitler’s methods of text production, but also into his political and ideological development in the middle of the 1920s. In biographical terms, these documents represent a central link between the overzealous party leader and the ideological “theorist”, which was what Hitler increasingly considered himself to be.

Notizen

Thomas Schlemmer und Hans Woller:, Schreib-Praxis. Das Institut für Zeitgeschichte und der Oldenbourg Verlag organisieren zum dritten Mal ein anwendungsorientiertes Schreibseminar (7.–11. September 2009)

Thomas Schlemmer/Hans Woller, Writing in praxis: The Institut für Zeitgeschichte and the Oldenbourg Verlag organizes a course for the third time (September 7.-11th, 2009)

Rezensionen

Rezensionen online (Januar–März 2009)
Reviews online (January-March 2009)

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