Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 57 (2009), 3

Titel der Ausgabe 
Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 57 (2009), 3
Weiterer Titel 

Erschienen
München 2009: Oldenbourg Verlag
Erscheint 
vierteljährlich
Preis
Jahresabo: 66 €, Stud.abo: 38 € Mitgl.abo. hist. u pol. Fachverbände: 52,80 €, Online-Zugang: 66 €, Print- und Online-Abo 66 €

 

Kontakt

Institution
Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte
Land
Deutschland
c/o
Redaktion Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte Institut für Zeitgeschichte, Leonrodstraße 46b, 80636 München, vfz@ifz-muenchen.de
Von
Jaroschka, Gabriele

Die Entführung der „Landshut“ steht im kollektiven Gedächtnis der Bundesrepublik stellvertretend für den Terror der RAF und die Wehrhaftigkeit der noch jungen Demokratie. Dass die Krise des „Deutschen Herbstes“ auch außenpolitisch gravierende Folgen hatte, ist bisher kaum beachtet worden. Lernen Sie mehr dazu und lesen Sie den Beitrag von Tim Geiger in den aktuellen Vierteljahrsheften für Zeitgeschichte.

Ihr Oldenbourg Wissenschaftsverlag

Inhaltsverzeichnis

INHALTSVERZEICHNIS

Aufsätze

Johannes Hürter: Anti-Terrorismus-Politik. Ein deutsch-italienischer Vergleich 1969-1982

Italien und die Bundesrepublik waren in den 1970er Jahren die westeuropäischen Staaten, die am stärksten von linksterroristischen Anschlägen und Morden erschüttert wurden. Die Wechselwirkung von Terrorismus, Staat und Gesellschaft prägte in beiden Demokratien ein ganzes Jahrzehnt. Das politisch-administrativen Handeln gegen den Terrorismus zeigte, wenn auch zeitversetzt, in beiden Staaten einige Übereinstimmungen. Hier wie dort wurde der Sicherheitsapparat massiv ausgebaut und das Strafrecht erheblich verschärft. Jedoch gab es länderspezifische Unterschiede. Während die sozialliberale Bundesregierung systematisch, aber lange auch einseitig auf Polizei und Justiz setzte, reagierte die italienische Regierungspolitik flexibler und bemühte sich früher um Deeskalation durch Dialog. Dazu sah sie sich auch deshalb gezwungen, weil der Linksterrorismus in Italien deutlich mehr Anhänger besaß und daher gefährlicher war als in der Bundesrepublik. Aufs Ganze gesehen gelang es beiden Staaten, nicht nur den Terrorismus, sondern auch radikale Konzepte zu seiner Bekämpfung abzuwehren. Trotz aller Befürchtungen geriet der Rechtsstaat zu keiner Zeit ernsthaft in Gefahr. Diese Befürchtungen waren in der Bundesrepublik größer als in Italien, wo die Sorge um den „schwachen Staat“ überwog und man erleichtert war, dass die Regierung viel entschlossener handelte, als man es ihr zugetraut hatte. Dagegen trug in Deutschland die Angst vor dem „Überwachungsstaat“ dazu bei, dass am Ende des Jahrzehnts die „Neuen Sozialen Bewegungen“ entstanden, die sich allerdings in das politische System integrieren ließen. Auch in dieser Hinsicht führte die Auseinandersetzung mit dem Terrorismus letztlich zu einer Stärkung der liberalen Zivilgesellschaft.

Johannes Hürter, Counterterrorism Policy. A Comparison of Germany and Italy, 1969-1982

During the 1970s, the Western European states most severely hit by left-wing terrorist attacks and murders were Italy and the Federal Republic. The interdependency of terrorism, state and society shaped the whole decade for both democracies. In both states, the political and administrative actions against terrorism show several concurrences, albeit with a delay. Here and there, the security apparatus was broadly expanded and the penal code was made more stringent. Yet there were also differences peculiar to the respective countries. While the social-liberal Federal Government systematically (and for a long time somewhat one-sidedly) emphasised the police and the justice system, Italian government policy reacted more flexibly and strove for de-escalation through dialogue at a much earlier date. It was forced to do so due to the fact that left-wing terrorism possessed many more adherents in Italy and was therefore more dangerous than in Germany. All in all, both states succeeded in fending off not only terrorism, but also radical concepts to fight it. Despite misgivings, the rule of law was never in danger. These fears were more extensive in the Federal Republic than in Italy, where worries of a “weak state” prevailed and there was general relief when the government acted more decisively than expected. In Germany however, fear of a “surveillance state” contributed to the development of the “new social movements” at the end of the decade, even though it was possible to integrate them into the political system. In this respect, the confrontation with terrorism ultimately also contributed to a strengthening of liberal civil society.

Roman Töppel: Kursk – Mythen und Wirklichkeit einer Schlacht

In den vergangenen Jahren hat die Erforschung der Sommerkämpfe an der Ostfront 1943 ganz wesentliche Fortschritte gemacht. Viele der alten Mythen des „Großen Vaterländischen Krieges“ konnten seit der Öffnung des russischen Militärarchivs widerlegt werden. Durch die Fokussierung auf die sowjetischen Legenden ist jedoch aus dem Blick geraten, dass auch die Darstellungen der deutschen Seite von Zerrbildern geprägt sind, die vor allem eigene Fehlentscheidungen und Schwächen verdecken sollen. Zudem lässt sich in den jüngeren deutschen Veröffentlichungen eine neuartige Verklärung beobachten: Während früher der Tenor der sowjetischen Geschichtsschreibung vorherrschte und die Schlacht bei Kursk als vernichtende und kriegsentscheidende Niederlage der Wehrmacht angesehen wurde, lautet die neue Lesart: Die Wehrmacht habe der Roten Armee bei Kursk unter minimalen eigenen Verlusten eine schwere taktische Niederlage zugefügt, die nur wegen der westalliierten Landung auf Sizilien (Operation „Husky“) nicht zu einem operativen Gesamterfolg ausgebaut werden konnte. Dabei werden sowohl Kräfte- und Verlustverhältnisse als auch operative Entscheidungen verzerrt dargestellt. Dies wird im vorliegenden Beitrag anhand der wichtigsten deutschsprachigen Veröffentlichungen der letzten Jahre über die Schlacht bei Kursk aufgezeigt.

Roman Töppel, Kursk – Myths and Reality of a Battle

Historical research on the battles at the Eastern Front in the summer of 1943 has made considerable progress in recent years. It became possible to refute many of the old myths of the “Great Patriotic War” since the opening of the Russian Military Archives . Yet due to the focus on Soviet legends, it is easy to overlook that German accounts are full of misrepresentations as well which were intended to conceal one’s own wrong decisions and weaknesses. Moreover, a new kind of glorification is evident in the latest German publications: While in the older literature the Soviet point of view was predominant and the Battle of Kursk was described as a crushing and decisive defeat of the Wehrmacht, the new interpretation is the opposite. Allegedly the Wehrmacht won a tactical victory with just minimal losses and only the Anglo-American landing operation in Sicily (Operation “Husky”) prevented the Germans from expanding their success to a complete operational triumph. Both strength and loss ratios as well as operational decisions are being depicted in a distorted fashion. This is demonstrated in the present article by examining the latest German publications on the Battle of Kursk.

Dominik Geppert: Großbritannien und die Neue Ostpolitik der Bundesrepublik

Der Aufsatz untersucht die Einstellung britischer Politiker, Diplomaten und Publizisten gegenüber den ost- und deutschlandpolitischen Neuorientierungen in der Bundesrepublik Ende der 1960er, Anfang der 1970er Jahre. Willy Brandt hat zu diesem Thema in seinen Erinnerungen notiert, das Misstrauen gegen die von ihm initiierte Politik sei an der Themse geringer ausgeprägt gewesen als in Washington oder Paris. Eine Analyse der britischen Regierungsakten ergibt jedoch, dass die Dinge auch in London komplizierter lagen. Insbesondere bei der Aushandlung des Moskauer Vertrages traten britische Sichtweisen und Deutungsmuster zutage, die auf beträchtliche Vorbehalte gegenüber der Neuen Ostpolitik der Bundesrepublik verweisen. Für das erstaunlich gute Zusammenspiel zwischen den Regierungen in Bonn und London gab es verschiedene Gründe: von der Einbettung der deutschen Ostpolitik in den Gesamtkomplex der Ost-West-Beziehungen und der Dialektik deutscher Ost- und britischer Europapolitik über den Wechsel von Personen und Generationen bei den Entscheidungsträgern bis hin zu wirtschaftspolitischen Überlegungen der britischen Regierung und den Eigengesetzlichkeiten der britischen Parteipolitik und Medienöffentlichkeit.

Dominik Geppert, Great Britain and the New Eastern Policy of the Federal Republic

The article analyses the attitudes of British politicians, diplomats and journalists towards the reorientations of the Federal Republic’s policy regarding Eastern Europe and the German Question at the end of the 1960s and the beginning of the 1970s. Willy Brandt notes in his memoirs that misgivings against these policies which he initiated were much more limited in Whitehall compared to Washington or Paris. An analysis of British Government files however shows that things were somewhat more complicated in London. Especially during negotiations of the Treaty of Moscow, British points of view and interpretations emerged which point towards considerable reservations towards the Federal Republic’s New Eastern Policy. There were diverse reasons for the astonishingly positive rapport between the governments in Bonn and London: the embedding of German Eastern policy into the whole complex of East-West relations, the dialectic of German Eastern and British European policy, the (generational) changing of the guard among decision-makers and even economic considerations of the British government as well as peculiarities of the British party political landscape and media.

Tim Geiger: Die "Landshut" in Mogadischu. Das außenpolitische Krisenmanagement des Bundesregierung angesichts der terroristischen Herausforderung 1977

Die terroristische Herausforderung des demokratischen Rechtsstaats durch die „Rote Armee Fraktion“ (RAF) im Herbst 1977 ist bislang primär unter innen- und gesellschaftspolitischen Aspekten untersucht worden. Wenig bekannt dagegen ist, daß die Entführung von Hanns Martin Schleyer bzw. der Lufthansa-Maschine „Landshut“ für die Bundesrepublik auch außenpolitisch zu einer zentralen Bewährungsprobe wurde. Anhand jüngst freigegebener Akten des Auswärtigen Amts wird das außenpolitische Krisenmanagement der Bundesregierung in jenen Monaten, erstmals gestützt auf staatliche Quellen, rekonstruiert und in den Kontext der westdeutschen Außenpolitik bzw. des internationalen Systems eingebettet. Bonn hatte dabei die schwierige diplomatische Aufgabe zu bewältigen, befreundete Regierungen, aber auch solche zu Kooperationsbereitschaft zu bewegen, zu denen kaum gefestigte Beziehungen bestanden und denen vielfach selbst der Ruf anhaftete, mit terroristischen Bewegungen zu sympathisieren. Als Gegenleistung für die bei der Flugzeugbefreiung in Mogadischu geleistete Unterstützung war die Bundesregierung letztlich sogar bereit, für das tief in den Horn-von-Afrika-Konflikt verstrickte Somalia indirekt und verschleiert Abstriche bei ihrer Praxis einer restriktiven Rüstungsexportpolitik hinzunehmen.

Tim Geiger, The “Landshut” in Mogadishu. The International Crisis Management of the German Federal Government against the Terrorist Challenge in 1977

Until now, the terrorist challenge to democracy and the rule of law by the „Rote Armee Fraktion“ (RAF) in autumn 1977 has been primarily analyzed in terms of its domestic and socio-political dimensions. It is less well know that the kidnapping of Hanns Martin Schleyer and the hijacking of Lufthansa airplane “Landshut” also posed a crucial test of strength for the foreign policy of the Federal Republic of Germany. Newly released files from the German Foreign Office for the first time allow for a reconstruction of the international crisis management of the Federal Government during these decisive months through the use of official state sources, thus placing its crisis management into the larger context of West German foreign policy and the international system. Bonn had to face the difficult diplomatic task of ensuring the cooperation not only of friendly governments, but also of states to which there were virtually no reliable relations – or which even had a reputation of being sympathetic to terrorist movements. In return for assistance in freeing the hijacked aircraft in Mogadishu, the Federal Government was ultimately even ready to make an indirect and covert exception from its restrictive military exports policy for Somalia, which was deeply involved in the conflict at the Horn of Africa.

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