Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 57 (2009), 4

Titel der Ausgabe 
Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 57 (2009), 4
Weiterer Titel 

Erschienen
München 2009: Oldenbourg Verlag
Erscheint 
vierteljährlich
Preis
Jahresabo: 66 €, Stud.abo: 38 € Mitgl.abo. hist. u pol. Fachverbände: 52,80 €, Online-Zugang: 66 €, Print- und Online-Abo 66 €

 

Kontakt

Institution
Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte
Land
Deutschland
c/o
Redaktion Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte Institut für Zeitgeschichte, Leonrodstraße 46b, 80636 München, vfz@ifz-muenchen.de
Von
Jaroschka, Gabriele

Liebe Listenmitglieder,

finden sich in der heutigen Weltwirtschaftskrise Parallelen zu 1929? Können wir aus Wirschaftskrisen überhaupt lernen? Lesen Sie im neuesten Hefte der Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte nach, welche Schlüsse Werner Abelshauser aus dem Vergleich der Krisenszenarien zieht.

Ihr Oldenbourg Wissenschaftsverlag

Inhaltsverzeichnis

INHALTSVERZEICHNIS

Aufsätze:

Werner Abelshauser: Aus Wirtschaftskrisen lernen – aber wie? Krisenszenarien im Vergleich

Der diachrone historische Vergleich lässt sich nicht auf die Ebene der Ereignisse anwenden. Möglich ist aber, historische Wirkungszusammenhänge auf ihre elementaren Voraussetzungen und Abläufe zu reduzieren, um Szenarien von synthetischer Qualität zu gewinnen. Diese sind unabhängig von ihrer ursprünglichen ereignisgeschichtlichen Einbettung übertragbar, solange sich die institutionellen Rahmenbedingungen – Denkweisen, Handlungsweisen, Spielregeln - gleichen. Schon deshalb ist der historische Vergleich keine Garküche, die das Menu gegenwärtiger Krisenstrategien aus historisch bewährten Fertigrezepten liefern könnte. Er dient aber als Ausgangspunkt für das Denken in Szenarien und liefert Prognosen für die Zukunft. Krisen unterscheiden sich von Konjunkturzyklen u. a. dadurch, dass sie die Akteure zu Entscheidungen unter Unsicherheit zwingen. Risikomanagement und routinierte Prognosen genügen nicht, um sie zu beherrschen. Gefragt sind qualitative Lösungsansätze, für die der synthetische Vergleich mit früheren Wirtschaftskrisen Anschauungsstoff bieten kann.

Werner Abelshauser, How Do We Learn from Economic Crises? Crisis Scenarios in Comparison

Diachronic historical comparison cannot be used at the level of events. It is however possible to reduce the connections of historical effects to their elementary preconditions and their sequence to derive scenarios of synthetic quality. These can be transferred independently of the events within their original context, as long as the preconceived institutional framework, the mindset, the patterns of behaviour and the rules of the game remain the same. Already for this reason, historical comparison is not a buffet with historically proven recipes, from which a menu of current crisis strategies can be derived. Instead it serves as a starting point for thinking in scenarios and it provides prognoses for the future. One of the differences between crises and the business cycle is that in a crisis the actors are forced to make decisions in an insecure environment. Risk management and routine prognoses do not provide for sufficient control. Qualitative solutions are called for; a synthetic comparison with earlier economic crises may offer illustrative material in this regard.

Heinrich August Winkler: Weimar, Bonn, Berlin. Zum historischen Ort des Grundgesetzes

Die deutsche Verfassungsgeschichte ist durch einen Prozeß der ungleichzeitigen Demokratisierung gekennzeichnet: Deutschland erhielt sehr früh, im Zuge der Reichseinigung durch Bismarck, das allgemeine gleiche Reichstagswahlrecht für Männer, aber erst sehr spät, im Gefolge der Niederlage im Ersten Weltkrieg, eine parlamentarisch verantwortliche Regierung. In der Staatskrise der Weimarer Republik seit 1930 wurde Hitler zum Nutznießer der ungleichzeitigen Demokratisierung: Er appellierte mit Erfolg an die verbreiteten Ressentiments gegenüber der angeblich „undeutschen“ Demokratie und zugleich an den Teilhabeanspruch des Volkes, der durch das allgemeine Wahlrecht verbrieft war, unter den Präsidialregierungen aber weithin ins Leere lief. Aus dem Scheitern der Weimarer Republik hat der Parlamentarische Rat 1948/49 einschneidende Konsequenzen gezogen: Die wehrhafte Demokratie des Bonner Grundgesetzes sieht Beschränkungen des Mehrheitswillens vor, wie es sie wohl in keiner anderen demokratischen Verfassung gibt. Der Beitritt der DDR zur Bundesrepublik Deutschland war angesichts der Rahmenbedingungen von 1990 der einzig realistische Weg zur Überwindung der deutschen Teilung. Eine Gefahr für die demokratische Legitimität der Bundesrepublik kann aus der Verselbständigung der Exekutivgewalt im Zuge des europäischen Einigungsprozesses erwachsen. Hiergegen hilft nur eines: die Stärkung der repräsentativen Demokratie auf nationaler wie europäische Ebene.

Heinrich August Winkler, Weimar, Bonn, Berlin. On the Historical Location of the German Basic Constitutional Law

German constitutional history is marked by a process of non-simultaneous democratisation: Germany gained universal and equal male suffrage for Reichstag elections early on during the unification of the Reich by Bismarck, but only got parliamentary government after losing the First World War. During the state crisis of the Weimar Republic since 1930, Hitler benefited from this non-simultaneous democratisation: He successfully appealed to widespread prejudices against supposedly “un-German” democracy and simultaneously pointed to the people's right of sharing in power, which was guaranteed by universal suffrage, but was mostly ineffectual during the period of the presidential governments.
In 1948/49, the Parlamentarische Rat drew drastic lessons from the failure of the Weimar Republic: The fortified democracy of the Bonn Grundgesetz or Basic Constitutional Law provides for limits to majority rule which probably surpass those in any other democratic constitution. Given the circumstances, the accession of the GDR to the Federal Republic of Germany was the only realistic path to transcend the division of Germany in 1990. The growing independence of executive power within the European process of unification can become a danger to the democratic legitimacy of the Federal Republic. There is only one countermeasure: Strengthening representative democracy on the national as well as the European level.

Stefan Guth: Erzwungene Verständigung. Die Kommission der Historiker der DDR und der Volksrepublik Polen 1956-1990

Von 1956 bis 1990 unterhielten die DDR und die Volksrepublik Polen eine Historikerkommission über die gemeinsame deutsch-polnische Vergangenheit, angesichts des zurückliegenden Krieges ein überaus diffiziler Gegenstand. Im Rahmen oktroyierter staatssozialistischer Systeme fand sie zudem unter ungünstigen Bedingungen statt. Bedacht mit dem Auftrag zur positiven Traditionsstiftung, hatte die Kommission ein weites Spannungsfeld zwischen alter „Erbfeindschaft“ und neuer Völkerfreundschaft zu überbrücken. Dabei zeigte sich rasch, dass beide Seiten ihre gemeinsame Beziehungsgeschichte ganz unterschiedlich interpretierten: Die Deutschen beriefen sich auf einen orthodoxen Klassenstandpunkt, der es gestattete, den deutschen „Faschismus“ und „Imperialismus“ einer Klasse – der Monopolbourgeoisie – und nicht einem Volk – den Deutschen – anzulasten. Dagegen blieben die Polen einer Sichtweise verpflichtet, die positive und negative historische Kräfte national konnotierte und ein reaktionäres Deutschland (Preußentum, Faschismus) mit einem progressiven polnischen Kampf um Unabhängigkeit und nationale Selbstbehauptung kontrastierte. Die daraus hervorgehenden Diskussionen gestatten Einsichten in die Mechanismen selektiven Erinnerns und Rückschlüsse auf die Möglichkeiten und Grenzen „gebundener Geschichtswissenschaft“ im staatssozialistischen Kontext.

Stefan Guth, Coerced Agreement? The Historical Commission of the GDR and the People's Republic of Poland 1956-1990

Between 1956 and 1990, East Germany and communist Poland maintained a joint historical commission about the common past of Poles and Germans; in view of the recent War, this was an immensely difficult task. Within the imposed framework of state socialism, the historians had to tackle their assignment under unfavourable conditions. Charged with the duty of creating positive traditions, the commission had to bridge the gulf between the old „eternal enmity“ and the new „friendship among the peoples“. In the course of these attempts it turned out that both parties viewed their common past from highly divergent ideological positions: The Germans settled for an orthodox class-based approach, which allowed them to blame „Fascism“ not on a people – the Germans – but on a class – the representatives of imperialist monopoly capitalism. The Poles on the other hand continued to differentiate between positive and negative historical forces according to national correlations, contrasting reactionary German traditions (Prussia, Fascism) with a progressive Polish struggle for independence and national self-assertion. The German-Polish dialogue which ensued under these circumstances thus offers intriguing insights not only into the mechanisms of selective memories but also into the limits of ideologically “bound historiography” within the state socialist system.

Anna Maria Lemcke: „Proving the superiority of democracy“

Die „National Fitness Campaign“ der britischen Regierung (1937-1939) im transnationalen Zusammenhang.Die „National Fitness Campaign“, mit der die britische Regierung zwischen 1937 und 1939 den Ausbau von Sport- und Freizeiteinrichtungen förderte und die Bevölkerung körperlich zu trainieren suchte, war eine der ersten staatlichen PR-Kampagnen in Großbritannien. Die Zielsetzung des Programms – die Verbesserung der „nationalen Konstitution“ – war das Ergebnis einer intensiven Auseinandersetzung britischer Politiker und konservativer Parteistrategen mit der Ertüchtigungspolitik der kontinentaleuropäischen Diktaturen, insbesondere des Dritten Reiches. Sowohl die Planung, Konzeption und Durchführung der Kampagne als auch ihre Diskussion in der britischen Öffentlichkeit fanden in einem Spannungsfeld statt zwischen dem Bedürfnis nach einer Abgrenzung von den diktatorischen Methoden des NS-Regimes einerseits und der Bewunderung seiner vermeintlichen Leistungsfähigkeit andererseits. Die Geschichte der „National Fitness Campaign“ ist ein aufschlussreiches Beispiel für die Komplexität der wechselseitigen Wahrnehmungs- und Austauschprozesse zwischen Großbritannien und dem nationalsozialistischen Deutschland.

Anna Maria Lemcke, “Proving the Superiority of Democracy” – The “National Fitness Campaign” of the British Government (1937-1939) in its Transnational Context

The “National Fitness Campaign”, with which the British government sought to extend public sports and leisure facilities and to promote physical fitness among the population between 1937 and 1939, was one of the first public PR campaigns ever conducted in Britain. The aim of the program, namely the improvement of the “national physique”, was the result of an intense discussion among British politicians and conservative party strategists about the public health and fitness policies of the continental dictatorships and especially of the Third Reich. The planning, design and implementation of the campaign as well as its discussion in the British public reflected both a desire to dissociate oneself from the dictatorial methods of the Nazi regime on the one hand and the admiration of its perceived efficiency on the other hand. Thus, the “National Fitness Campaign” serves as an example for the complexity of the reciprocal processes of perception and exchange between Great Britain and Nazi Germany.

Walter M. Iber, Erdöl statt Reparationen. Die Sowjetische Mineralölverwaltung (SMV) in Österreich 1945-1955

Im Sommer 1945 beschlossen die „Großen Drei“ auf der Potsdamer Konferenz, von Österreich keine Reparationen zu verlangen. Dennoch hatte die österreichische Wirtschaft in den folgenden Jahren schwere Lasten zu tragen und musste reparationsäquivalente Leistungen erbringen. Vor allem die sowjetische Besatzungsmacht beutete ihre Zone im Osten Österreichs aus, wobei sie sich nicht zuletzt auf die reichen Erdölvorkommen im Wiener Becken (Österreich war bei Kriegende nach Rumänien der größte Erdölproduzent Europas) konzentrierte. Aus dem ihr in Potsdam zugesprochenen deutschen Auslandsvermögen in Ostösterreich gründete die UdSSR 1945/46 exterritoriale sowjetische Unternehmen, darunter die Sowjetische Mineralölverwaltung (SMV), die nahezu die gesamte, im Wesentlichen auf Niederösterreich konzentrierte Erdölwirtschaft kontrollierte. Für Moskau waren die Ölquellen in der bipolaren Welt des Kalten Krieges nicht nur von ökonomischer, sondern auch von strategischer Bedeutung, lagen sie doch geographisch genau am Schnittpunkt zwischen Ost und West. Nach zehnjähriger ökonomischer Exploitation standen die SMV-Betriebe 1955 jedoch am Ende ihrer Rentabilität. Als Folge des Staatsvertragsabschlusses wurden sie gegen umfangreiche Ablösezahlungen an Österreich übergeben und zur Österreichischen Mineralölverwaltung (ÖMV, seit 1995 OMV) umorganisiert. Der Artikel stellt die wirtschaftliche Ausbeutung der österreichischen Erdölfelder in den Kontext der sowjetischen Außenpolitik nach 1945, geht ausführlich auf Genese, Struktur und Wirken des Unternehmen SMV ein nimmt schließlich die Folgen dieser Ausbeutung unter die Lupe.

Walter M. Iber, Oil Instead of Reparations. The Soviet Petroleum Administration (SMV) in Austria, 1945-1955

In the summer of 1945 at the Potsdam Conference, the “Big Three” decided not to demand any reparations from Austria. However, the Austrian economy had to bear heavy burdens during the following years and had to deliver services equivalent to reparations. The Soviets particularly exploited their zone of occupation in the east of Austria, not least concentrating on the rich oil deposits in the Vienna Basin (after Romania, Austria was the second largest European oil producer at the end of the War). Using the foreign German capital in eastern Austria granted to it in Potsdam, the USSR founded ex-territorial Soviet companies, among them the Soviet Petroleum Administration – Sowjetische Mineralölverwaltung (SMV) – which controlled almost all of the oil economy mostly concentrated in Lower Austria. For Moscow, the oil springs not only possessed an economic, but also a strategic value in the bipolar world of the Cold War, for they lay at the exact geographical intersection of East and West. After ten years of economic exploitation, the SMV-concerns were at their limit of profitability in 1955. As a result of the Austrian State Treaty, they were handed over to Austria for a hefty sum and reorganised as the Austrian Petroleum Administration (Österreichische Mineralölverwaltung ÖMV, as of 1995 OMV). The article places the economic exploitation of the Austrian oil fields into the context of Soviet foreign policy after 1945, covers the genesis, structure and operation of the SMV concern in depth and finally examines the consequences of this exploitation.

Rezensionen online (Juli–September 2009)

Reviews online (July-September 2009)

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