Mittelweg 36, Zeitschrift des Hamburger Instituts für Sozialforschung 20 (2011), 4

Titel der Ausgabe 
Mittelweg 36, Zeitschrift des Hamburger Instituts für Sozialforschung 20 (2011), 4
Weiterer Titel 
Die Welt der Lager

Erschienen
Erscheint 
zweimonatlich
ISBN
978-3-86854-709-2
Anzahl Seiten
96 S.
Preis
€ 9,50

 

Kontakt

Institution
Mittelweg 36. Zeitschrift des Hamburger Instituts für Sozialforschung
Land
Deutschland
c/o
Redaktion Zeitschrift »Mittelweg 36« des Hamburger Instituts für Sozialforschung Mittelweg 36 20148 Hamburg Tel.: 040/414 097 84 Fax.: 040/414 097 11 E-Mail: <zeitschrift@mittelweg36.de>
Von
Nina Hälker

Inhaltsverzeichnis

SCHWERPUNKT: DIE WELT DER LAGER

AUS DEM INHALT:

Lager im »Anti-Terror-Krieg«
von Bernd Greiner

Aufbruch ins Zeitalter der Lager? Zwangsumsiedlung und Deportation in der spanischen Antiguerilla auf Kuba, 1868–98
von Andreas Stucki

Kriegsgefangenenlager. Der moderne Staat und die Radikalisierung der Gefangenschaft im Ersten Weltkrieg
von Heather Jones

Funktionswandel der nationalsozialistischen Lager
von Michael Wildt

Berliner Colloquien zur Zeitgeschichte
Editorial
von Alan Kramer

Das Konzentrationslager. Eine internationale Perspektive
von Richard Overy

ABSTRACTS:

Bernd Greiner:
Lager im »Anti-Terror-Krieg«
Extra-Legalität, Extra-Institutionalität und Extra-Territorialität – diese Gesichtspunkte bieten sich an, um die im Zuge des »Krieges gegen den Terror« von den USA weltweit eingerichteten Lager für Terrorverdächtige systematisch zu analysieren. Wie es scheint können damit auch diachrone Vergleiche mit Lagersystemen aus früheren Epochen angestellt und Unterschiede wie Gemeinsamkeiten in den Praktiken demokratischer Staaten und totalitärer Regime thematisiert werden. Letzteres markiert bis dato eine Terra incognita in der historischen Wissenschaft. Ob und wie sie historisch vermessen wird, ist augenblicklich noch nicht abzusehen.

Andreas Stucki:
Aufbruch ins Zeitalter der Lager? Zwangsumsiedlung und Deportation in der spanischen Antiguerilla auf Kuba, 1868 – 98
Die Befehle des spanischen Generals Valeriano Weyler, die 1896/97 die zur Zwangsumsiedlung der Landbevölkerung Kubas in befestigte Dörfer und Ortschaften führte, werden oft als Ausgangspunkt der Geschichte der Masseninternierung in der Moderne betrachtet oder auch als Vorspiel zur europäischen »Lagerkultur« des 20. Jahrhunderts. In der Tat kann die bloße Zahl der zwangsumgesiedelten Menschen und die hohe Mortalitätsrate (etwa ein Zehntel der Gesamtpopulation starb in den Zentren auf Grund der unzureichenden Unterbringung und mangelhaften hygienischen Zuständen, der Lebensmittelknappheit und der so entstandenen Epidemien) als Beleg für die Existenz eines genozidalen Lagersystems gewertet werden. Auch wird oft angenommen, dass der Begriff »Konzentrationslager« im kubanischen Kontext entstanden ist. In diesem Beitrag werden einige dieser Annahmen in Frage gestellt. Demgegenüber wird die Funktion der spanischen Politik der Konzentration von Zivilisten als Antiguerilla-Strategie auf der Insel Kuba in der Zeit zwischen 1868 und 1898 in den Mittelpunkt gestellt.

Michael Wildt:
Funktionswandel der nationalsozialistischen Lager
Das lange vorherrschende Bild der nationalsozialistischen Konzentrationslager als hermetisch abgetrennter Ort entgrenzter Gewalt wird durch Forschung zur Interaktion zwischen Lager und Gesellschaft widerlegt. Jüngere Studien unterstützen das Verständnis der Lager als eine gesellschaftliche Organisationsform des Nationalsozialismus mit einer eigenen, der Realisierung der »Volksgemeinschaft« dienenden Gewaltordnung. Diese Sicht gilt für die unterschiedlichen Lagerformen, etwa für die frühen Straflager, die der »Reinhaltung des Volkskörpers« dienten, ebenso wie für die »Inklusionslager« der nationalsozialistischen Jugendbewegung und des Arbeitsdienstes. In allen Lagern wurde Arbeit zu einer zentralen Kategorie. Der Beitrag endet mit einem Plädoyer für einen stärkeren Fokus auf die alltägliche Praxis von Gemeinschaft und Gewalt in den Lagern als Teil einer Politik der Transformation von Gesellschaft in »Volksgemeinschaft«.

Heather Jones:
Kriegsgefangenenlager. Der moderne Staat und die Radikalisierung der Gefangenschaft im Ersten Weltkrieg
Der Beitrag erörtert das Verhältnis zwischen der Entwicklung der Kriegsgefangenenlager im Ersten Weltkrieg und der Modernisierung europäischer Staaten am Anfang des 21. Jahrhunderts. Eine Analyse der wachsenden Bedeutung von Systemen der Massengefangenschaft zwischen 1914 und 1918 verweist auf wichtige Fragen, zu denen die das Wesen des Staats im Krieg und seine Innovationen im Bereich der Überwachung, das Management von Zwangsarbeitern und die tolerierte Anwendung von Gewalt gegen Gefangenen gehören. Hier wird die These erörtert, dass die Vorstellung von Gefangenschaft als Normen verletzender oder abnormaler Zustand während des Krieges unterminiert wurde, weil viele Gesellschaften das Einsperren von einer großen Zahl von feindlichen Kriegsgefangenen zunehmend als normal betrachteten. Massengefangenschaft wurde damit nicht mehr als primitive Maßnahme angesehen; stattdessen bewertete man deren gelungene Entwicklung und Handhabung als Merkmal der staatlichen Modernisierung, als Zeichen einer erfolgreichen Kriegsführung und als Kennzeichen der fortschrittlichen bürokratischen Organisation und der technologischen Leistungsfähigkeit.

Richard Overy:
Das Konzentrationslager. Eine internationale Perspektive
Konzentrationslager werden in der Öffentlichkeit immer noch vorrangig als nationalsozialistisches Phänomen wahrgenommen. In diesem Beitrag wird argumentiert, dass dieser Fokus auf Deutschland eine breitere Analyse der »Lagerkultur« in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts verhindert hat. Geographisch gesehen waren Lager weit verbreitet, und ihre Anfänge liegen lange vor dem Beginn des »Dritten Reiches«. Das Aufkommen der Lager spiegelt abrupte Veränderungen in Fragen der Massenpolitik, der ethnischen Konflikte und der ideologischen Konfrontation wider, die in Folge der Verwerfungen des Ersten Weltkriegs entstanden sind. Lager wurden zu einem zweckmäßigen (und billigen) Mittel zur Isolierung derjenigen, die als biologisch, sozial oder politisch Fremde abgestempelt wurden. In allen Ländern, in denen Lager eingerichtet wurden, sahen sich deren Urheber als heroische Verteidiger eines bedrohten Systems. Die Opfer werden im Allgemeinen als passiv dargestellt. In diesem Beitrag wird eine positivere historische Darstellung der Opfer gefordert, die es ermöglicht, die traumatischen Konsequenzen der Exklusion und der Inhaftierung besser zu verstehen.

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