Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 59 (2011), 4

Titel der Ausgabe 
Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 59 (2011), 4
Weiterer Titel 

Erschienen
München 2011: Oldenbourg Verlag
Erscheint 
vierteljährlich
Preis
Jahresabo: 66 €, Stud.abo: 38 € Mitgl.abo. hist. u pol. Fachverbände: 52,80 €, Online-Zugang: 66 €, Print- und Online-Abo 66 €

 

Kontakt

Institution
Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte
Land
Deutschland
c/o
Redaktion Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte Institut für Zeitgeschichte, Leonrodstraße 46b, 80636 München, vfz@ifz-muenchen.de
Von
Jaroschka, Gabriele

Liebe Listenmitglieder,

das neueste Heft der Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte ist soeben erschienen. Mit diesem Heft wird im Abonnement auch die Bibliographie zur Zeitgeschichte ausgeliefert.

Beste Grüße
Ihr Oldenbourg Wissenschaftsverlag

Inhaltsverzeichnis

VfZ 4/2011

INHALTSVERZEICHNIS

Aufsätze

Rüdiger Graf/Kim Christian Priemel, Zeitgeschichte in der Welt der Sozialwissenschaften. Legitimität und Originalität einer Disziplin
Im Unterschied zu anderen Teildisziplinen der Geschichtswissenschaft muss sich die Zeitgeschichte sowohl inner- als auch interdisziplinär abgrenzen und zwar vor allem von den Sozialwissenschaften. Dieses Problem wird für die Beschäftigung mit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts umso dringlicher, als sich die Zeitgeschichte nicht nur mit den gleichen empirischen Phänomenen beschäftigt, sondern sich oftmals auch soziologischer, wirtschafts- und politikwissenschaftlicher Theorien bedient. Der vorliegende Aufsatz untersucht die Probleme, die bei dieser Theorieübernahme entstehen, exemplarisch anhand der Theoriemodelle des Wertewandels, der internationalen Interdependenz und des Strukturwandels. Jenseits der offenkundigen Gefahr, die Daten und Ergebnisse zeitgenössischer Sozialwissenschaftler einfach zu reproduzieren, werden fundamentalere Schwierigkeiten herausgearbeitet, die aus der unter- oder gar nicht reflektierten Übernahme sozialwissenschaftlicher Theorien resultieren. Statt diese oftmals intuitiv plausiblen und eingängig formulierten Theorieangebote einfach in die eigene Beschreibungssprache zu integrieren, sehen wir die zentrale Aufgabe der Zeitgeschichte nicht nur in deren konsequenter Historisierung, sondern auch darin, ihre wirklichkeitskonstituierende Kraft zu bestimmen und durch die Korrelation mit anderen Erklärungsmodellen über die Forschungsergebnisse der Nachbardisziplinen hinauszugehen.

Rüdiger Graf/Kim Christian Priemel, Contemporary History in the World of the Social Sciences. Legitimacy and Originality of an Academic Discipline
Unlike other historiographic disciplines contemporary history has to define itself in a both intra- and interdisciplinary arena. While the debate on when exactly contemporary history begins has accompanied its practitioners from the very beginning, the question as to what sets it apart from other social sciences has long been suspended. With the fields of research moving rapidly into the last decades of the twentieth century this problem becomes increasingly urgent. Not only does contemporary history investigate the same empirical phenomena that have already been analysed by sociologists, economists, and political scientists, it also appropriates the theories constructed by these neighbouring disciplines. The present article exemplarily outlines this borrowing practice looking at the careers of theoretical models such as value change, international interdependence and economic structural change first in their own fields, then among historians. Beyond the easily identifiable hazards of using the data compiled by contemporary social scientists and reproducing their findings, the more fundamental problem lies in the all-too-easy adoption of the theories by which these have been produced. The heuristic and explanatory appeal of these theories results from their epistemic proximity to the hermeneutic horizon of contemporary historians and leads to the adoption rather than critical reflection of such models. This danger, however, also leads to the great potential of contemporary history which should historicise and look beyond the perspectives of contemporary social scientists.

Michael Mayer, Akteure, Verbrechen und Kontinuitäten. Das Auswärtige Amt im Dritten Reich – Eine Binnendifferenzierung
Der Abschlussbericht der Historikerkommission zur Geschichte des Auswärtigen Amts in der NS-Diktatur und der Bundesrepublik hat eine heftige Diskussion hervorgerufen. In diesem Fall werden die Ergebnisse der Kommission durch systematische Forschungen überprüft. Dabei steht insbesondere die Frage im Mittelpunkt, welchen Erkenntnisgewinn eine Binnendifferenzierung innerhalb des Amts bringt. Die Historikerkommission hatte einen derartigen Erkenntnisgewinn bestritten. Erstmals werden umfassend die Mitarbeiter der u.a. für die Judenverfolgung zuständigen Referate untersucht und mit der Politischen Abteilung verglichen. Hierbei wird deutlich, dass es fundamentale Unterschiede in bisher nicht gekanntem Ausmaß innerhalb des Auswärtigen Amts gab. Welche Folgen hatten sie? Zur Beantwortung dieser Frage wird untersucht, welche Positionen vom „Judenreferat” sowie den Abteilungen Politik und Recht während des Holocausts vertreten wurden. Auf diese Weise gelingt eine ausgewogene Binnendifferenzierung innerhalb des Amts, welche die bestehenden Gemeinsamkeiten und Unterschiede herausarbeitet, ohne seine weitgehende Beteiligung an den NS-Verbrechen zu verharmlosen. Die Ergebnisse der Historikerkommission können damit umfassend korrigiert und ergänzt werden.

Michael Mayer, Actors, Crimes and Continuities. The German Foreign Office During the Third Reich – an Internal Differentiation
The final report of the Commission of Historians Dealing with the History of the German Foreign Office during the Nazi Dictatorship and the Federal Republic has kindled a heated debate. Here the results of the commission are checked by systematic research. Mostly the article focuses on the question as to which new insights can be gained by engaging in an internal differentiation within the Foreign Office. The Commission of Historians has disputed that such a differentiation leads to an increase in understanding. For the first time, the staff of the various desks which were (among other things) responsible for the persecution of the Jews and the Political Department are compared. Here it becomes clear that fundamental differences existed within the Foreign Office on a hitherto unrecognised scale. What were the consequences? To answer this question, the positions espoused by the Judenreferat [Jewish desk] as well as the Political and Legal Departments during the Holocaust are examined. In this manner it is possible to determine a balanced internal differentiation within the Foreign Office which takes the existing internal commonalities and differences into account without downplaying its extensive participation in Nazi crimes. The results of the Commission can thus be corrected and supplemented comprehensively.

Markus Lammert, Die französische Linke, der Terrorismus und der „repressive Staat” in der Bundesrepublik in den 1970er Jahren
Die bundesdeutsche Politik der „Inneren Sicherheit” der 1970er Jahre traf in Frankreich auf harsche Kritik. Die Bundesrepublik wurde in weiten Teilen der französischen Linken als ein Staat gesehen, der im Kampf gegen den Terrorismus seinen rechtsstaatlichen Charakter aufgab. Markus Lammert zeichnet die unterschiedlichen Positionen der französischen Kritiker nach, unter denen sich sowohl Linksextremisten als auch linksliberale Politiker befanden, die wenig später Regierungsämter übernahmen. Ihre Motive lassen sich nicht auf einen historisch begründeten „Antigermanismus” reduzieren. Die mit dem Terrorismus ringende Bundesrepublik diente vor allem als Projektionsfläche für das Ausfechten aktueller innenpolitischer Konflikte in Frankreich selbst. Der Ausbau des Rechtsstaats in der V. Republik, größere bürgerlichen Freiheiten und ein besserer Schutz der Menschenrechte gehörten zu den zentralen Themen der französischen Linken in den 1970er Jahren. Transnationale deutsch-französische Netzwerke förderten zudem die grenzüberschreitende Mobilisierung von Protest gegen die Anti-Terrorismus-Politik der Bundesregierung.

Markus Lammert, The French Left, Terrorism and the “Repressive State” in the Federal Republic during the 1970s
The West German “Internal Security” policy of the 1970s was harshly criticised in France. In many sections of the French Left, the Federal Republic was seen as a state which was abolishing the rule of law in its struggle against terrorism. Markus Lammert traces the different responses of the French critics, among them left-wing extremists as well as left-liberal politicians, who were soon to move into government positions. Their motives cannot be reduced to a historically founded “anti-Germanism”. Mostly, the Federal Republic and its struggle with terrorism served as a projection screen for internal political conflicts within France itself. The extension of the rule of law within the Fifth Republic, extended civil liberties and improved human rights protections were among the central themes of the French Left during the 1970s. Additionally transnational German-French networks fostered cross-border protest mobilisation against the anti-terrorism policy of the German government.

Reinhard Otto/Rolf Keller, Zur individuellen Erfassung von sowjetischen Kriegsgefangenen durch die Wehrmacht
Haritonow und Müller halten die von uns vorgeschlagene Methode, über die Erkennungsmarken die Zahl der registrierten sowjetischen Kriegsgefangenen zu ermitteln, für untauglich. Grund dafür sei die im Laufe ihres Erschließungsprojekts auf mehr als das Doppelte angewachsene Zahl an Datensätzen, aus denen sich bei vergleichbarem Vorgehen eine unrealistische Gesamtzahl von mehr als 10 Millionen Gefangenen ergäbe. Um die Gesamtzahl der Gefangenen geht es jedoch gar nicht, schon das haben die Autoren völlig missverstanden. Eine ähnliche Oberflächlichkeit zeigt sich bei den von ihnen präsentierten Zahlen, die sie kritiklos ihren Datenbanken übernommen haben, so dass sie nachweislich Eingabefehlern aufsitzen, die wiederum auf Fehlinterpretation der Dokumente oder schlichtweg Schreibfehler zurückzuführen sind. Hinzu kommt eine geringe Vertrautheit mit dem vor allem im Bundesarchiv-Militärarchiv liegenden Schriftgut der Wehrmacht, so dass viele von ihnen angeführte Dokumente nicht adäquat eingeordnet werden. Diese Mängel bestätigen die vernichtende Feststellung einer Evaluierungskommission, die von Müller geleitete Arbeitsgruppe in Dresden möge sich in Zukunft auf den humanitären Aspekt des Projekts beschränken und die Forschung anderen überlassen. Nach gründlicher Überprüfung unserer damaligen Überlegungen besteht kein Grund, unsere Methode und Ergebnisse in Frage zu stellen; die durch die Vergrößerung der Datenbasis bedingten Korrekturen bewegen sich im Bereich des von uns Vorhergesagten. Man kann weiterhin davon ausgehen, dass zwischen 1941 und 1945 etwa 3 Millionen Soldaten der Roten Armee von der Wehrmacht in den OKW-Bereich überführt und als Kriegsgefangene individuell registriert worden sind.

Reinhard Otto/Rolf Keller, On the Individual Registration of Soviet Prisoners of War by the Wehrmacht
Haritonow and Müller consider our proposed method of using identity tags to establish the number of registered Soviet prisoners of war unsuitable because the number of data records has more than doubled during the course of their indexing project. A comparable approach would then result in an unrealistic total of more than 10 million prisoners. Yet these authors have completely misunderstood our line of inquiry, which is not at all about the total number of prisoners. A similar superficiality can be observed in the figures they present, which are uncritically extracted from their database, demonstrably resulting in errors due to input errors, which in turn result from the erroneous interpretation of documents or simple typing mistakes. Additionally they exhibit limited familiarity with the written records of the Wehrmacht, now mostly held by the Bundesarchiv-Militärarchiv, so that many of the documents quoted by them are not adequately contextualised. These deficiencies confirm the devastating assessment of an evaluation committee which stated that the team in Dresden led by Müller should in future focus on the humanitarian aspect of the project and leave research to others. After thorough examination of our past deliberations we see no reason to question our method and results; the corrections resulting from the enlargement of the database are within the bandwidth we predicted. One may thus continue to assume that about 3 million soldiers of the Red Army were transferred to the OKW area and were registered individually as prisoners of war between 1941 and 1945.

Dokumentation

Daniela Münkel, Unruhe im eingeschlossenen Land. Ein interner Stasi-Bericht zur Lage in der DDR nach dem Mauerbau
Bei der dokumentierten Quelle handelt es sich um einen bisher unbekannten internen Bericht der Staatssicherheit zu den nach der Berliner Grenzsperrung aufgetretenen Sicherheitsproblemen. Der Bericht benennt ungeschminkt die neuralgischen Bereiche, in der sich die Staatsicherheit aktuell und in naher Zukunft herausgefordert sah. Genannt werden vor allem die Industrie, die Landwirtschaft, das Bau- und Verkehrswesen, die Bildung (Universität/Hochschulen), die Kirchen, Angehörige der Intelligenz, Jugendliche sowie die ländliche Bevölkerung. Dabei ging es einerseits um Proteste und widerständige Verhaltensweisen, die unmittelbar und mittelbar mit dem Mauerbau zu tun hatten, anderseits um die Erzwingung von weit reichender politischer Konformität unter den Bedingungen der nunmehr „eingemauerten” DDR.

Daniela Münkel, Unrest in a Closed Country. An Internal Stasi Report on the Situation in the GDR after the Construction of the Berlin Wall
The source edited here is a hitherto unknown internal report of the East German State Security Service on security problems which occurred after the border in Berlin was closed off. The report unadornedly names the neuralgic areas which challenged State Security currently and in the short term. Mostly the report mentions industry, agriculture, construction and transportation, education (universities), the churches, members of the intelligentsia, adolescents as well as the rural population. On the one hand the report relates to protests and resistance behaviour patterns, which were directly or indirectly related to the construction of the Berlin Wall. On the other hand it recounts the enforcement of extensive political conformity under the conditions of the now “closed off” GDR.

Notiz

Online verfügbar: das „Zeugenschrifttum“ der Archivs des Instituts für Zeitgeschichte

The Archives of the Institute of Contemporary History Now Offer Online Access to the “Zeugenschrifttum” [Testimonies] Collection

Rezensionen online (Juli–September 2011)

Reviews online (July–September 2011)

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