Südosteuropa. Zeitschrift für Politik und Gesellschaft 59 (2011), 4

Titel der Ausgabe 
Südosteuropa. Zeitschrift für Politik und Gesellschaft 59 (2011), 4
Weiterer Titel 

Erschienen
München 2011: Oldenbourg Verlag
Erscheint 
viermal jährlich
Anzahl Seiten
140 S.
Preis
24,80

 

Kontakt

Institution
Südosteuropa. Journal of Politics and Society
Land
Deutschland
c/o
Dr. Sabine Rutar Leibniz-Institut für Ost- und Südosteuropaforschung Landshuter Straße 4 93047 Regensburg
Von
Rutar, Sabine

„Südosteuropa“ ist über den Buchhandel oder direkt beim Oldenbourg Verlag zu beziehen. Die Rezensionen sind unter <www.recensio.net> online abrufbar.

Editorial

Im Mittelpunkt dieses Heftes stehen das Verhältnis von Kirche und Staat in Griechenland, EU-Initiativen im Kontext fragiler Staatlichkeiten im südöstlichen Europa sowie kriegsbedingte gesellschaftliche Befindlichkeiten. Gustav Auernheimer liefert Hintergründe zum Verhältnis zwischen Orthodoxie und Politik in Griechenland im Licht der sozioökonomischen Krise. Das Spannungsfeld von Kirche, Staat und Modernisierung war von jeher nicht zuletzt durch die Politik des jeweiligen Kirchenoberhauptes gekennzeichnet. Jüngst berufen die kirchlichen Institutionen sich, angesichts der krisenbedingten massiven humanitären Herausforderungen, verstärkt auf ihre pastoralen Aufgaben.

Dominik Tolksdorf analysiert die Wechselwirkungen von EU-Konditionalität und der Politik der internationalen Gemeinschaft bei den Verhandlungen um eine Polizeireform in Bosnien und Herzegowina. Die Prinzipien dieser Reform hatte 2004 der seinerzeitige Hohe Repräsentant und EU-Sondergesandte Paddy Ashdown formuliert; sie sind nicht mit den sogenannten europäischen Standards vereinbar, die dem Instrument der Konditionalität zugrunde liegen. Tolksdorf zeigt, dass diese Inkompatibilität im Verhandlungsprozess um die Polizeireform nicht nur eine Schwächung des EU-Instruments zeitigte, sondern dessen Glaubwürdigkeit insgesamt infrage stellte. Solveig Richter veranschaulicht, dass in analoger Weise die EU-Rechtsstaatlichkeitsmission EULEX in Kosovo vor geradezu paradoxen Dilemmata steht. Der Prozess des Aufbaus von Rechtsstaatlichkeit droht zerrieben zu werden zwischen den politischen Rivalitäten Belgrads und Prishtinas einerseits und den der Mission inhärenten Widersprüchlichkeiten andererseits. Letztere bestehen im Kern darin, dass zwar der local-ownership-Ansatz verfolgt wird, die Mission gleichzeitig aber über exekutive Vollmachten verfügt, die eine interventionistische Politik ermöglichen. Diese Gleichzeitigkeit von Kooperation und Konfrontation bewirkt allzu oft den Versuch einer Quadratur des Kreises.

Auf der Basis lebensgeschichtlicher Interviews skizziert Catherine Baker den Übergang zur „SFOR-Ökonomie“ in Bosnien und Herzegowina. Sie analysiert Spracherwerbspraktiken im sozialistischen Jugoslawien: Oft waren es informell, jenseits des Schulunterrichts erworbene Kenntnisse vor allem des Englischen, die junge Menschen in die Lage versetzten, während des Krieges und danach als Übersetzer für die internationalen Organisationen tätig zu werden. Natalija Bašić veranschaulicht anhand von Gruppendiskussionen, die sie 2009 und 2010 in Serbien organisierte, die Emotionen, die das Thema Kriegsverbrecherprozesse vor dem Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien (ICTY) hervorruft. Die in den Diskussionen geäußerte Kritik spiegelt ein Bewusstsein für die begangenen Verbrechen auch unter den Gegnern des Gerichtes und gleichzeitig den Wunsch nach Wiederherstellung von Wertschätzung und „Normalität“. Der Umstand, dass auch diejenigen Stellung beziehen, die die serbischen Verantwortlichkeiten zu leugnen versuchen, kann als beachtlicher Erfolg der Arbeit des ICTY gewertet werden: Beschwiegen werden die serbischen Kriegsverbrechen nicht.

Sabine Rutar
– Redaktion –

Inhaltsverzeichnis

INHALTSVERZEICHNIS

Natalija Bašić:
Völkermord vor Gericht. Kriegsverbrecherprozesse, Emotionen und der Umgang damit in Serbien
396-411

Dominik Tolksdorf:
Der Einsatz von EU-Konditionalität bei den Verhandlungen um eine Polizeireform in Bosnien und Herzegowina
412-447

Solveig Richter:
Zwischen Kooperation und Konfrontation. Die EULEXMission und der Aufbau von Rechtsstaatlichkeit in Kosovo
448-477

Catherine Baker:
Tito’s Children? Language Learning, Educational Resources, and Cultural Capital in the Life Histories of Interpreters Working in Bosnia and Herzegovina
478-502

Gustav Auernheimer:
Politik und Orthodoxie in Griechenland
503-518

BUCHBESPRECHUNGEN

Anja Sieber Egger, Krieg im Frieden: Frauen in Bosnien-Herzegowina und ihr Umgang mit der Vergangenheit (Anne Jenichen)
519-521

Lejla Starčević-Srkalović, The Democratization Process in Post-Dayton Bosnia and Herzegovina and the Role of the European Union (Dominik Tolksdorf)
521-522

Jens Stilhoff Sörensen, State Collapse and Reconstruction in the Periphery. Political Economy, Ethnicity and Development in Yugoslavia, Serbia and Kosovo (Jodok Troy)
522-524

Erich Rathfelder, Kosovo. Geschichte eines Konflikts (Bernhard Chiari)
524-526

Engin Karatas, Die Europäische Union und Zypern. Der EU-Beitritt der Mittelmeerinsel unter besonderer Berücksichtigung der Politik Griechenlands und der Türkei (Oliver Schwarz)
526-528

Anna Krasteva / Anelia Kasabova / Diana Karabinova (Hgg.), Migrations from and to Southeastern Europe
Vida Bakondy / Simonetta Ferfoglia / Jasmina Janković / Cornelia Kogoj / Gamze Ongan / Heinrich Pichler / Ruby Sircar / Renée Winter (Initiative Minderheiten) (Hgg.), Viel Glück! Migration heute. Wien, Belgrad, Zagreb, Istanbul (Ulf Brunnbauer)
528-531

Roumiana Taslakowa (Hg.), 20 Jahre Wandel – Von Zeitzeugen betrachtet. Bulgarien im Aufbruch (Christiana Christova)
531-533

Charles King, Extreme Politics: Nationalism, Violence, and the End of Eastern Europe (Pål Kolstø)
533-535

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