Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 60 (2012), 4

Titel der Ausgabe 
Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 60 (2012), 4
Weiterer Titel 

Erschienen
München 2012: Oldenbourg Verlag
Erscheint 
vierteljährlich
Preis
21,00 €

 

Kontakt

Institution
Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte
Land
Deutschland
c/o
Redaktion Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte Institut für Zeitgeschichte, Leonrodstraße 46b, 80636 München, vfz@ifz-muenchen.de
Von
Hoppe, Florian

Die aktuelle Ausgabe der Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte (mit der Bibliographie für Zeitgeschichte) ist soeben erschienen. Viel Vergnügen bei der Lektüre!

Inhaltsverzeichnis

INHALTSVERZEICHNIS

Aufsätze

Tobias Hof,
Die Tagebücher von Galeazzo Ciano

Die Tagebücher von Galeazzo Ciano, italienischer Außenminister von 1936 bis 1943 und Schwiegersohn von Benito Mussolini, zählen zu den wichtigsten Zeugnissen der faschistischen Epoche. Trotz ihrer unbestrittenen Bedeutung liegt bis heute keine quellenkritischen Edition vor, die wissenschaftlichen Ansprüchen genügt. Im Gegenteil: Ein akribischer Vergleich der veröffentlichten Editionen mit den Originalfotografien der Aufzeichnungen macht deutlich, wie ungenau und fehlerbehaftet die heute vorliegenden Publikationen sind. Deswegen muss entschieden vor einem allzu kritiklosen Umgang mit den publizierten Versionen der Tagebücher gewarnt werden. Erst eine aufwändige kritische Edition wird es ermöglichen, eines der bedeutendsten Egodokumente der faschistischen Epoche für die Forschung in zuverlässiger Form aufzubereiten. Denn auch den Tagebüchern selbst wohnen Widersprüche inne, die bislang meist übersehen oder als unwichtig abgetan wurden. Exemplarisch werden daher Stellen des Tagebuchs mit Memoiren und Archivalien in Beziehung gesetzt, um diese Probleme zu veranschaulichen. Die Schilderung der abenteuerlichen Überlieferungsgeschichte der Aufzeichnungen von ihrer Entstehung bis hin zur Veröffentlichung sowie die Analyse der unterschiedlichen Interessen aller Beteiligten – von Galeazzo Ciano über seine Frau Edda Ciano bis hin zum amerikanischen Geheimdienst – geben erste Hinweise darauf, wie diese Ungereimtheiten zu erklären sind.

Tobias Hof,
The Diaries of Galeazzo Ciano

The diaries of Galeazzo Ciano, Italy’s Foreign Minister between 1936 and 1943 and Benito Mussolini’s son-in-law, are among the most important testimonials of the Fascist period. To this day, however, no critical edition which would satisfy scientific standards is available for this indisputably important source. On the contrary: A detailed comparison of the published editions with the original photographs of the diaries makes clear how inexact and erroneous the existing publications are. For this reason it is necessary to caution against all too uncritical use of the published versions of the diaries. Only a laborious critical edition will make it possible to reliably prepare one of the most important personal documents of the Fascist period for research. Even the diaries themselves contain contradictions which have so far been overlooked or pushed aside as unimportant. To demonstrate these problems, passages of the diary are compared to other memoirs and archival sources. The account of the spectacular history of the diaries from their origin to their publication as well as the analysis of the different interests of all the parties involved – such as Galeazzo Ciano, his wife Edda Ciano and the American intelligence service – provides first indications as to how these inconsistencies may be explained.

Vasilij L. Černoperov,
Viktor Kopp und die Anfänge der sowjetisch-deutschen Beziehungen 1919 bis 1921

Zwischen dem Abbruch der diplomatischen Beziehungen zu Sowjetrussland am 5.November 1918 und ihrer spektakulären Wiederaufnahme mit dem Vertrag von Rapallo am 16. April 1922 herrschte zwischen Moskau und Berlin keineswegs Funkstille. Die Gegnerschaft gegen das Versailler System der Siegermächte und den aus ihm hervorgegangenen polnischen Staat, bildete eine gemeinsame Interessenbasis. Viktor Kopp, ein Revolutionär und Diplomat, der von 1919 bis 1921 die Sowjetrussland in Berlin vertrat, knüpfte auf dieser Grundlage Kontakte nicht nur zur Reichsregierung, sondern auch zu hohen Militärs und Vertretern nationalistischen Kreisen. Er verfolgte dabei zeitweilig ein eigenwilliges außenpolitisches Konzept: Mittels einer konfliktverschärfenden Strategie sollte ein deutsch-sowjetischer Krieg gegen Polen und in der Folge auch gegen Frankreich provoziert werden, der in letzter Konsequenz den ersehnten Durchbruch der „Weltrevolution“ nach Westen zur Folge haben sollte. Daraus wurde bekanntlich nichts, doch sollten sich Kopps weitgespannte Kontakte in der Folge als sehr nützlich für die Anbahnung der geheimen militärischen Zusammenarbeit zwischen Reichswehr und Roter Armee erweisen. Der Historiker Vasilij Černoperov aus Ivanovo rekonstruiert Kopps Aktivitäten und nicht immer unumstrittene Position im außenpolitischen Apparat des Sowjetrusslands anhand zahlreicher, lange unzugänglicher Quellen aus russischen Archiven.

Vasilij L. Černoperov,
Viktor Kopp and the Beginnings of Soviet-German Relations, 1919 to 1921

While Berlin and Moscow did not officially engage in diplomatic relations between their breaking off on 5 November 1918 and their spectacular resumption by the Treaty of Rapallo on 16 April 1922, their common opposition against the system of Versailles established by the victorious powers and against the emerging Polish state led to common interests. Viktor Kopp, a revolutionary and diplomat who represented Soviet Russia in Berlin between 1919 and 1921, not only set up contacts with the government of the Reich, but also with high-ranking officers and representatives of nationalist circles. For a time he pursued an idiosyncratic concept of foreign relations: By pursuing a strategy designed to aggravate the situation, the goal was to provoke a German-Soviet war against Poland and subsequently also against France, which ultimately was supposed to allow for the longed-for breakthrough of “World Revolution” to the West. This did not, of course, work out, but Kopp’s far-reaching contacts were subsequently very useful to the establishment of the secret military cooperation between the Reichswehr and the Red Army. The historian Vasilij Černoperov from Ivanovo reconstructs Kopp‘s activities and sometimes controversial position within the Soviet foreign policy apparatus by using numerous, hitherto unused sources from Russian archives.

Sönke Kunkel,
Zwischen Globalisierung, internationalen Organisationen und global governance: Eine kurze Geschichte des Nord-Süd-Konflikts in den 1960er und 1970er Jahren

Neben dem Ost-West-Konflikt war der Nord-Süd-Konflikt die wichtigste globale Auseinandersetzung der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Der Beitrag beschreibt am Beispiel der United Nations Conference on Trade and Development (UNCTAD) wie sich dieser Konflikt im Zuge der Dekolonisierung in internationale Organisationen verlagerte. Er zeigt auf, dass er sich in den 1960er- und 1970er Jahren zunehmend um die Frage drehte, ob und wie Globalisierung reguliert werden sollte und untersucht, wie sich Institutionen wie die UNCTAD und die Vereinten Nationen im Nord-Süd-Konflikt behaupteten. Der Nord-Süd-Konflikt und die UNCTAD waren dabei zugleich Abbild und Katalysator eines grundlegenden Wandels des internationalen Systems hin zu einem komplexen Mehrebenensystem, in dem Akteure wie internationale Organisationen, Nicht Regierungsorganisationen und Expertengruppen seit den frühen 1960er Jahren eine immer wichtigere Rolle zu spielen begannen.

Sönke Kunkel,
Between Globalisation, International Organisations and Global Governance: A Short History of the North-South Conflict during the 1960s and 1970s

Next to the East-West conflict, the North-South conflict was the most important global confrontation during the second half of the 20th century. The article uses the example of the United Nations Conference on Trade and Development (UNCTAD) to describe how the conflict successively moved into international organisations during the course of decolonialisation. It shows that the conflict increasingly focussed on the question whether and how globalisation was to be regulated and investigates how institutions such as UNCTAD and the United Nations asserted themselves within the context of the North-South conflict. In this context the North-South conflict and UNCTAD simultaneously served as a depiction and a catalyst of a fundamental change of the international system towards a complex multilayered system in which actors such as international organisations, non-governmental organisations and groups of experts began to play an increasingly important role since the early 1960s.

Thomas Riegler,
Das „Spinnennetz“ des internationalen Terrorismus: Der „Schwarze September“ und die gescheiterte Geiselnahme von Schönau 1973

Anfang 1973, nur wenige Monate nach der Geiselnahme während der Olympischen Spiele in München, plante die palästinensische Terrororganisation „Schwarze September“ einen weiteren aufsehenerregenden Anschlag: Einen Überfall auf ein Transitlager jüdischer Auswanderer in Schönau (Österreich). Die Operation scheiterte jedoch bereits im Vorbereitungsstadium: Zwei Teams, die getrennt nach Wien reisten, wurden kurze Zeit später verhaftet. Die Ermittlungen der Behörden erbrachten erstmals einen umfassenden Einblick in die terroristische Struktur des „Schwarzen September“ in Westeuropa und seine Verbindungen über Paris und Genf in den Libanon. Außerdem stellte sich heraus, dass einige Europäer, darunter Rechtsextremisten, ihn vor Ort unterstützt hatten. Diese bemerkenswerte Episode aus der Frühphase des transnationalen Terrorismus wurde bislang nur in einigen Publikationen beiläufig erwähnt und in den Details oft unkorrekt dargestellt. Auf Basis umfassender Recherchen in der Stiftung Bruno Kreisky Archiv, im Österreichischen Staatsarchiv/Archiv der Republik, im Schweizerischen Bundesarchiv (sowie in der Behörde des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes wird das Geschehen nun erstmals genau rekonstruiert.

Thomas Riegler,
The “Spider’s Web” of International Terrorism: “Black September” and the Failed Hostage Taking in Schönau 1973

In early 1973, only a few months after the hostage taking during the Olympic Games in Munich, the Palestinian terrorist organisation “Black September” planned another spectacular attack: An ambush on a transit camp of Jewish émigrés in Schönau (Austria). However, the operation already failed during the planning phase: Two teams travelling separately to Vienna were arrested only a short while later. For the first time, the investigations of the authorities provided a comprehensive view of the terrorist structure of “Black September” in Western Europe and its connections via Paris and Geneva into Lebanon. It also became clear that some Europeans, among them right-wing extremists, had assisted them locally. This remarkable episode during the early phase of transnational terrorism has so far only been mentioned fleetingly and in some publications, which often recount the details incorrectly. On the basis of comprehensive research in the Stiftung Bruno Kreisky Archiv, in the Austrian State Archives/Archive of the Republic, in the Swiss Federal Archives (as well as in the BStU Archives), the events are now reconstructed comprehensively for the first time.

Andrea Löw,
Hilferufe aus dem besetzten Polen. Briefe deportierter Wiener Juden vom Herbst 1939 bis zum Frühjahr 1940

Im Oktober 1939, unmittelbar nach Beginn des Zweiten Weltkriegs, ließ Adolf Eichmann knapp 1600 Juden aus Wien in die Nähe von Nisko am San im Osten der eroberten polnischen Gebiete deportieren, die dort weitgehend sich selbst überlassen wurden. Viele irrten tagelang herum, kamen schließlich ohne Gepäck in kleineren Ortschaften unter und mussten sich dort eine notdürftige Existenz sichern. In ihrer verzweifelten Lage schrieben viele von ihnen Briefe an die Israelitische Kultusgemeinde in Wien, in denen sie um Hilfe baten, aber auch den jüdischen Repräsentanten in der Heimat bittere Vorwürfe machten: Diese kümmerten sich nicht um sie, ja sogar, sie seien verantwortlich für die Deportationen. Dieser Eindruck hatte entstehen können, weil Eichmann und seine Kollegen die Kooperation der Verantwortlichen der Gemeinde bei den Vorbereitungen der Transporte erzwungen hatten. Die späteren großen Konflikte zwischen den Judenräten und der Bevölkerung in den Gettos sind hier gewissermaßen schon vorweg genommen, die Argumentationsmuster auf beiden Seiten sehr ähnlich, mitunter fast gleichlautend.

Andrea Löw,
Cries for Help from Occupied Poland. Letters from Deported Viennese Jews between Autumn 1939 and Spring 1940

In October 1939, immediately after the start of the Second World War, Adolf Eichmann had approx. 1600 Jews from Vienna deported to the region of Nisko on the San River in the east of the conquered Polish territories, where they were mostly left to fend for themselves. Many of them moved around lost for days, ultimately finding accommodation in small villages without their luggage, where they had to support themselves as best they could. In this exasperated situation many of them wrote letters to the Jewish Community of Vienna, in which they asked for help, but also made accusations towards the Jewish representatives of their native land: They blamed them for not taking care of them and even charged that they were responsible for the deportations. It was possible for this impression to arise because Eichmann and his colleagues had forced the leaders of the Community to cooperate in the preparations of the transports. In a way, this conflict constitutes an important predecessor to the immense subsequent clashes between the Jewish Councils and the ghetto inhabitants: The lines of argumentation are very similar on both sides – sometimes they are almost exactly the same.

Notiz

Historiker der Demokratie. Zum Abschied von Udo Wengst

A Historian of Democracy. On the Occasion of the Retirement of Udo Wengst

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Bestandsnachweise 0042-5702