Karl Schlögel mit dem Preis des Historischen Kollegs ausgezeichnet

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Jörn Retterath, Historisches Kolleg, Stiftung zur Förderung der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften und des Historischen Kollegs

Der Osteuropahistoriker Karl Schlögel wurde heute mit dem "Preis des Historischen Kollegs" ausgezeichnet. Der zum zwölften Mal verliehene Preis ist mit 30.000 € dotiert und hat sich als Deutscher Historikerpreis etabliert. Schlögel erhielt die Auszeichnung vornehmlich für sein Buch "Terror und Traum. Moskau 1937" (Hanser Verlag: München 2008).

Bereits zum dritten Mal stellte die Alfred und Cläre Pott-Stiftung, deren Vorsitzender Klaus Liesen ist, die Dotierung des Preises zur Verfügung. Die Stiftung ist benannt nach dem Gründungsvorstand der Ruhrgas AG, Alfred Pott und seiner Ehefrau Cläre.

Der Kuratoriumsvorsitzende des Historischen Kollegs, Andreas Wirsching, erklärte in seiner Begrüßung im vollbesetzten Plenarsaal der Bayerischen Akademie der Wissenschaften in der Münchner Residenz, dass der Preisträger sich unter anderem dadurch auszeichne, dass er sich auch in aktuelle politische Fragen etwa in Bezug auf Russland und die Ukraine einmische und pointiert Stellung beziehe. Der Kuratoriumsvorsitzende unterstrich: "Ich halte es für dringend notwendig, dass Wissenschaftler dies tun. Auch aus diesem Grund freue ich mich, dass Ihnen heute der Preis des Historischen Kollegs 2016 verliehen wird".

Der Bayerische Staatsminister für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst Ludwig Spaenle unterstrich in seinem Grußwort, dass Geschichtsbewusstsein zu den Grundlagen eines Kulturstaates gehöre. Dazu leiste das Historische Kolleg einen wichtigen Beitrag.

In seiner Laudatio auf den Preisträger stellte Martin Schulze Wessel, Mitglied des Kuratoriums des Historischen Kollegs und Vorsitzender des Collegium Carolinums, einen aktuellen politischen Bezug her: Man könne über Schlögels "Terror und Traum. Moskau 1937" heute nicht sprechen, ohne daran zu erinnern, dass sich das russische Justizministerium gerade anschicke, die Tätigkeit der russischen Menschenrechtsorganisation "Memorial" zu verbieten, die den Opfern der Verbrechen der Stalinzeit eine Stimme gegeben habe. Mit Karl Schlögel, so Schulze Wessel, erhalte ein Geschichtswissenschaftler den Historikerpreis, der in seinem Werk große Fragen der Geschichte Russlands und Osteuropas mit einer eigenen erzählerischen Signatur und einer spezifischen Methodik behandle, bei der die Topografie ein zentrale Rolle spiele. Der Titel eines anderen Werkes von Schlögel, mittlerweile fast sprichwörtlich geworden, fasse diesen Zugang in die prägnante Formel "Im Raume lesen wir die Zeit". Bereits drei Jahrzehnte bevor die Synchronizität zum Charakteristikum der Globalgeschichtsschreibung geworden sei, habe Schlögel so gearbeitet. Dieser Methode, die es erlaubt, zeitgleiche Prozesse und temporale Schichten zu rekonstruieren, folge auch "Terror und Traum. Moskau 1937", das, so der Laudator abschließend, "große Geschichtsschreibung und Literatur" sei.

Seinen Festvortrag widmete Karl Schlögel dem Thema "Melancholie und Geschichtsschreibung". Insbesondere betonte er deren mögliche erkenntnisfördernde Dimension: "Melancholie ist eben nicht Träumerei und Hirngespinst, sondern genaues Hinsehen, Wachheit, geschärfter Sinn für Übergänge, für Mischungsverhältnisse, für das was der Fall ist, diesseits der Utopie". In seiner Rede stellte der Preisträger auch Bezüge zur aktuellen Situation in Russland her.

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