Titel
Die Kelten.


Autor(en)
Ade, Dorothee; Willmy, Andreas
Reihe
Theiss WissenKompakt
Erschienen
Stuttgart 2007: Theiss Verlag
Anzahl Seiten
192 S.
Preis
€ 19,90
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Nils Müller-Scheeßel, Römisch-Germanische Kommission Frankfurt am Main

Der vom Verlag verfasste Umschlagtext des Buches ist wenig bescheiden, was dessen Anspruch angeht: „Theiss Wissenkompakt beantwortet alle Fragen zur keltischen Geschichte […] Der Leser erhält so ein umfassendes Bild jener weit gespannten Welt der Kelten, die vor mehr als zwei Jahrtausenden von den britischen Inseln über Nordspanien und Mitteleuropa bis nach Anatolien reichte.“ Bei einem Umfang von lediglich 190 Seiten ist ein derartig ambitioniertes Versprechen selbstverständlich kaum einzulösen. Unten ist darauf zurückzukommen.

Das Buch gliedert sich in vier größere Abschnitte. In „Wer waren die Kelten? Eine Annäherung“ (S. 7-23) gehen die Autoren auf die Rezeption „der“ Kelten in Antike, Mittelalter und Neuzeit ein und zeigen die vielen Facetten auf, die diese Bezeichnung umfasst bzw. durchlaufen hat. Sie machen dabei richtigerweise deutlich, dass von einem einheitlichen „Keltentum“ zu keiner Phase der Geschichte gesprochen werden kann.

„1000 Jahre keltische Geschichte“ (S. 25-75) gibt einen Kurzabriss der keltischen Geschichte von Spanien, Großbritannien, Mittel- und Osteuropa bis nach Kleinasien zwischen 800 v. Chr. und 200 n. Chr. Behandelt wird dabei allerdings aufgrund der Quellenlage schwerpunktmäßig der italische und französische Raum. Insbesondere dort, wo schriftliche Quellen in größerer Zahl vorliegen, werden die Ereignisse aufgrund des beschränkten Platzes häufig im Stakkato-Takt aufgezählt.

Im längsten Abschnitt „Die Kelten und ihre Kultur“ (S. 77–175) handeln die Autoren exemplarisch Einzelaspekte „der“ keltischen Kultur wie Sozialordnung, Wirtschaft, Handwerk, Siedlungswesen, Kleidung und Religion ab, was aufgrund des großen räumlichen und zeitlichen Rahmens ein schwieriges Unterfangen ist. Sie lösen dieses Problem, indem sie sich in ihrer Darstellung neben den eher spärlichen Schriftquellen vor allem auf archäologische Befunde aus Süddeutschland und Süd- und Ostfrankreich konzentrieren. Angesichts des beschränkten Platzes und der deutschsprachigen Leserschaft ist dieses Vorgehen durchaus sinnvoll, es führt allerdings zu einem stark regional geprägten Bild der archäologischen Quellen. Sieht man von dieser Einschränkung ab, zeugen die Auswahl der Beispiele und die zugehörigen Erläuterungen vom Sachverstand der Autoren.

Beschlossen wird der Haupttext durch das Kapitel „Kelten und kein Ende?“ (S. 177–181). Darin reflektieren die Autoren über das Erbe des „Keltischen“ und seine Rolle in der modernen Welt, wobei sie insbesondere auf deren Vereinnahmung und Instrumentalisierung zur Identitätsstiftung eingehen.

Der Anhang (S. 182–190) besteht aus einem Literaturverzeichnis, das zunächst die wichtigsten berücksichtigten antiken Autoren nennt und anschließend in strukturierter Form auf fünf Seiten wichtige Überblickswerke und ausgewählte Fachliteratur aufführt, schwerpunktmäßig aus dem archäologischen Bereich. Die zitierte Literatur ist zwangsläufig selektiv, ermöglicht aber dem interessierten Leser einen Einstieg auch in aktuelle Fachdiskussionen. Ferner schließt sich ein Glossar an, ein Index allerdings fehlt. Sein Fehlen bei einem Buch einer Reihe, die sich „WissenKompakt“ nennt, ist bedauerlich. Schnelles Nachschlagen nach einer bestimmten Person oder einem bestimmten Ereignis ist damit nicht möglich. Auch andere Bände dieser Reihe verzichten auf einen Index, eine für Rezensenten unverständliche Entscheidung des Verlags.

Aufgelockert wird der Text durch zahlreiche Abbildungen und kurze Erklärungen oder die Wiedergabe antiker Schriftquellen zu speziellen Fragenkomplexen. Auf einzelne Themen oder Fundorte wird zusätzlich auf farbig unterlegten Einzel- und Doppelseiten eingegangen. Wohl aus Kostengründen wurde auf einen mehrfarbigen Druck verzichtet, was angesichts der dargestellten, häufig auch ästhetisch äußerst ansprechenden Objekte bedauerlich ist. Ärgerlicher ist, dass aus drucktechnischen Gründen (alle Abbildungen sind in Abstufungen eines Brauntones gehalten) viele der Abbildungen deutlich zu flau sind. Zudem wirken die Illustrationen teilweise wahllos über die Seiten verteilt. Vielfarbig sind lediglich die Umschlagseiten. Auf den aufklappbaren Innenseiten sind zwei nützliche Übersichtskarten Europas mit den wichtigsten Funden und Kulturgruppen bzw. eine Zeittafel zu finden.

Problematisch bei jedem Buch dieses Themas ist der breite geographische und zeitliche Rahmen, in dem über „die“ Kelten gehandelt wird. Die Autoren weisen aber wiederholt selbst auf dieses Dilemma hin und zeigen die unterschiedlichen Begriffsinterpretationen auf, die von den beteiligten Wissenschaften – insbesondere Sprach- und Geschichtswissenschaft und Archäologie – aufgrund ihrer unterschiedlichen Quellenbasis eingesetzt werden. Sie bemühen sich soweit als möglich, die Bezugsquellen und den Kontext darzulegen, wenn sie von „den“ Kelten schreiben.

Fachlich gibt es an dem Buch nichts Gravierendes auszusetzen. Die Darstellung der Sozialverhältnisse der Hallstattzeit etwa folgt zwar sehr traditionellen Deutungsmustern, spiegelt aber die nach wie vor gültige opinio communis wider. Da die Autoren von Hause aus Archäologen sind, wird dieser Teil der Quellen besonders ausführlich und kompetent behandelt. Teilweise wird allerdings ein gewisses Vorwissen vorausgesetzt, was auch durch den Glossar nicht immer aufgefangen wird.

Mit seinem Preis von knapp unter 20 Euro versucht sich das Buch offensichtlich Käuferschichten zu erschließen, denen etwa der wesentlich opulenter ausgestattete, ebenfalls im Theiss-Verlag erschienene Band „Die Kelten in Deutschland“1 zu teuer ist. Direkt konkurriert es mit Bänden aus den Reihen „Urban-Taschenbücher“2 und „C. H. Beck’s Wissen“.3 Diese Bücher unterscheiden sich aber in mancherlei Punkten von der Reihe WissenKompakt: Im Gegensatz zu dem hier besprochenen Buch pflegen sie einen betont wissenschaftlichen Stil, sind kaum bebildert, dafür aber teilweise ausführlicher. Das Buch des Theiss-Verlags wirkt dagegen durch die zahlreichen Abbildungen weniger kompakt, sein Stil ist betont locker. Welches Format man bevorzugt, hängt letztendlich von den persönlichen Präferenzen der Wissensvermittlung ab.

Auch wenn das Buch die durch den eingangs zitierten Umschlagtext geweckten Erwartungen nur bedingt erfüllen kann, bietet es dem interessierten Leser durchaus einen guten, kurzweiligen Einstieg in die weitere Beschäftigung mit „den“ Kelten.

Anmerkungen:
1 Rieckhoff, Sabine; Biel, Jörg, Die Kelten in Deutschland, Stuttgart 2001 (542 S.; 64 EUR).
2 Fries-Knoblach, Janine, Die Kelten: 3000 Jahre europäischer Kultur und Geschichte, Stuttgart 2002 (280 S.; 17,80 EUR).
3 Demandt, Alexander, Die Kelten, München 1998 (127 S.; 7,90 EUR).

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