D. Hacohen: To Repair a Broken World

Cover
Titel
To Repair a Broken World. The Life of Henrietta Szold, Founder of Hadassah. Translated by Shmuel Sermoneta-Gertel


Autor(en)
Hacohen, Dvora
Erschienen
Anzahl Seiten
X, 388 S., 50 Abb.
Preis
$ 31,50
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Nora M. Kißling, Moses Mendelssohn Akademie Halberstadt

Mit To repair a broken world: the life of Henrietta Szold, founder of Hadassah liegt seit 2021 die englischsprachige Übersetzung der ausgezeichneten 2019 im hebräischen Original erschienenen Biographie Henrietta Szolds vor. Szold (1860–1945) gehört bis heute zu den prägendsten jüdischen Frauen des 20. Jahrhunderts und die Historikerin und Autorin Dvora Hacohen (Bar Ilan Universität, Israel) nimmt sich der Erzählung dieses Lebens mit großer Hingabe an. Mit einem Vorwort von Ruth Bader Ginsburg versehen, steht das Buch in einer Tradition literarischer Biographien, die sowohl einen fachwissenschaftlichen Anspruch Genüge tun als auch das Leseinteresse eines breiteren Publikums ansprechen sollen. So erscheint bereits der Hinweis im Titel auf den Zusammenhang von Szold mit der zionistischen Frauenorganisation Hadassah als ein Schlüsselwort für interessierte Leser:innen, denen Szold vor allem in diesem Kontext sowie ihrer leitenden Tätigkeit in der Jugend-Alija Organisation in Jerusalem der 1930er- und 1940er-Jahre ein Begriff ist.

Chronologisch geordnet führt Hacohen auf insgesamt 14 Kapiteln durch den Lebensweg Henrietta Szolds. Sie berichtet zunächst von der intensiven Beziehung Szolds zu ihrem Vater Benjamin Szold, einem Reformrabbiner in Baltimore, der entgegen zeitgenössischen Konventionen seine älteste Tochter zu einem intellektuellen Leben erzog. Als Frau war ihr ein reguläres Studium an der 1876 gegründeten Johns Hopkins Universität verwehrt, so dass sie nach Abschluss der High School an einer Abendschule zu unterrichten begann. Darüber hinaus schrieb sie zunächst unter dem Pseudonym Sulamith regelmäßig Artikel für die Zeitschrift Jewish Messenger und verkehrte im heimischen Umfeld mit den Söhnen einiger der wichtigen Persönlichkeiten des jüdischen Amerikas des späten 19. Jahrhunderts. Über etliche Jahre hielt sie dank ihres hohem Arbeitspensum sowohl ihre journalistische Tätigkeit als auch ihre Lehrtätigkeit aufrecht. Mehr noch, mit der Gründung einer eigenen Schule für jüdische Immigrant:innen und dem Beginn ihrer Tätigkeit als Lektorin und Übersetzerin der Jewish Publication Society (JPS) und ihrer „stillen“ Karriere für das American Jewish Yearbook, dessen Beiträge sie über Jahre hinweg fast vollständig allein schrieb, professionalisierte sie sich in diesen Bereichen. Trotz der intensiven Arbeit und der Erfolge für den Verlag blieben die Tätigkeiten Szolds weitgehend ohne Wertschätzung ihrer Arbeitgeber. Genau dies zeichnet Hacohen in ihrer Studie nach und arbeitet damit den Druck auf Szold spürbar heraus. Gleichsam verpasst Hacohen es, einen Einblick in die inhaltliche Arbeit Szolds zu vermitteln. Über welche Themen sie schrieb, wie sie sich in den Diskursen ihrer Zeit positionierte, wie ihre Beiträge in der Öffentlichkeit aufgenommen und wiederum diskutiert wurden, diese Aspekte bleiben in der Biographie Szolds unausgesprochen.

Entlang der privaten Korrespondenzen Szolds mit Freunden und ihrer Familie zeichnet Hacohen wiederum detailliert die Herausforderungen und Schwierigkeiten nach, mit denen sie sich in diesen Jahren konfrontiert sah. Hacohen schreibt über die unerwiderte Liebe Szolds zu Louis Ginsberg, über die regelmäßigen depressiven Phasen Szolds und ihrem Wunsch, eigentlich ein Mann zu sein. Diese psychologischen Einblicke wirken im Kontrast zu der fehlenden diskursiven Einordnung Szolds intellektueller Arbeit häufig voyeuristisch, allzumal sie nur selten durch Zitate oder Auszüge aus Szolds Tagebüchern und Korrespondenzen begleitet und belegt werden. Auch der titelgebende Teil der Biographie, Szold als Gründerin der zionistischen Frauenorganisation Hadassah 1912 in New York, und der Beginn ihrer politischen Arbeit im Rahmen der amerikanischen und palästinensischen zionistischen Organisationen verbleibt in der ambivalenten Darstellungsweise Hacohens.

Die von insgesamt fast 40 Frauen gegründete Organisation, Hadassah, verfolgte das Ziel, die soziale und gesundheitliche Situation in Palästina zu verbessern, wobei vor allem Kinder und Frauen im Mittelpunkt des Engagements stehen sollten. 1913 konnte eine erste kleine Krankenschwesterstation in Jerusalem eröffnet werden, die von zwei Hadassah Mitgliedern geführt und vor Ort von Ärzten unterstützt wurde. Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges war Hadassah als unabhängige Organisation für die Entwicklung eines Großteils der Gesundheitsfürsorge in Palästina zuständig und baute bis in die 1930er-Jahre ein umfassendes Netzwerk von Krankenhäusern, Kliniken und Einrichtungen der sozialen Wohlfahrt auf. Szold selbst leitete zwischen 1920 und 1922 die zu diesem Zweck eingesetzte Medical Unit, bevor sie schließlich 1927 zu einer der drei Mitglieder der Zionistischen Exekutive für Palästina berufen wurde und diese Position als erste und einzige Frau für die kommenden Jahre inne hatte.

In ihrer Biographie zeichnet Hacohen dieses Engagement und den persönlichen Einsatz Szolds für die Bevölkerung in Palästina seit den frühen 1920er-Jahren detailliert nach. Doch verbleibt Hacohen in einer reinen Positivdarstellung der Lebensleistung Szolds ohne auf die schwerwiegenden Diskussionen, Probleme und theoretischen Diskurse einzugehen, die den Aufbau des neuen Jischuw besonders in den 1920er- und 1930er-Jahren begleiteten. Die permanente Konfliktsituation zwischen den verschiedenen zionistischen Akeuter:innen in Palästina, die Situation der arabischen Bevölkerung aber auch der Streit zwischen der Zionist Organization of America (ZOA) unter Louis Lipsky in den Vereinigten Staaten und Hadassah wird zwar erwähnt, eine unmittelbare Auseinandersetzung bleibt aber weitgehend außen vor. Dabei lässt die umfangreiche Korrespondenz Szolds vermuten, dass sie im Hinblick auf diese weitreichenden Schwierigkeiten eine eigene Position hatte.

Die komplexen historischen Entwicklungen der Jahre um 1933, die auch gerade für die amerikanischen zionistischen Organisationen von herausragender Bedeutung gewesen waren, werden von Hacohen verkürzt dargestellt, auch um das Ansehen und die Bedeutung ihrer Heldin aufrecht zu erhalten. So wird sie zur zentralen Persönlichkeit der Organisation der Jugend-Alija, für die sie insbesondere in Israel erinnert wird, ohne jedoch kritisch auf ihre eigentliche Rolle und die Vorgänge zur Beteiligung Hadassahs an dem Projekt einzugehen, die nur mittelbar mit Szold selbst zu tun haben. Die Beteiligung Hadassahs an der Jugend-Alija wurde vor allem von der amtierenden Präsidentin Rose Jacobs vorangetrieben und Szold stimmte erst nach langem Zögern der Übernahme des Jerusalemer Jugend-Alija Büros zu.

Ursprünglich 1932 von Recha Freier in Berlin begründet, entwickelte sich die Idee und Organisation der Jugend-Alija zunächst von dort aus und mit Freiers Kontakten nach Palästina. Erst Ende 1933 konnte Szold davon überzeugt werden, die Jerusalemer Leitung zu übernehmen. Unerwähnt bleibt allerdings, dass das ganze Unternehmen, in dessen Rahmen mehrere tausend Kinder und Jugendliche aus Deutschland und Mitteleuropa nach Palästina emigrieren konnten, auf einem weitreichenden transnationalen Netzwerk verschiedener Personen und Organisationen beruhte.

Obwohl die Biographie Henrietta Szolds gemessen an den Möglichkeiten Hacohens im direkten und umfangreichen Zugriff auf das Archivmaterial und den Veröffentlichungen Szolds aus wissenschaftlicher Perspektive enttäuscht und gerade ihre intellektuelle und politische Verortung mehrerer Jahrzehnte aktiver Beteiligung an jüdischen und zionistischen Diskursen nur anreißt, ist das Buch hervorragend übersetzt und eine durchaus angenehme Lektüre, die zu einer weiteren, tiefer gehenden Beschäftigung mit den aufgeworfenen Themenstellungen anregt.

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