M. Heinzelmann: Forma urbis Ostiae

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Titel
Forma urbis Ostiae. Untersuchungen zur Entwicklung der Hafenstadt Roms von der Zeit der Republik bis ins frühe Mittelalter
Weitere Titelangaben
Mit Beiträgen von Franz Alto Bauer, Alessandro Colantoni, Hanna Hadler, Willian Loerts, Luca Lorio, Ralph Rosenbauer, Andreas Schaub, Benjamin Streu


Autor(en)
Heinzelmann, Michael
Reihe
Sonderschriften des Deutschen Archäologischen Instituts, Abteilung Rom (25)
Erschienen
Wiesbaden 2021: Harrassowitz Verlag
Anzahl Seiten
464 S.
Preis
€ 98,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Marion Bolder-Boos, Klassische Archäologie, Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt

Die Monographie von Michael Heinzelmann, unter Mitarbeit von Franz Alto Bauer, Alessandro Colatoni, Hanna Hadler, Willian Loerts, Luca Lorio, Ralph Rosenbauer, Andreas Schaub, Benjamin Streubel und Tina Wunderlich, stellt die Ergebnisse eines großangelegten Feldforschungsprojekts in Ostia vor, das von 1996 bis 2001 vom Deutschen Archäologischen Institut Rom in Kooperation mit der American Academy in Rome und der Soprintendenza Archeologica di Ostia durchgeführt wurde und das Ziel hatte, die stratigraphische Situation in verschiedenen unausgegrabenen Teilen der Regiones III, IV und V zu untersuchen, um mehr über die Stadtentwicklung Ostias von der Gründung bis zur Aufgabe der Siedlung herauszufinden. Hierzu waren zunächst historische sowie aktuelle Luftbildaufnahmen gesammelt sowie großflächige geophysikalische Prospektionen vorgenommen worden. Anschließend unternahm man gezielt kleine Ausgrabungen zur Überprüfung der Luftbild- und Geophysikbefunde. Zwischen 2012 und 2015 fanden im Bereich des Flusshafens und entlang des Fiume Morto dann nochmals weitere geoarchäologische Untersuchungen statt. Im aktuellen Band werden die Ergebnisse der Ausgrabungen vorgelegt, während ein nachfolgender Band dann detailliert die Erkenntnisse aus den Luftbildanalysen, der geophysikalischen Prospektionen und der geoarchäologischen Forschungen darlegen soll.

Die Publikation ist sehr klar und übersichtlich gegliedert, indem für jeden untersuchten Bereich zunächst ein Überblick über den Luftbild- und Geophysikbefund gegeben wird. Anschließend wird kurz auf den Grabungsbefund eingegangen, darauf folgt eine detaillierte Darstellung der stratigraphischen Einheiten mit den jeweiligen Sondagen. Die größeren Komplexe werden mit einer guten Zusammenfassung abgerundet, was bei der Informationsfülle und Detailgenauigkeit der Dokumentation eine große Hilfe ist. Ferner besticht das Buch durch umfangreiches und anschauliches Kartenmaterial, Zeichnungen, 3D-Rekonstruktionen und Fotografien.

Nachdem in der Einleitung ausführlich Ausgangssituation, Ziele und Fragestellungen des Projekts erläutert werden, werden zunächst die Untersuchungen an der konstantinischen Basilika in der Regio V ausführlich vorgestellt. Die Basilika, die zunächst nur durch literarische Nachrichten bekannt war, war durch Untersuchungen in den späten 1990er-Jahren identifiziert worden. Anhand der durchgeführten Sondagen war nun eine Rekonstruktion des Grundrisses sowie – mit Abstrichen – des Aufrisses möglich, die eine dreischiffige Basilika mit großem Atrium und anschließendem Baptisterium zeigen. Ferner konnten die Nutzungsphasen der Kirche von der konstantinischen Zeit bis ins frühe 7. Jh. erfasst werden, auch wenn der genaue Zeitpunkt der Aufgabe des Sakralbaus nicht bestimmt werden kann. In der Zusammenfassung wird die Basilika in Bezug zu anderen Kirchenbauten Roms und Italiens gesetzt und der Versuch einer Einordnung unternommen. Hier wird überzeugend dargelegt, dass der Bau weniger für ein zentral gesteuertes kaiserliches Bauprogramm steht, sondern dass ebenso lokale Faktoren auf Lage, Größe und Ausgestaltung einwirkten.

Weitere Untersuchungen in Regio V betrafen Abschnitte entlang der Stadtmauer, der Via Sabazeo, an einer Domus und an der zum Wasserkastell führenden Straße. Da es sich dabei um kleinere Sondagen handelt, werden die Ergebnisse etwas geraffter vorgestellt. So konnte die Datierung der Stadtmauer um die Mitte des 1. Jh. v.Chr. wahrscheinlich gemacht werden. Ferner wurde gezeigt, dass die Befestigung bereits in augusteischer Zeit ihre Funktion verlor und sich das Stadtgebiet darüber hinaus ausdehnte. Für die Straßen wurden etliche Erneuerungsphasen sowie verschiedene Niveauanhebungen festgestellt.

In Regio III fanden vor allem Arbeiten am Flusshafen statt. Besonders bedeutsam ist die Erkenntnis, dass die Südseite des Tibers bereits an der Wende vom 5. zum 4. Jh. v.Chr. durch Ausbaggerung einer natürlichen Lagune zu einem künstlichen Binnenhafen umgewandelt wurde. Damit muss eine Neubewertung der Siedlungsaktivitäten an der Tibermündung vorgenommen werden. Siedlungsreste, die mit diesem Zeithorizont übereinstimmen, konnten bislang jedoch noch nicht identifiziert werden.

Zu großer Bauaktivität kam es schließlich an der Ostseite des Binnenhafens. Auf Basis zweiter Sondagen im sogenannten Navalia-Hafentempel-Komplex wird eine große Anlage bestehend aus einer rechteckigen Terrasse mit Substruktionen, einem zentral positionierten, wohl tetrastylen Podiumtempel korinthischer Ordnung, einer porticus triplex sowie zwei seitlichen Apsiden rekonstruiert. Dieser Gebäudekomplex wird von den Ausgräbern in die Tradition spätrepublikanischer Terrassenheiligtümer gestellt, wobei die Errichtung zweier großer Apsiden zudem wohl auf das Augustusforum als weiterem architektonischem Vorbild verweist. Als Entstehungszeit wird das zweite Viertel des 1. Jh. n.Chr. vorgeschlagen. Dies ist einerseits aus der Architektur, andererseits aus Keramik- und Münzfunden abzuleiten. Der Komplex hatte jedoch vermutlich nicht allein sakrale Bedeutung. So dürften die tonnengewölbten Kammern der Terrassensubstruktionen auch profane Zwecke erfüllt haben, an der Ostseite etwa als tabernae und Lagerräume. Für die Räume an der Westseite, wo sie sich offenbar zum Hafenbecken hin öffneten, vermuten die Ausgräber eine Funktion als navalia. Bei der Identifizierung des Tempels ist man zu Recht vorsichtig, da abgesehen von der Lage des Kultbaus am Flusshafen, was eine mit dem Meer zu verbindende Gottheit vermuten lässt, keine Indizien für eine genauere Zuweisung vorliegen. Die vorsichtig formulierte These, wonach der Tempel möglicherweise den Dioskuren geweiht gewesen sein könnte, ist insofern kritisch zu sehen, da dieser Kult in Ostia bereits in der Frühzeit der Kolonie eine wichtige Rolle spielte und entsprechend schon in republikanischer Zeit ein Kultbau existiert haben muss. Obwohl das hohe Alter des Dioskurenkultes angesprochen wird, wird auf die Problematik, dass der Tempel am Hafen erst im 1. Jh. n.Chr. errichtet wurde und somit einen älteren Vorgänger ersetzt haben müsste, nicht weiter eingegangen.

Weitere Sondagen wurden an den Horrea nördlich und südlich der Via della Foce, bei Insulae am Cardo degli Aurighi, an Wohnbauten nahe der Stadtmauer sowie am Stadttor und der zum Meeresufer führenden Straße durchgeführt. Auch hier wird sorgfältig dokumentiert, auf eine zusammenfassende Auswertung jedoch verzichtet.

Die Untersuchungen in der Regio IV schließlich konzentrieren sich auf einen großen Gebäudekomplex, der zwischen der spätrepublikanischen Stadtmauer und der Via Severiana liegt. Dieser kann als suburbane Villa identifiziert werden, die im späten 1. Jh. n.Chr. errichtet wurde. Sie verfügte in der Anfangsphase über drei Peristyle, einen Wohnblock mit Atrium und eine von den Ausgräbern als Gartenstadion interpretierte Anlage. Ferner erbrachten die Forschungen eine umfassende Umbauphase in hadrianischer oder frühantoninischer Zeit, bei der unter anderem ein neuer Wohnbereich errichtet wurde. Die Ausstattung wurde durch Neudekorationen zudem luxuriöser gestaltet, und in severischer Zeit baute man zudem eine Hypokaustheizung ein. Ende des 3. Jhs. wurde die Villa dann anscheinend bereits wieder aufgegeben und sukzessive Opfer von Steinraub, obwohl die Bauten in der Nachbarschaft – etwa die Terme di Porta Marina und die südöstlich gelegene Synagoge – bis ins 5. oder gar 6. Jh. genutzt wurden. Aufgrund ihrer Nähe zur Küste, des Fehlens von eindeutig wirtschaftlich genutzten Bereichen sowie des Umstands, dass man zum Zeitpunkt ihrer Errichtung wohl noch einen freien Blick von der Villa auf das Meer hatte, deuten die Ausgräber die Anlage plausibel als Otium-Villa.

Am Schluss des Buches werden die Kernergebnisse der Einzeluntersuchungen in einer kurzen Zusammenfassung nochmals prägnant auf den Punkt gebracht. Insgesamt ist den Autor:innen zu diesem gelungenen Werk zu gratulieren, das zahlreiche wichtige Erkenntnisse zu den untersuchten Arealen der Stadt liefert. Auf die Neubewertung der urbanistischen Entwicklung Ostias, die im zweiten Band der Reihe zusammen mit den Ergebnissen der Luftbildanalyse und der geophysikalischen Prospektionen präsentiert werden soll, darf man gespannt sein.

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