E. Vavra u.a. (Hrsg.): Vom Umgang mit Schätzen

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Titel
Vom Umgang mit Schätzen. Internationaler Kongress Krems an der Donau 28. bis 30. Oktober 2004


Herausgeber
Vavra, Elisabeth; Holzner-Tobisch, Kornelia; Kühtreiber, Thomas
Reihe
Sitzungsberichte der philosophisch-historischen Klasse 771, Veröffentlichungen des Instituts für Realienkunde des Mittelalters und der Frühen Neuzeit 20
Anzahl Seiten
360 S., 67 Abb.
Preis
€ 51,20
Rezensiert für Clio-online und H-Soz-Kult von:
Matthias Hardt, Geisteswissenschaftliches Zentrum Geschichte und Kultur Ostmitteleuropas an der Universität Leipzig (GWZO)

Schätze und Horte des Mittelalters, sichtbare und versteckte Anhäufungen von Edelmetallen und Wertgegenständen sowie die Ursachen ihrer Entstehung, ihre Funktion und ihre Verwendung haben im vergangenen Jahrzehnt intensive Aufmerksamkeit interdisziplinärer historischer, archäologischer und kunstwissenschaftlicher Forschung erhalten. Dabei standen zunächst die Schätze von Königen und Fürsten des ersten Jahrtausends und ihre Bedeutung für Herrschaftsbildung und -sicherung im Vordergrund.1 Aus Anlass der Auffindung und Ausstellung des nach 1276/78 verborgenen Hortes von Fuchsenhof bei Freistadt in Oberösterreich hat das Kremser Institut für Realienkunde des Mittelalters und der Neuzeit im Jahr 2004 eine Konferenz veranstaltet, die den „Umgang mit Schätzen“ auch im hohen und späten Mittelalter thematisieren sollte. Die Beiträge dieser Tagung sind im Jahr 2007 vorgelegt worden und bieten einen vielfältigen und thematisch weit gestreuten Einblick in die Problematik von Aufbewahrung und Nutzung von Schätzen ebenso wie zu ihrem Platz im Denken der mittelalterlichen Menschen. Im Sinne der Ausrichtung des Kremser Institutes auf die Mensch-Objekt-Beziehungen wurde dazu, wie Thomas Kühtreiber in seiner Einführung (S. 7-20) betont, ganz bewusst kein systematischer Schatz-Begriff angestrebt, sondern festgestellt, dass dieser „für jede Zeit, jeden Kulturkreis, jeden Kontext neu definiert werden“ müsse (S. 20).

Die ersten Beiträge des Bandes nähern sich dem Thema durch das Studium bestimmter Textgattungen an. Ausgehend vom biblischen Blick auf Schätze und Horte weist Karl Brunner (Der Schatz und die Motten, S. 21-33) auf die sich wandelnde Bedeutung des Wortes thesaurus in historiographischen Quellen hin und betont die notwendige intensive Lektüre einschlägiger Kontexte, um sich den jeweiligen Zusammenhängen von Schätzen annähern zu können. Karin Lichtblau (Schatzvorstellungen in der deutschen Literatur des Mittelalters, S. 35-54) fragt, ausgehend von sogenannten Schatztraumsagen und dem Nibelungenlied, woraus bestehend, an welchen Stellen verborgen und von wem behütet sich mittelhochdeutsche Dichtung und Prosa jeweils Schätze dachte. Helmut Hundsbichler (Religiös orientierte „Schatz“-Auffassungen im Spätmittelalter, S. 55-79) und Gerhard Jaritz (Das schlechte Gebet zu den Schätzen der Welt, S. 81-97) zeigen, dass in Texten und auf Bildern religiöser Ausrichtung des 14. bis frühen 16. Jahrhunderts Schätze als Anhäufungen von Reichtum Inbegriffe von Habsucht, Gier und Neid waren, mit der Anbetung des goldenen Kalbes verglichen wurden und in den kirchlichen Tugendkonzepten den Aufruf provozierten, den Umgang mit den Schätzen so zu gestalten, dass sie nicht zur Gefahr für das Seelenheil werden könnten (S. 78). Markus Mayr (Reliquien – kostbarer als Edelsteine und wertvoller als Gold, S. 99-114) thematisiert die Beziehung zwischen Schätzen und Reliquien, die Verehrung letzterer, ihren Diebstahl und ihren Preis.

Die Abfolge der weiteren Beiträge ist nicht mehr durch eine chronologische oder gattungsmäßige Ordnung ihrer jeweiligen Quellengrundlage begründet, sondern wirkt willkürlich. Stefan Krabath (Aussagemöglichkeiten spätmittelalterlicher Schatzfunde mit Edelmetallschmuck, S. 115-137) zeigt am Beispiel verschiedener Horte aus ländlichen wie städtischen Bereichen Mittel- und Nordeuropas den unterschiedlichen Charakter solcher sowohl als irreversibel wie reversibel zu denkender Deponierungen, in denen Geld, Rohmaterialien, Schmuck, aber auch Erntegeräte und Werkzeuge enthalten sein konnten. Bemerkenswert sind dabei auch Gegenstände antiquarischen Charakters wie die bronzezeitlichen goldenen Spiralen eines im 14. Jahrhundert niedergelegten Hortfundes von Weißenfels in Sachsen-Anhalt und eine karolingerzeitliche Fibel im dänischen Schatz von Midskov/Mesinge wohl aus dem gleichen Jahrhundert (S. 136).

Dagmar Eichberger (Car il me semble que vous aimez bien les carboncles. Die Schätze Margaretes von Österreich und Maximilians I., S. 139-152) beschreibt anhand eines Briefes Maximilians I. an seine Tochter Margarete aus dem Jahr 1509 sowie eines Bildes Ludwig Altdorfers den grant trésor dieser Habsburger und seine Aufbewahrung in besonders gesicherten Räumen ihrer Residenz in Mechelen. Hendrik Mäkeler (Zum Wandel des Schatzmotivs in der altnordischen Sagaliteratur, S. 153-166) stellt die reichhaltige Überlieferung von verborgenen Schätzen in den Sagas vor, deren im frühgeschichtlichen Norwegen handelnde Inhalte erst im 13/14. Jahrhundert im bereits christianisierten Island aufgezeichnet wurden, auf einer Insel, die bis heute nur zwei Hortfunde aufweist und so einerseits die dem Horten gegenüber negativ eingestellte Geisteshaltung einer christlichen Gesellschaft, andererseits die Dauerhaftigkeit alter Stoffe und Motive ursprünglich mündlicher Überlieferung auch in verschriftlichter Form anzeigt. Werner Wunderlich (Drachenhort – Königsgut – Rheingold. Der Nibelungenschatz als Mythos, Motiv und Metapher, S. 167-195) bestätigt dies auch anhand der Beschreibungen des Schatzes im mittelhochdeutschen Nibelungenlied eines Passauer Dichters aus der Zeit um 1200. Gold, Silber und Edelsteine in großen Mengen sowie Wertgegenstände besonderen Charakters wie der Tarnmantel, das Schwert Balmung und die goldene Wünschel- oder Wunderrute charakterisieren den Nibelungenhort noch im ausgehenden Hochmittelalter als einen völkerwanderungszeitlichen Königsschatz, der für Gaben und Geschenke zur Gewinnung von Anhängerschaft sowie als Morgengabe und Witwenausstattung für Kriemhild genutzt wird. Aus eddischer Überlieferung schildert Wunderlich weiterhin die verschiedenen Versionen der Herkunft des Nibelungenschatzes und widmet sich schließlich ohne inneren Zusammenhang den Aspekten des Schatzes als Herrschaftsinstrument, Namengeber, Streitobjekt, Wagners Schatzmythos, Nibelungenschatz und Nationalgeschichte sowie am Schluss den Schatzsuchern.

Damit leitet er über zu einem bis heute rechtlich relevanten Thema, der verbreiteten Suche nach verborgenen Schätzen und den dabei angewandten Hilfsmitteln, denen sich Christa Agnes Tuczay (Schatzgräberprozesse: Totengeister und Okkulttäter, S. 197-212) unter spätmittelalterlich-frühneuzeitlicher Perspektive zuwendet. In dieser Zeit waren es magische und okkulte Praktiken, die das Heben verborgener Schätze erleichtern sollten, jedoch führte solches Vorgehen bisweilen zu Konflikten mit geltendem Recht, dessen Verhältnis zu gefundenem Gut, Findern, Bodeneigentümern, Schatzregal und Magie die Autorin bis in römische Zeit zurückverfolgt (S. 202-205).2 Die Akten entsprechender Gerichtsverhandlungen geben Beispiele für auf der Suche nach Schätzen vorgenommene Geister- und Dämonenbeschwörungen, die jedoch ein deutliches Vorbild in spätmittelalterlicher Gespensterliteratur gehabt haben dürften (S. 208-212). Heide Klinkhammer (Der Topos vom Weisheitsschatz. Der thronende Alte im Grabe mit der Offenbarungsschrift, S. 213-230) vergleicht die bemerkenswerte Parallelen aufweisenden, ursprünglich arabischen Legenden von der Auffindung der Tafel alchemistischen Wissens im Grabe des als sitzender Alter dargestellten ägyptischen Priesterkönigs Hermes Trismegistos und die Überlieferungen von der sitzenden Bestattung Karls des Großen bei der Öffnung seines Aachener Grabes durch Otto III. im Jahr 1000. Sie lässt aber weitgehend offen, ob die frappante Ähnlichkeit von Einzelelementen der jeweiligen Erzählungen auf der nahe liegenden, vielleicht über Byzanz vermittelten Kenntnis der ägyptisch-arabischen Legenden von der Auffindung des Weisheitsschatzes bei Otto von Lomello und Ademar von Chabannes beruhen könnte.

Mit realen Schätzen des Hochmittelalters beschäftigen sich auf unterschiedlichen Ebenen die Beiträge von Alan V. Murray (Barschaft und Beute: Komposition und Entstehung des Barbarossa-Schatzes im Umfeld des Dritten Kreuzzuges, S. 231-246) und Stefan Hesse (Der Schatz im Dorf – Bemerkungen zu Randphänomenen, S. 247-267). Während im ersten Aufsatz Probleme der Kreuzzugsfinanzierung anhand eines wohl aus dem Nahen Osten stammenden, im Kunsthandel veräußerten und in das 12. Jahrhundert zu datierenden Hortfundes aus 7.700 Münzen und -bruchstücken, Silberbarren sowie zerhacktem seldschukischem Silberschmuck besprochen werden, erklärt der zweite anhand zahlreicher Beispiele die Bedeutung von nicht lebendem, beweglichem Reichtum und seiner Aufbewahrung bzw. Verbergung in der ländlichen Gesellschaft. Nicht nur „klassische Schätze“ aus Münzen, Schmuck und Edelmetall finden dabei Aufmerksamkeit, sondern auch die vielen Depots, die Erntegeräte, Werkzeuge oder einfach nur Altmetall enthielten.

Dem Einsatz von Edelmetall und Edelsteinen zu Darstellung und Repräsentation adliger und bürgerlicher Eliten überwiegend Böhmens in der frühen Neuzeit widmen sich Václav Bůžek (Wertgegenstände als Medien zur Inszenierung des sozialen Status im bürgerlichen und adeligen Milieu zu Beginn der frühen Neuzeit, S. 269-287) und Pavel Král (Mitgift und Aussteuer als symbolischer weiblicher Schatz im Böhmen der frühen Neuzeit, S. 289-306). Anhand zahlreicher erhaltener Rechnungen beschreibt anschließend Maria Hayward (Transporting Royal Treasures: A Case Study from the Court of Henry VIII., S. 307-325) Zusammensetzung, Aufbewahrung und Transport des noch im frühen 16. Jahrhundert wie im frühen Mittelalter mit dem königlichen Hof über Land und Meer reisenden englischen Königsschatzes. Sonja Dünnebeil (Schatz, Repräsentation und Propaganda am Beispiel Burgunds, S. 327-344) erzählt, ausgehend von der Schweizer Burgunderbeute in der für sie siegreichen Schlacht gegen Karl den Kühnen in Grandson am 2. März 1474, vom Einsatz der Schätze des burgundischen Herzogs zur Darstellung seiner Position zwischen Römischem Reich und Frankreich, etwa im Rahmen des Treffens Karls mit Kaiser Friedrich III. in Trier im Herbst des Jahres 1473. Sie bildeten dabei mit dem Fürsten im Mittelpunkt ein „Gesamtkunstwerk der Staatsikonographie mit politischer Aussage“ und ersetzten damit die nicht vorhandene alte Tradition der vergleichsweise jungen Burgunderdynastie.

Zum Abschluss des Bandes beschreibt Pierre Alain Mariaux (Der Schatz als Ort der Erinnerung, S. 345-357) die Neuerfindung bzw. Neubestimmung des Reliquienschatzes des burgundischen Klosters St. Maurice d’Agaune im Laufe des 12. Jahrhunderts, als dort zahlreiche neue Objekte geschaffen wurden, so zum Beispiel eine Büste des Hl. Kandidus, Reliquienschreine des Hl. Mauritius und der Kinder des Heiligen Sigismund. Auch im Vergleich mit dem Wirken Sugers von St. Denis will Mariaux zeigen, dass die Reliquienschätze in dieser Zeit Orte wurden, an denen „Traditionen wiedergeboren“ worden seien. Ein Schatz erleichterte demnach nun „die Rückkehr in die Vergangenheit, denn er ist mit Namen, Mythen und Ereignissen verbunden, zentralen Elementen eines legendären Stammgutes. [...] Der Schatz half mit seinen Gegenstände [sic] und Bildern – den wahren Reliquien der Vergangenheit – ein Porträt eben dieser Vergangenheit zu schaffen“ (S. 348) und wurde durch seine „imaginative memory“ schließlich selbst zum „Ort der Erinnerung“ (S. 355). Eine solche Funktion eines Schatzes ist jedoch nicht erst seit dem 12. Jahrhundert festzustellen, bedenkt man den Wert, der etwa dem Tafelgeschirr des Aetius im westgotischen Königsschatz als Erinnerung an die Schlacht auf den Katalaunischen Feldern oder dem Trinkgefäß aus dem Schädel des Gepidenkönigs Kunimund bei den Langobarden zugemessen wurde.3

Den Herausgebern ist ein die ganze Spannweite des mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Umgangs mit Schätzen umfassender Sammelband gelungen, der von königlichen Schätzen über Kirchen- und Klosterschätze zu den Horten und Depots der ländlichen Gesellschaft reicht. Seine Interdisziplinarität ist durch die Beteiligung von Archäologen/innen, Historiker/innen, Volkskundler/innen, Kunsthistoriker- und Literaturwissenschaftler/innen gewährleistet, die allerdings wenig Bezug aufeinander nehmen und auch in der Reihenfolge ihrer Beiträge wenig aufeinander abgestimmt sind. Neben dem Autorenverzeichnis (S. 359f.) hätte lediglich ein Register noch weiter helfen können, den „Schatz“ aller Inhalte und Aspekte dieses schönen Buches zu erschließen.

Anmerkungen:
1 Matthias Hardt, Gold und Herrschaft. Die Schätze europäischer Könige und Fürsten im ersten Jahrtausend (Europa im Mittelalter 6), Berlin 2004; Sauro Gelichi / Cristina La Rocca (Hrsg.), Tesori. Forme di accumulazione della ricchezza nell’alto medioevo (secoli V-XI) (Altomedioevo 3), Roma 2004.
2 Vgl. dazu für die Frühzeit weiterhin auch Matthias Hardt, Verborgene Schätze nach schriftlichen Quellen der Völkerwanderungszeit und des frühen Mittelalters, in: Ernst Pohl / Udo Recker / Claudia Theune (Hrsg.), Archäologisches Zellwerk. Beiträge zur Kulturgeschichte in Europa und Asien. Festschrift H. Roth. Studia honoraria 16), Rahden/Westf. 2001, S. 255-266.
3 Matthias Hardt, Silverware in Early Medieval Gift Exchange: Imitatio Imperii and Objects of Memory, in: Ian Wood (Hrsg.), Franks and Alamanni in the Merovingian Period. An Ethnographic Perspective, Woodbridge/San Marino 1998, S. 317-342.

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