Neal Knapp legt einen kurzen, aber klug konstruierten und gut lesbaren Beitrag zur Geschichte des Livestock Improvement Movement in den USA und zur Industrialisierung der Fleischproduktion im frühen 20. Jahrhundert vor. Zu diesem Gebiet sind in den letzten Jahren bereits andere wichtige Studien erschienen, die die Transformation der US-amerikanischen Fleischwirtschaft um 1900 detailliert nachzeichnen.1 Innerhalb weniger Jahrzehnte entstand ein stark zentralisiertes System der Viehaufzucht, -vermarktung und -tötung, das von den meat packers in Chicago dominiert wurde, die versuchten, den wachsenden Fleischhunger der Bevölkerung in den urbanen Zentren zu stillen. Damit gingen zahlreiche, tiefgreifende Veränderungen im Großen und Kleinen einher: Landschaften, städtische Infrastrukturen, aber auch alltägliche Praktiken auf Farmen und nicht zuletzt die Körper der Tiere wandelten sich teils drastisch.
Knapps Studie schließt an diese Arbeiten an; viele der Entwicklungen und Veränderungen, die er beschreibt, sind nicht völlig neu. Innovativ ist allerdings sein Fokus auf einen bislang vernachlässigten Aspekt: Knapp fragt nach dem Bindeglied zwischen „macro goals“ und „micro level“ (S. 24), oder, mit anderen Worten, nach den konkreten Mechanismen und Institutionen, über die es Akteur:innen wie den meat packers oder reformorientierten Agrarexpert:innen gelang, alltägliche Praktiken auf Farmen zu beeinflussen, die Tausende von Kilometern entfernt waren. Natürlich spielten finanzielle Motive und die dominante Stellung der fleischverarbeitenden Industrie dabei eine Rolle. Doch dieser Erklärungsansatz reicht nicht aus, um zu verstehen, wie genau die unterschiedlichen Akteur:innen, Ebenen und Interessen ineinandergriffen und sich wechselseitig beeinflussten, um aus neuen Theorien und Ideologien der Tierzucht und Viehwirtschaft eine gelebte Praxis zu machen. Hier setzt Knapp mit seiner Untersuchung der International Livestock Exhibition an: Die seit 1900 jährlich in Chicago stattfindende Ausstellung war, wie er überzeugend darlegen kann, „more than an event, it was also an institution.“ (S. 45) Im Rahmen dieser Institution wurden neue Normen und Praktiken geschaffen, standardisiert und eingeübt. Über das Netzwerk, das sich rund um die Ausstellung entfaltete, zirkulierten diese bis weit in die Peripherie.
Die International brachte nicht nur Produzent:innen, Konsument:innen, Expert:innen und Schaulustige aus dem ganzen Land zusammen, sondern diente auch der Bündelung ganz unterschiedlicher, teilweise im Konflikt stehender Interessen. In der Analyse dieser Dynamik liegt ein weiteres Verdienst des Beitrags: Er zeigt, wie die Chicagoer meat packers und Professoren an land-grant universities, technisch und agrarwirtschaftlich orientierten Hochschulen im ganzen Land bei der Gründung und Gestaltung der Ausstellung eng miteinander kooperierten, dabei aber jeweils eigene Ziele verfolgten. Während die Chicagoer Fleischindustrie vor allem an der Sicherung des Nachschubs von Schlachtvieh interessiert war, ging es den Professoren um eine breitere Reformbewegung, die den Lebensstandard in ländlichen Regionen und auf Farmen anheben, so der Landflucht vorbeugen und letztlich die Basis für die Ernährung des ganzen Landes sichern sollte. Die International Livestock Exhibition sollte den Rahmen bieten, um beide Ziele vorantreiben. Den eigentlichen Überschneidungspunkt, an dem die unterschiedlichen Interessen zusammenkamen, stellte dabei der Tierkörper dar. Er sollte durch gezielte Zuchtpraktiken spezialisiert, standardisiert und so dem industriellen Regime angepasst werden, um – je nach Perspektive – die Erträge der Farmer oder der meat packers zu maximieren. Die International diente also in erster Linie der Herstellung marktkonformer Tierkörper.
Diese Interessengruppen und Motivlagen fächert Knapp im ersten von fünf Kapiteln auf, das eher einleitenden Charakter hat. Neben Hintergrundwissen zur Fleischindustrie um die Jahrhundertwende und zur Geschichte der Ausstellung führt er dort auch einen Begriff ein, der für die Körperpolitik des Livestock Improvement Movement zentral war: Die sogenannten scrubs, „minderwertige“ Rinder mit unklarer Ahnengeschichte, wurden im Umfeld der International als Symbol einer rückständigen, nicht rationalen Viehwirtschaft angeprangert.
Die Verknüpfung von Tierzucht, Eugenik und Rassismus, die hier bereits anklingt, steht im zweiten Kapitel im Zentrum. Die Gründer der International hatten sich zum Ziel gesetzt, neue Standards für die Tierzucht aufzustellen und entsprechende Praktiken landesweit zu verbreiten. Dabei zeigten sie eine klare Präferenz für „reinrassige“ Tiere aus Großbritannien. Diesen als Krönung ihrer Spezies angepriesenen Exemplaren standen am anderen Ende des Spektrums die teilweise in diffamierender Absicht als „Mexican cattle“ bezeichneten Rinder gegenüber, die die range, die offenen Weideflächen im Westen des Landes, bevölkerten. Knapp zeigt anhand verschiedener Beispiele auf, wie sowohl Tiere als auch Menschen einer rassistischen Hierarchie unterworfen wurden. Insbesondere im Grenzgebiet zu Mexiko wurden Migrant:innen und sogenannte scrubs in ähnlicher Weise zur Zielscheibe rassistischer und eugenischer Rhetorik, aber auch ganz konkreter, gewaltvoller Quarantäne- und Desinfektionspraktiken. Das Livestock Improvement Movement warb für „positive“ ebenso wie für „negative“ eugenische Maßnahmen: Erstere zielten auf eine „Verbesserung“ des Erbguts ab, etwa durch den Einsatz „reinrassiger“ Stiere. Letztere hingegen widmeten sich vor allem der Elimination der scrubs. Symbolisch inszeniert und als Publikumsspektakel aufgeführt wurde dieser Ansatz in den scrub trials, in denen „minderwertige“ Stiere in einer nachgestellten Gerichtsverhandlung be- und verurteilt wurden.
In Kapitel drei rückt die Ausstellung selbst in den Blick. Knapp fragt nach den konkreten Praktiken, mit denen dort die Transformation von Tierkörpern in marktkonforme Fleischmaschinen vorangetrieben wurde. Zwei Ziele standen dabei im Vordergrund: die Spezialisierung auf die Fleischproduktion und, unmittelbar damit verbunden, die Standardisierung von Körpermaßen und -formen. Das Bildmaterial im Buch illustriert eindrücklich, welche Effekte dieses Programm hatte: Zum Beispiel wurden bereits in den ersten Jahren der International Rinder ausgezeichnet, die deutlich jünger, kleiner und kompakter waren als bis dahin üblich. Um den genauen Zusammenhang zwischen Körperform und Fleischertrag zu ermitteln, wurden Forschungsprogramme initiiert; die Ergebnisse flossen in die Bewertungskriterien für die Wettbewerbe ein. Die wichtigste Rolle hatten dort allerdings die Juroren, die die Tiere persönlich begutachteten, betasteten, verglichen und aufgrund ihrer Erfahrung entschieden, welches den Idealen der Ausstellung am ehesten entsprach.
Das vierte Kapitel bewegt sich vom zentralen Ereignis der jährlichen Hauptausstellung weg in die Peripherie, in der die land grant universities eine zentrale Rolle bei der Verbreitung der neuen Ideologie übernahmen. Professoren dieser Universitäten legten das intellektuelle Fundament dafür und waren als Juroren ganz konkret an der Aufführung und Ausgestaltung der entsprechenden Praktiken beteiligt. In dieses Amt wurden auch die Studierenden – darunter eine wachsende Anzahl von Frauen – frühzeitig eingeführt: Die Universitäten organisierten nicht nur eigene Wettbewerbe nach dem Vorbild der International, sondern schickten auch Teams von Nachwuchsjuroren nach Chicago. Einige Hochschulen organisierten darüber hinaus Kurse für Farmer aus der näheren Umgebung, in denen es nicht nur um neue Zuchtmethoden ging, sondern um eine umfassende Umgestaltung der Farmen – von der Architektur und Infrastruktur bis hin zur Fütterungsroutine. Knapp betont, dass die reformorientierten Professoren dabei von Anfang an ein bestimmtes Modell vor Augen hatten: Sie imaginierten die moderne Farm nicht als „pastoral, subsistence-based homestead – instead, reformers hoped to make the farm a commercial firm.“ (S. 115)
Im fünften und letzten Kapitel untersucht Knapp, inwiefern die Ziele der International verwirklicht wurden. Sein Fazit ist gemischt: Hinsichtlich der Spezialisierung setzte sich die Ideologie der Ausstellung durchaus breitenwirksam durch. Die Zahl der auf Fleischproduktion spezialisierten, „reinrassigen“ Tiere stieg deutlich an; die Farmen konzentrierten sich immer stärker auf einen kleinen Teil der Produktionskette. Dadurch wuchs allerdings auch ihre ökonomische Abhängigkeit – etwa von Futterlieferanten –, während die zunehmende genetische Homogenität der Herden negative Folgen für die Gesundheit der Tiere hatte. Das Ziel der Standardisierung hingegen konnte die Ausstellung nicht erfüllen; vielmehr untergrub sich ihr System in dieser Hinsicht selbst: Die Bewertungskriterien der Juroren blieben über die Jahre nicht konstant und belohnten zudem extreme Auswüchse von sehr spezifischen Körperidealen. In den 1940er- und 1950er-Jahren wurden die preisgekrönten Rinder zum Beispiel immer kleiner – bis zu einem Ausmaß, bei dem Markt- und Ausstellungswert deutlich auseinander klafften. Solche extremen Tierkörper waren für den Farmalltag weder praktisch noch finanzierbar.
Knapp zeigt überzeugend, wie sich rund um die International ein Netzwerk aus menschlichen und tierischen Akteur:innen, Vereinen und Veranstaltungen aufspannte, das maßgeblich dazu beitrug, die Vorstellungen von moderner Viehhaltung und vor allem die ganz konkreten Tierkörper zu transformieren. Wie wichtig die Ausstellung im Vergleich zu anderen Institutionen oder Medien war, die sich der Verbreitung moderner Züchtungsmethoden verschrieben hatten, bleibt streckenweise etwas unklar. Dass sie einen wichtigen Teil des Puzzles darstellte, steht nach der Lektüre jedoch außer Frage. Wichtiger noch ist, dass die Studie zur Schließung einer Leerstelle in der bisherigen Forschung beiträgt, indem sie ganz konkrete Mechanismen aufdeckt, über die eine Ideologie zur alltagswirksamen Praxis wurde.
Anmerkung:
1 Vgl. zum Beispiel Joshua Specht, Red Meat Republic. A Hoof-To-Table History of How Beef Changed America, Princeton 2019; Dominic A. Pacyga, Slaughterhouse. Chicago’s Union Stock Yard and the World It Made, Chicago 2015; Wilson J. Warren, Tied to the Great Packing Machine. The Midwest and Meatpacking, Iowa City 2007.