P. Rau (Hrsg.): Plautus, Komödien

Rau, Peter (Hrsg.): Plautus, Komödien – Bd. 1: Amphitruo – Asinaria – Aulularia. Lateinisch und deutsch. Herausgegeben, übersetzt und kommentiert. Darmstadt 2007 : Wissenschaftliche Buchgesellschaft, ISBN 978-3-534-18125-4 XXXIV, 285 S. Gesamtpreis der sechs Bände: € 299,40

Rau, Peter (Hrsg.): Plautus, Komödien – Bd. 2: Bacchides – Captivi – Casina – Cistellaria. Lateinisch und deutsch. Herausgegeben, übersetzt und kommentiert. Darmstadt 2007 : Wissenschaftliche Buchgesellschaft, ISBN 978-3-534-18126-1 VI, 373 S

Rau, Peter (Hrsg.): Plautus, Komödien – Bd. 3: Curculio – Epidicus – Menaechmi – Mercator. Lateinisch und deutsch. Herausgegeben, übersetzt und kommentiert. Darmstadt 2008 : Wissenschaftliche Buchgesellschaft, ISBN 978-3-534-18127-8 VI, 360 S

Rau, Peter (Hrsg.): Plautus, Komödien – Bd. 4: Miles gloriosus – Mostellaria – Persa. Lateinisch und deutsch. Herausgegeben, übersetzt und kommentiert. Darmstadt 2008 : Wissenschaftliche Buchgesellschaft, ISBN 978-3-534-18128-5 VI, 337 S

Rau, Peter (Hrsg.): Plautus, Komödien – Bd. 5: Poenulus – Pseudolus – Rudens. Lateinisch und deutsch. Herausgegeben, übersetzt und kommentiert. Darmstadt 2008 : Wissenschaftliche Buchgesellschaft, ISBN 978-3-534-18134-6 V, 386 S

Rau, Peter (Hrsg.): Plautus, Komödien – Bd. 6: Stichus – Trinummus – Truculentus – Vidularia. Lateinisch und deutsch. Herausgegeben, übersetzt und kommentiert. Darmstadt 2009 : Wissenschaftliche Buchgesellschaft, ISBN 978-3-534-18135-3 VI, 298 S

Rezensiert für H-Soz-Kult von
Peter Habermehl, Die griechischen christlichen Schriftsteller, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften

Was für englische, französische oder italienische Latinisten und Literaturliebhaber seit Generationen zur philologischen Grundausstattung gehört, steht nun endlich auch für den deutschsprachigen Raum zur Verfügung: eine zweisprachige Gesamtausgabe des größten aller römischen Dramatiker. Verantwortlich für sie zeichnet Peter Rau, zuletzt Direktor der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg, der dank eines Standardwerkes zu Aristophanes in Philologenkreisen kein Unbekannter ist.1 Mit Plautus brachten ihn bislang allenfalls ein Aufsatz zur Textkritik und eine Reclamausgabe in Verbindung. Mit entsprechender Neugierde nimmt man die sechs neuen Bände zur Hand.

Als Ouvertüre des gesamten Unternehmens dient die knappe, informativ gehaltene Einleitung zum Theater des Plautus im ersten Band. Nach der griechischen Komödie (vor allem der ‚Nea‘) und ihrem Einfluss auf die römische Bühne geht es um die Theaterpraxis im republikanischen Rom und um die Pionierrolle des Plautus, der als Vater der römischen Komödie zugleich deren Gipfel erklimmt. Die mageren biographischen Nachrichten zu Plautus verraten wenig mehr als den Umstand, dass dieses Sprachgenie offenbar erst als junger Mann Latein lernte und seine theatralische Ader womöglich (wie Molière) dem Umstand verdankte, dass er in frühen Jahren als Schauspieler auf den Brettern stand.

Wir tun uns nicht eben leicht, die Eigenheit seines Theaters zu umreißen, das ‚Plautinische im Plautus‘. Für etliche seiner Stücke wissen wir von griechischen Vorbildern, deren hellenistisches Milieu er wahrt und zugleich mit genuin römischen Elementen tränkt: mit lateinischen Wortspielen und Witzen, mit seinen Gesangspartien und mit einem untrüglichen Gespür für zeitgemäße Themen, die in der Luft lagen.2 Willkommene Beigaben sind die Seiten zur Sprache und Metrik des Plautus sowie der Blick auf die Überlieferungsgeschichte des Textes und Plautus’ Rezeption seit der Renaissance, die in Kleists Amphitryon einen späten Höhepunkt erlebt.3

Wie es sich für eine zweisprachige Ausgabe gehört, bietet Rau auch einen lateinischen Lesetext im Kielwasser der großen kritischen Editionen; hinzugezogen wurden ferner relevante neuere Einzelausgaben. Als zentrale Referenz führt er Leo an4; de facto folgt Rau aber eher dem konservativen Text Lindsays und Ernouts.5 Auch er markiert Korruptelen und delegiert Konjekturen – darunter nicht wenige eigene, und einige bedenkenswerte – in den (leider am Ende des Bandes versteckten) Apparat.6 Jede Komödie erhält eine kleine Einführung mit Stichworten zum Stoff und zum Verständnis des Stücks, ferner knappe sachdienliche Anmerkungen, die allerdings manche Eule nach Athen tragen (so etwa: „Mercurius: Hermes, Götterbote, besonders Bote seines Vaters Juppiter.“). Hinweise zur Textkritik sucht man vergebens. Doch im Kontext einer solchen Ausgabe ist dergleichen auch nicht unbedingt zu erwarten – zumal es inzwischen zu fast jedem Plautus-Stück solide neuere Kommentare gibt.

Die entscheidende Frage aber gilt der Qualität der Übersetzung. Sie soll den Weg zum Original ebnen und Plautus dabei „zugleich authentisch und auch vergnüglich vermitteln“ (Bd. 1, S. XXVIII). Die Latte liegt hoch, denn Rau sucht das „konstitutive Element“ Metrik „möglichst zwanglos“ (Bd. 1, S. XXIX) in seine Übertragung zu integrieren – und zwar flächendeckend, einschließlich der apokryphen Versmaße der Cantica. Inwieweit dies gelingt, mag ein Vergleich zweier kurzer Passagen aus dem Truculentus (Bd. 6) mit der oft gedruckten Übersetzung von Wilhelm Binder und Walter Hofmanns neuer Übertragung des Truculentus verraten.7

Zunächst der Anfang des Prologs (Truc. 1–4): Perparvam partem postulat Plautus loci / de vestris magnis atque amoenis moenibus, / Athenas quo sine architectis conferat. / quid nunc? daturin estis an non? adnuont. – Binder übersetzt: „Nur um ein kleines Plätzchen spricht euch Plautus an / Von eurer großen, schönen Stadt, / wo Athen er ohne Architekten bauen kann. – / Wie nun? Wollt ihr’s ihm zugestehen oder nicht? / Sie nicken: ‚Ja!'“ – Hofmann: „Ein kleines Stückchen fordert Plautus nur / von eurer großen, wunderschönen Stadt für sich, / damit er hier Athen erbaut und ohne daß er / Architekten braucht. / Was ist denn? Gebt ihr’s oder gebt ihr’s nicht? / Man nickt.“ – Rau: „Ein winzig kleines Fleckchen nur wünscht Plautus sich / von eurer großen, anmutsvollen Stadt, um dort / Athen euch ohne Architekten zu erbauen. / Nun? Wollt ihr’s geben oder nicht? – Sie nicken zu.“

Binders Auftakt – „um ein kleines Plätzchen spricht euch […] an“ – gerät leicht unscharf (am zarten Anklang von ‚Gebäck‘ in „Plätzchen“ wird nicht jeder Anstoß nehmen); danach bleibt er dem Original recht nahe. Hofmann schwächt eingangs den Diminutiv ab, arbeitet anderen Orts mit Füllseln („für sich“; „ohne daß er […] braucht“) und klingt insgesamt etwas holprig. Am dichtesten folgt Rau der Vorlage; nicht zuletzt dank des metrischen Duktus fließen seine Verse mit federnder Geschmeidigkeit. Ihm gebührt der Kranz.8

Der zweite Passus beschreibt im lebhaften Vergleich das Handwerk der Kurtisane (Truc. 35–39): Quasi in piscinam rete qui iaculum parat, / quando abiit rete pessum, adducit lineam; / si inierit rete piscis, ne effugiat cavet, / dum huc dum illuc rete ‹circumv›or‹tit›, impedit / piscis usque adeo donicum eduxit foras. – Binder übersetzt: „Es geht hier wie beim Fischfang, wenn das Netz man wirft: / Sinkt es hinab, so zieht man schnell die Schlinge zu / Und gibt wohl acht, daß einem ja kein Fisch entschlüpft; / Dann dreht das Netz man hin und her und hält die Fische fest, / Bis an das Land man endlich sie befördert hat.“ – Hofmann: „Wie einer, der das Netz am Teich zum Fang / erst wirft und wenn es in die Tiefe sank, / die Leine straff zusammenzieht, / damit der Fisch, wenn er ins Netz ging, nicht entflieht. / Wenn er das Netz zu drehn nach hin und dort sich müht, / hält er die Fische drin, bis er aufs Land sie zieht.“ – Rau: „So wie sein Wurfnetz einer in den Fischteich legt / Und, ist das Netz am Grunde, straff die Leine zieht / Und, ging ein Fisch ins Netz, ihn nicht entkommen lässt, / Indem er hin und her das Netz zieht und so hält / Die Fische, bis er sie herausgezogen hat.“

Binder beginnt sehr frei (im Grunde zu frei) und bringt mit der „Schlinge“ ein falsches Bild ins Spiel; zudem wird Vers 37 stark verkürzt. Hofmann versucht sich in Reimen (nicht immer mit glücklicher Hand) und folgt ansonsten (abgesehen von zwei, drei kleinen Brüchen und Einfügungen wie etwa „sich müht“) recht nahe der nicht ganz einfachen Konstruktion. Rau zieht sein Netz am engsten und lässt von diesem dichten Wortschwarm kaum einen Fisch entkommen. Wer zudem die Probe macht und laut liest, merkt bald, dass er am eingängigsten formuliert – klar, elegant und durchaus bühnentauglich.

Das Resümee fällt leicht: Der neue Plautus macht nicht nur optisch einen vorzüglichen Eindruck, mit (vom Schutzumschlag über das Lesebändchen und das feste chamoisfarbene Papier bis hin zum augenfreundlichen Satzspiegel) liebevoll produzierten Bänden. Er hält auch inhaltlich, was das Äußere verspricht. Dank seiner philologischen Qualitäten, vor allem aber dank der rundum gelungenen und nicht selten glücklichen metrischen Übertragung dürfte er in unseren Breiten auf lange Zeit das Feld behaupten. Eine wohlfeile Studienausgabe im Paperback wäre vermutlich ein Verkaufsschlager.

Anmerkungen:
1 Peter Rau, Paratragodia. Untersuchung einer komischen Form des Aristophanes, München 1967.
2 Einen kostbaren Blick in Plautus’ poetische Werkstatt erlauben uns die rund hundert Verse aus Menanders Dis exapaton, die in verwandelter Gestalt in Plautus’ Bacchides wiederkehren. Ausführlicher wäre auf jene modernen Stimmen einzugehen, die Plautus’ Rückgriff auf hellenistische Vorbilder teilweise lebhaft leugnen.
3 Als moderne Beispiele ließen sich neben Eckart Peterich, Alkmene (1959) vor allem drei DDR-Komödien nennen: Peter Hacks, Amphitryon (1967), Joachim Knauth, Der Maulheld (1973) und Armin Stolper, Amphitryon (1974).
4 Plauti Comoediae, hrsg. v. Friedrich Leo, 2 Bde., Berlin 1895–1896.
5 T. Macci Plauti Comoediae, hrsg. v. Wallace Martin Lindsay, 2 Bde., Oxford 1904–1905; Plaute, hrsg. u. übers. v. Alfred Ernout, 7 Bde., Paris 1932–1962.
6 Im Gegensatz zu den meisten modernen Editoren meidet Rau aber wie Leo archaisierende Formen (z.B. vostris statt vestris, quom statt cum).
7 Walther Ludwig (Hrsg.), Plautus. Terenz, Antike Komödien, 2 Bde., München 1966 (Plautus in der vom Herausgeber bearbeiteten Übersetzung Wilhelm Binders); Plautus, Truculentus, hrsg., übers. u. komm. v. Walter Hofmann, Darmstadt 2001.
8 Begreiflicherweise versucht sich keiner der Übersetzer an Plautus’ stilistischem Paukenschlag in Vers 1–2: der fünffachen Alliteration auf p- und der Paronomasie amoenis moenibus.

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