A. Tansman (Hrsg.): The Culture of Japanese Fascism

Titel
The Culture of Japanese Fascism.


Herausgeber
Tansman, Alan
Reihe
Asia-Pacific: Culture, Politics, and Society
Erschienen
Anzahl Seiten
477 S.
Preis
€ 78,01
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Daniel Hedinger, Institut für Geschichtswissenschaften/SFB 640, Humboldt-Universität zu Berlin

Um die Jahrtausendwende sah Roger Griffin die Zeit für einen neuen Konsens innerhalb der Faschismusforschung gekommen; einen Konsens, den er durchaus begrüßte.1 Zugleich sah er einen neuen Konsens und mit ihm ein goldenes Zeitalter der Faschismusforschung vor dem Hintergrund eines „Primats des Kulturellen“ heraufziehen. Nun ist es nicht besonders neu, auf die Bedeutung von Kultur für das Verständnis des Phänomens Faschismus hinzuweisen oder nach einer ihm inhärenten Ästhetik zu fragen. Vor dem Hintergrund der kulturellen Wende in den Geisteswissenschaften hat die Diskussion um Kulturen des Faschismus jedoch in letzter Zeit zusätzlich an Bedeutung gewonnen.

So ist es erstens die Fokussierung auf kulturelle Aspekte, die den von Alan Tansman herausgegebenen Sammelband zu einem ebenso aktuellen wie lesenswerten Forschungsbeitrag macht. Ein zweiter Grund, weshalb „The Culture of Japanese Fascism“ ein wichtiger Beitrag für die Faschismusforschung darstellt, ist seine Ausrichtung auf Japan: Denn globalgeschichtlich betrachtet ist das ostasiatische Land das zentrale Fallbeispiel, um Faschismus aus außereuropäischer Perspektive zu diskutieren; auch wenn oder gerade weil die vergleichende Faschismusforschung oft dazu neigt, dem japanischen Fall unbeholfen bis hilflos gegenüberzutreten. Damit ist der Sammelband anschlussfähig an momentan florierende Ansätze, die darauf abzielen, bisher eurozentrisch behandelte Phänomene aus „nicht-westlichen“ Blickwinkeln zu überdenken. Zudem ist die Debatte, ob sich die politische, militärische und gesellschaftliche Radikalisierung des japanischen Kaiserreichs in der frühen Shôwa-Zeit (ab 1925) mit dem auf europäische Entwicklungen in der Zwischenkriegszeit zugeschnittenen Begriff des Faschismus fassen lässt, auch für die historische Japanforschung zentral.2 Vieles spricht dafür, dass sich Teile der Japanforschung zu voreilig vom Faschismuskonzept verabschiedet haben, während die vergleichende Faschismusforschung außereuropäischen Perspektiven insgesamt viel zu wenig Platz einräumt hat.

Wie Tansman gleicht zu Beginn klarstellt (S. 1), konstatiert der Sammelband eine faschistische Kultur in Japan als Antwort auf die Krise der Moderne in der Zwischenkriegszeit. Angesichts der Themenvielfalt der Aufsätze fallen die Antworten auf die Frage nach dem Faschismus jedoch keineswegs eindeutig aus. Doch muss die fehlende Einigkeit der Autoren nicht zwingend als Schwäche ausgelegt werden. Denn bereits die japanischen Zeitgenossen waren sich in ihren Bewertungen des Faschismus, dem man sich in Folge der Genese faschistischer Regime in Europa ebenso wie aufgrund der politischen Umbrüche im Land selbst bereits ab den frühen 1930er-Jahren zuwandte, keineswegs einig. Dass es lohnend sein kann, diese Widersprüchlichkeiten und Ambivalenzen auszuloten, zeigt der erste Teil „Theories of Japanese Fascism“. Kevin Doak plädiert anhand der Analyse politischer Theorien von Tosaka Jun und Imanaka Tsugimaro dafür, die Frage nach einer Kultur des Faschismus aus einem neuen Blickwinkel aufzugreifen und die Rolle des Staates in der Kulturpolitik zu überdenken. Richard Torrance arbeitet die oft ablehnenden Stellungnahmen von japanischen Literaten gegenüber faschistischem Gedankengut besonders in den frühen 1930er-Jahren heraus und relativiert damit die in der Forschung oft zitierte These Donald Keenes, es habe praktisch keinen Widerstand gegen die Militarisierung der japanischen Gesellschaft seitens der Schriftstellern gegeben.3 Harry Harootunian untersucht in seinem Beitrag die Krise der Moderne, die in Japan – wie anderswo auch – geprägt war von Ungleichzeitigkeiten, Ambivalenzen und der Forderung nach radikalen Reformen.

Der zweite Teil, „Fascism and Daily Life“, erhebt den Anspruch, sich über die intellektuellen Diskurse hinaus den alltäglichen Kulturen des Faschismus zuzuwenden. Schade nur, dass dies insgesamt zu wenig geschieht: So thematisiert Kim Brandt zwar die Pläne von Volkskunstverbänden und Bürokraten, das Alltagsleben von Fabrikarbeiterinnen zu reformieren, und rückt diese Bemühungen in die Nähe faschistischer Freizeitgestaltung, wie sie in Europa durch Kraft durch Freude oder Opera Nazionale Dopolavoro geprägt wurden. Nur wurden in Japan diese Reformpläne nie realisiert, so dass sich nichts über den Wandel der Alltagskultur in der Zwischenkriegszeit auszusagen lässt. Ähnliches gilt für Noriko Asos Untersuchung, inwiefern sich Spuren faschistischer Ästhetik in den Schriften Yanagi Sôetsus, des Begründers der Volkskunstbewegung, finden lassen. Dagegen demonstriert Aaron Skabelund überzeugend das Potenzial der Analyse von faschistischen Alltagskulturen. Er beschreibt die Repräsentationen einheimischer, „rassisch reiner“ Hunde, denen im Japan der 1930er-Jahre die Verkörperung der Essenz nationaler Eigenschaften zugeschrieben wurde. Die Stärke seines Beitrags liegt darin, dass er neben wissenschaftlichen Diskursen alltägliche Praktiken mit einbezieht und gleichzeitig den Blick für transnationale Zusammenhänge öffnet.

Während im zweiten Teil die Frage nach der Existenz faschistischer Kultur in Japan der Zwischenkriegszeit tendenziell bejaht wird, neigen die Autoren des dritten trotz seines Titels „Exhibiting Fascism“ zur gegenteiligen Meinung. Gegen diese Ausrichtung der Beiträge gibt es grundsätzlich nichts einzuwenden. Dennoch lässt dieser Teil den Leser ziemlich ratlos zurück, was daran liegt, dass einige der Fallbeispiele, um für die weitgehende Abwesenheit von faschistischer Ästhetik, Unterhaltung oder Kultur in Japan zu plädieren, doch sehr gesucht sind. So zieht Angus Lockyer aus seiner Untersuchung der Pläne für eine Weltausstellung in Tokio 1940 den Schluss: „Spectacle is […] one point at which to connect fascist culture to fascist politics. It is hard to find such a spectacle in Japan, however“ (S. 278). Angesichts der Fülle von Massenveranstaltungen, die seit den 1930er-Jahren abgehalten wurden, bleiben Lockyers Urteil sowie seine Fokussierung auf eine Weltausstellung, die gar nicht stattfand, schlicht unverständlich. Eigenartig ist auch das von Jonathan Reynolds gewählte Fallbeispiel, das Parlamentsgebäude in Tokio. Denn die von ihm konstatierte Abwesenheit einer spezifischen faschistischen Architektursprache des 1936 fertiggestellten Gebäudes ließe sich weniger umständlich damit erklären, dass die Pläne aus der Zeit unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg stammten und die Grundsteinlegung bereits 1920 stattfand. In ähnlicher Weise werfen die an sich lesenswerten Beiträge von Ellen Schattenschneider über „Braut-Puppen“ (hanayome ningyô), die im Gedenken an unverheiratet gestorbene Soldaten gestiftet wurden, sowie von Akiko Takenaka über Erinnerungsdenkmäler (chûreitô) die Frage auf, ob nicht massenwirksamere Erinnerungskulte aussagekräftiger gewesen wären. Im Zusammenhang mit der übergreifenden Fragestellung nach der Existenz eines japanischen Faschismus erstaunt es, dass die zentrale Rolle des Yasukuni-Schreins während den Kriegsjahren nirgends Berücksichtigung findet. Aufschlussreich im Bezug auf die Kultur der 1930er- und 1940er-Jahre sind am ehesten die Beiträge von Michael Baskett und Aaron Gerow, die beide Film und Faschismus thematisieren.

Ein wenig überraschend ist, dass der vierte und letzte Teil „Literary Fascism“ die Frage nach einer japanischen Kultur des Faschismus am klarsten bejaht. Dabei sucht Nina Cornyetz nach faschistischer Ästhetik im Werk von Kawabata Yasunari, Jim Reichert thematisiert einen Kriminalroman von Edogawa Ranpo und Keith Vincent widmet sich einem Werk von Hamao Shirô. Trotz der jeweils differenzierten Argumentation bleibt die Frage offen, inwiefern anhand individueller Produkte auf eine populäre Kultur des Faschismus geschlossen werden kann und darf. Wie eine solche Antwort aussehen kann, zeigt James Dorsey, der beschreibt, wie aus während des Angriffs auf Pearl Harbor gefallenen U-Boot-Besatzungsmitgliedern massenwirksam inszenierte „Kriegsgötter“ wurden.

Ein Band zur Kultur des japanischen Faschismus sollte idealerweise nicht nur ein Beitrag zur japanischen Geschichte sein, sondern zugleich die vergleichende Faschismusforschung aus außereuropäischer Perspektive bereichern. Trotz der Qualität der einzelnen Beiträge vermag der vorliegende Band dies nur bedingt zu leisten. Einerseits sind dafür die Ansätze zu heterogen. Hier wären ein einheitlicherer Zugang beziehungsweise eine klarere Definition des Faschismusbegriffs sicherlich hilfreich gewesen. Andererseits wird Faschismus in dem Sammelband häufig als politische Ideologie verstanden und in individuellen kulturellen Produkten gesucht. Das hat zur Folge, dass einige Themen vernachlässigt werden. So findet der Wandel der Kultur des Politischen in der Zwischenkriegszeit kaum Beachtung. Kulturen der Gewalt und des Krieges, die seit Walter Benjamin als kennzeichnend für faschistische Bewegungen und Regimes gelten, bleiben gänzlich unberücksichtigt. Dazu kommt, dass der Band kaum transnationale Bezüge eröffnet. Über kulturellen Transfer zwischen den Achsenmächten erfährt der Leser nur in wenigen Fällen etwas und über faschistische Kultur im japanischen Imperium, sei es in Korea oder der Mandschurei, gar nichts. Doch trotz dieser Einwände ist der Band dank seiner Konzeption sowie der Vielfalt der Beiträge insgesamt ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einer weniger eurozentrisch ausgerichteten Faschismusforschung.

Anmerkungen:
1 Roger Griffin, The Primacy of Culture. The Current Growth (or Manufacture) of Consensus within Fascist Studies, in: Journal of Contemporary History 37.1 (2002), S. 21-43.
2 Vgl. Peter Duus / Daniel I. Okimoto, Fascism and the History of Pre-War Japan. The Failure of a Concept, in: Journal of Asian Studies 39.1 (1979), S. 65-76; kritisch dazu Andrew Gordon, Labor and Imperial Democracy in Prewar Japan, Berkeley 1991, insbesondere S. 334-336.
3 Donald Keene, Japanese Writers and the Greater East Asian War, in: Journal of Asian Studies 23 (1964), S. 209-225.

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