K. Haegemans: Imperial Authority and Dissent

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Titel
Imperial Authority and Dissent. The Roman Empire in AD 235-238


Autor(en)
Haegemans, Karen
Reihe
Studia Hellenistica 47
Erschienen
Anzahl Seiten
LXIV, 278 S.
Preis
€ 70,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Christian Körner, Historisches Institut, Universität Bern

„Die Übernahme der Regierung durch Maximinus brachte eine starke Änderung mit sich, da er seine Macht aufs härteste und mit Angst und Schrecken ausübte; und er ging darauf aus, alles von der sanften und durchaus milden Regierung [des Severus Alexander] zu tyrannischer Grausamkeit umzuändern; er wusste, dass man ihm ungünstig gesonnen war, weil er als erster sein Glück aus der äußersten Niedrigkeit zu solcher Höhe emporhob“ – so beschreibt Herodian die Machtübernahme des Kaisers Maximinus Thrax (235–238).1 Nachdem in den letzten Jahren eine Reihe von Darstellungen zu einzelnen Kaisern des 3. Jahrhunderts wie Philippus Arabs, Aurelian und Probus erschienen ist 2, widmet Haegemans nun dem ersten so genannten Soldatenkaiser Maximinus Thrax eine umfassende Untersuchung, wobei sie das bewegte Jahr 238 mit der Erhebung der ersten beiden Gordiane und der kurzen Herrschaft der Senatskaiser Pupienus und Balbinus mit einbezieht. Haegemans’ Grundthese ist, „that the conflict situation of AD 235–238 was a manifestation of a continuous evolution that had been taking place since the end of the second century“ (S. 4). Entsprechend sieht sie in der Herrschaft von Maximinus Thrax auch keine Zäsur.

In der Einleitung (S. 1–27) wird kurz die Forschungsgeschichte vorgestellt, wobei Haegemans ihren eigenen methodischen Ansatz als „balanced and comprehensive approach which allows the facts to speak for themselves as far as possible“ versteht, der „avoids to impose modern perspectives“ (S. 13). Bezüglich der Quellen gibt sie Herodian den Vorzug; entsprechend hätte für die Arbeit unbedingt die Dissertation von Thomas Hidber über den Geschichtsschreiber herangezogen werden müssen.3 Das erste Kapitel (S. 29–46) ist der Gesellschaft gewidmet. Offen bleibt allerdings, aufgrund von welchen Quellen eine „increased competition between the equestrian and the senatorial order“ (S. 29) festzustellen ist. Haegemans räumt denn selbst ein, dass der Gegensatz zwischen den beiden Ständen nicht überbetont werden dürfe. Im zweiten Kapitel (S. 47–78) werden Herkunft und Aufstieg des Maximinus sowie die Germanenkriege analysiert. Möglicherweise sei er Peregriner gewesen, habe das Bürgerrecht aber noch vor 212 erhalten, da sein nomen gentile Iulius, nicht Aurelius war. Seine rasche Karriere wie die Heirat mit einer Frau aus der Oberschicht schließen die in der Historia Augusta überlieferte Anekdote, Maximinus sei Schafhirte gewesen, aus. Haegemans beurteilt dann die Erfolge des Kaisers Maximinus an der Rheingrenze durchaus positiv: Sie hätten der Region eine längere Phase der Stabilität verschafft. Die intensive Straßenbautätigkeit des Kaisers zeige sein Bemühen um eine dauerhafte Sicherung der Grenze.

Ein zentrales Thema ist das Verhältnis zwischen Maximinus und dem Senat (S. 79–111). Haegemans analysiert sorgfältig das in den Quellen gezeichnete negative Bild. Dabei wird deutlich, dass die Machtübernahme im Senat durchaus rasche Anerkennung fand. Dass Maximinus Rom nie betrat, sieht Haegemans nicht als bewussten symbolischen Akt, sondern sei durch politisch dringliche Aufgaben wie die Grenzsicherung gegen die Germanen bedingt gewesen; zudem habe der Kaiser die politische Wirkung seines Fernbleibens unterschätzt. Maximinus’ Versuche, durch die Erhebung seines Sohns Maximus zum Caesar und durch die Konsekration seiner verstorbenen Gattin Caecilia Paulina eine Dynastie zu etablieren, stellten einen Versuch dar, die eigene Stellung besser zu legitimieren. Namen von hingerichteten Senatoren sind nicht überliefert. Vielmehr verließ sich Maximinus für die wichtigsten Positionen im Reich auf verdiente Senatoren, die bereits unter den Severern Karriere gemacht hatten. Ein Trend, diese durch Ritter zu ersetzen, ist nicht feststellbar, wie die prosopographischen Untersuchungen zeigen.

Maximinus’ Finanzpolitik ist aus den Quellen nur schwer zu rekonstruieren (S. 113–130). Der Finanzbedarf für Truppen, Kriege und Infrastruktur war unter Maximinus sicherlich enorm. Der Kaiser verzichtete offenbar auf die Maßnahme der Geldentwertung, um seinen Bedarf zu decken, griff dafür aber auf Steuererhebungen, Konfiskationen und Tempelraub zurück, was seiner Popularität zweifellos abträglich war. Unruhen gegen die Steuermaßnahmen führten am Beginn des Jahres 238 zum Aufstand in Nordafrika, in dessen Folge der Statthalter der Provinz Africa proconsularis Gordian I. zum Kaiser ausgerufen wurde.4

Die Kapitel 5 und 6 sind den Ereignissen des bewegten Jahres 238 gewidmet (S. 131–211). Den Keim bildete die Rebellion der iuvenes, wohl ein collegium aus der Schicht der reicheren Landbesitzer, gegen einen unbekannten Procurator in Thysdrus. Haegemans richtet sich gegen die Deutung der Unruhen als Ausdruck eines afrikanischen Separatismus. Auch die Annahme eines an den Idealen des antoninischen Prinzipats orientierten senatorischen Widerstands kann nicht für alle Aufständischen zutreffen. Zweifellos darf man sich den Widerstand nicht als homogenen Block vorstellen. Von besonderem Interesse ist das Verhalten des Senats und die Frage nach den Gründen für die rasche Anerkennung Gordians I. Ausführlich wird Townsends Verschwörungstheorie diskutiert, der zufolge einflussreiche Senatoren den Aufstand vorbereitet und inszeniert hätten.5 Dagegen spricht nach Haegemans das Schweigen der in der Regel an Konspirationen interessierten antiken Quellen.

Die Aufgabe der auch epigraphisch belegten XXviri ex Senatus Consulto Rei Publicae Curandae deutet Haegemans mit der Mehrheit der Forschung als Verteidigung des Staats gegen den heranrückenden Maximinus. Bezüglich der Zusammensetzung der Kommission teilt sie Dietz’ Urteil, es habe sich um einen „gewählten Querschnitt durch die soziale Struktur des Senats“ gehandelt.6 Die starke Betonung der Kollegialität in der Münzprägung der beiden nun gewählten Kaiser Pupienus und Balbinus stellt eine Abweichung von der bisherigen Münzprägung dar; Haegemans hält zwar den Begriff „political programme“ für übertrieben, meint aber dennoch, „some reverse types actually reflect their concerns“, vor allem die gemeinsame Herrschaft (S. 176). Maximinus und sein Sohn fanden den Tod vor Aquileia von den Händen der eigenen Truppen. Haegemans kritisiert die militärischen Entscheidungen des Kaisers im Zuge der Erhebung: Er habe die Gegner unterschätzt, zu spät reagiert und sich zu wenig auf die Versorgung seiner Truppen vorbereitet. Hier stellt sich jedoch die Frage, ob die schmale und einseitige Quellenlage überhaupt zuverlässige Aussagen über die Kriegsführung des Maximinus zulässt.

Das siebente Kapitel befasst sich mit der Politik der Senatskaiser des Jahres 238 (S. 213–234). Der Sturz des Pupienus und Balbinus ist nach Haegemans damit zu erklären, dass nach dem Tod des Maximinus der gemeinsame Feind fehlte, der die verschiedenen Gruppierungen in Rom zusammengehalten habe. Entgegen der Überlieferung bei Iordanes war der Kinderkaiser Gordian III. kaum der Drahtzieher hinter dem Tod der Augusti. Herodian weist im Gegenteil darauf hin, dass er mangels alternativer Kandidaten Augustus wurde.7

Haegemans’ Antwort auf die Frage, inwieweit die Jahre 235 bis 238 einen Wendepunkt darstellten, ist eindeutig: „continuity rather than a rift should be looked for in the years 235 to 238“ (S. 235); eine These, die im Übrigen jüngst auch von Börm vorgetragen wurde.8 Die Bedrohungslage an Rhein und Donau sei vergleichbar mit der vorangegangenen Zeit und bis zur Mitte des 3. Jahrhunderts konstant geblieben. Auch die Geldentwertung vollzog sich bis zum Ende der Regierung des Philippus Arabs noch nicht übermäßig schnell. Die Bedeutung der Truppen, die sich allein schon daran ablesen lässt, dass von den sechs Kaisern des Jahres 238 alle den Tod durch die Truppen fanden, war ein dem Prinzipat immanentes Moment, das durch die Kriege Marc Aurels und die Reformen von Septimius Severus verstärkt wurde. Die schwindende Bedeutung des Senats bereitete sich ebenfalls schon länger vor und erreichte ihren Höhepunkt erst unter Gallienus; die Favorisierung von Rittern stellt unter Maximinus noch die Ausnahme dar – „Maximinus’ personal staffing policy can hardly have been a reason for the senate’s rebellion“ (S. 243). Der Senat erhob sich keineswegs geschlossen gegen Maximinus, so dass die Konflikte von 238 auch nicht als Kampf bestimmter Stände oder Klassen gegeneinander zu deuten sind; vielmehr standen verschiedene Faktionen einander gegenüber. Maximinus’ Herrschaft stellt nicht den Beginn der Krise dar, „it was only a stage in a steady evolution“ (S. 250). Das eigentlich Neue an Maximinus stellt für Haegemans nicht die soziale Mobilität zwischen den Ständen dar, sondern „the fact that the emperor himself was an illustration of this process“ (S. 249).

Das Werk besticht durch die sorgfältige Darlegung der Quellen wie die nüchterne und vorsichtige Rekonstruktion der Ereignisse. Haegemans kann für die These, die Jahre 235 bis 238 stellten keine Zäsur dar, überzeugende Argumente vorbringen. Künftige Forschungen zur nachseverischen Zeit werden an dieser detaillierten Untersuchung kaum vorbei kommen.

Anmerkungen:
1 Hdn. 7,1,1 (übersetzt von Friedhelm L. Müller).
2 Alaric Watson, Aurelian and the Third Century, London 1999; Christian Körner, Philippus Arabs. Ein Soldatenkaiser in der Tradition des antoninisch-severischen Prinzipats, Berlin 2002; Gerald Kreucher, Der Kaiser Marcus Aurelius Probus und seine Zeit, Stuttgart 2003. Jüngst zu Maximinus Thrax auch Ulrich Huttner, Von Maximinus Thrax bis Aemilianus, in: Johne, Klaus-Peter (Hrsg.), Die Zeit der Soldatenkaiser, Berlin 2008, S. 161–221.
3 Thomas Hidber, Herodians Darstellung der Kaisergeschichte nach Marc Aurel, Basel 2006.
4 Für die im Text mehrfach angesprochene anfängliche recusatio Gordians I. wäre die detaillierte Analyse von Huttner heranzuziehen gewesen: Ulrich Huttner, Recusatio Imperii. Ein Ritual zwischen Ethik und Taktik, Hildesheim 2004, S. 195–200.
5 Prescott W. Townsend, The Revolution of A.D. 238. The Leaders and their Aims, in: Yale Classical Studies 14 (1955), S. 49–105.
6 Karlheinz Dietz, Senatus contra principem. Untersuchungen zur senatorischen Opposition gegen Kaiser Maximinus Thrax, München 1980, S. 330.
7 Iord. Rom. 282; Hdn. 8,8,7.
8 Henning Börm, Die Herrschaft des Kaisers Maximinus Thrax und das Sechskaiserjahr 238. Der Beginn der „Reichskrise“?, in: Gymnasium 115 (2008), S. 69–86.

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