: Eine Stadt im Krieg. Bremen 1914–1918. Bremen 2013 : Universität Bremen, ISBN 978-3-88722-738-8 432 S. € 19,90

Lüchinger, Peter (Hrsg.): Eine Stadt im Krieg. Bremen 1914–1918. Szenische Lesung. Auswahl und Zusammenstellung der Originaldokumente. Bremen 2014 : Universität Bremen, ISBN 978-3-88722-742-5 64 S. € 6,90

Rezensiert für H-Soz-Kult von
Thorsten Logge, Fachbereich Geschichte, Universität Hamburg

Seit 2007 besteht an der Universität Bremen das von Eva Schöck-Quinteros initiierte und geleitete Projekt „Aus den Akten auf die Bühne“.1 In Kooperation mit der Bremer Shakespeare Company (bsc) entstehen hier in mehrsemestrigen Projektlehrveranstaltungen szenische Lesungen zu bislang wenig erforschten Themen der Bremer Regional- und Lokalgeschichte im 20. Jahrhundert. Von Studierenden in Archiven und Bibliotheken recherchiertes Material wird dabei zu einem Quellenkonvolut aus mehreren hundert Seiten zusammengeführt und dem Regisseur der bsc, Peter Lüchinger, übergeben, der das umfangreiche Material zu einem Skript für szenische Lesungen verdichtet und diese mit den Darstellerinnen und Darstellern der Shakespare-Company zur Aufführung bringt. Die Eingriffe der auf diese Weise zu einer „emotionalen Geschichte“2 kuratierten Quellen beschränken sich dabei im Wesentlichen auf Montagen und Kürzungen und setzen ansonsten auf die Wirkungsmächtigkeit und Überzeugungskraft der unkommentierten Originaldokumente. Die in Archiven und Bibliotheken recherchierten Quellen werden aber nicht nur dem Theater zugeführt, sie bilden auch die Grundlage für wissenschaftliche Artikel, die von Studierenden zu einzelnen Fragestellungen und Themenfeldern angefertigt und in seit Projektstart von Programmheften zu Begleitbänden angewachsene Publikationen veröffentlicht werden.

2011 bis 2013 wurde die alltags-, regional- und lokalhistorische Bedeutung des Ersten Weltkriegs für die Hansestadt Bremen zum Gegenstand von „Aus den Akten auf Bühne“. Inspiriert von Roger Chickerings Studie über Freiburg im Ersten Weltkrieg3 wurden die Auswirkungen des Krieges auf alle Bereiche des Alltagslebens in Bremen betrachtet und die bislang wenig erforschte Geschichte der „Heimatfront“ in Bremen erschlossen. Die Veröffentlichungen zu diesem Projekt umfassen insgesamt drei Bände und eine DVD mit einer Aufzeichnung der szenischen Lesung. Wie bei vorherigen Produktionen erarbeiteten die Studierenden im Zuge ihrer Recherchen einen Quellenkorpus mit einem Umfang von in diesem Fall gut 1000 Seiten. Das Manuskript der Lesung ist in Band 6.3 veröffentlicht. Die wissenschaftliche Begleitpublikation teilt sich in zwei Bände. Der bereits erschienene Band 6.1 beinhaltet im Wesentlichen die Mobilisierungsphase und die erste Kriegsphase bis 1916, die Aufsätze in Band 6.2 (im Druck) werden sich mit den letzten Kriegsjahren beschäftigen.

Wissenschaftliche Artikel und dokumentarische Abteilungen wechseln sich in dem vorliegenden Band 6.1 ab. Den Auftakt macht eine Chronik Bremens im Ersten Weltkrieg von 1914 bis 1919. Sie basiert auf vorliegenden Chroniken und Forschungsliteratur und wurde ergänzt um Daten aus den Recherche- und Arbeitsergebnissen des Projekts. Der Chronik folgt eine Dokumentation der Erklärung des Kriegszustands in Bremen. Mit ihr wird das große Thema des Ersten Weltkrieges nicht nur eröffnet sondern zugleich auch quellenbasiert auf den regional- und lokalhistorischen Kontext heruntergebrochen und für die Verortung des Themas wie der Leserinnen und Leser genutzt.

Imke Schwarzrock, Mitarbeiterin des Landesinstituts für Schule in Bremen, stellt in ihrem ersten Beitrag das „Kriegstagebuch“ von Wilhelmine Buchholtz, geb. Ludewigs, vor. Buchholtz ist als Ehefrau des Apothekers Rudolf Buchholtz dem Bremer Bürgertum zuzurechnen. In ihrem Tagebuch sammelt Buchholtz in einer zunächst auf Außenwirkung zielenden Darstellung Abschriften von Berichten und Depeschen über den Kriegsverlauf. Ab 1915 schlägt die Darstellung um in zunehmend persönliche und familiäre Berichte, die den Krieg schließlich fast vollständig ausblenden. Erst mit den revolutionären Nachwehen zum Kriegsende und der damit einhergehenden identitären Bedrohung des konservativ-bürgerlichen Weltbilds der Autorin richtet diese den Fokus wieder stärker auf das allgemeine Geschehen, bis sie die Aufzeichnungen im Sommer 1919 schließlich abbricht. Das sich in Privatbesitz befindende „Kriegstagebuch“ von Wilhelmine Buchholtz ermöglicht Einblicke in das Leben und Denken des Bremer Bürgertums in der Zeit des Ersten Weltkriegs. Zugleich veranschaulicht es die Auswirkungen des Krieges auf das sich verändernde Alltagsleben der Stadt und ihrer Bewohnerinnen und Bewohner. Für den Sammelband nimmt das bislang unveröffentlichte Buchholtz-Tagebuch dann auch eine zentrale Rolle ein: Thematisch passende Auszüge flankieren in grafisch herausgehobener Darstellung den Band an unterschiedlichen Stellen und wirken so als implizit-quellengestützte Vertiefung und Kommentierungen der jeweiligen Ausführungen, denen sie zugeordnet sind.

Die nachfolgenden Beiträge öffnen ein breites Panorama an Analysen und Dokumentationen zu verschiedenen Aspekten des Krieges und seiner Auswirkungen in der und auf die Hansestadt Bremen. Die Bandbreite reicht dabei vom Bremer Infanterie-Regiment Nr. 75 (Sebastian Willert) über die „Liebesgaben“ vor allem Bremer Frauen an die Front (Larena Schäfer), Kriegsgefangene in der Stadt (Johannes Beermann), Feldpostbriefe und die Repräsentation von Männlichkeit in der Korrespondenz zwischen Front und Heimat (Daniel Kück), das Verhältnis von Jugend, Staat, Militär und Sport (Anna Mamzer), die Entwicklung der städtischen Lebensmittelversorgung (Nico Wiethof), die Rolle des bremischen Theaterwesens im Rahmen der geistigen Mobilmachung (Rita Schulte), die Entdeckung des Osmanischen Reichs in der Wahrnehmung des städtischen Publikums (Cihanay Sahin) bis hin zur Entwicklung des Norddeutschen Lloyds als herausragendes Beispiel der Bremer Schifffahrt.

Schon die Beiträge des ersten Bandes zeichnen damit den Ersten Weltkrieg nach Chickerings Vorbild als einen „totalen Krieg“ und können dessen Spuren in verschiedenen Teilbereichen des städtischen Lebens nachweisen und nachzeichnen.

In seinem Beitrag über „Das Infanterie-Regiment Nr 75 und die Bremer Heimatfront“ skizziert Sebastian Willert die anfängliche Kriegsbegeisterung in Bremen, die sich in hohen Freiwilligenzahlen bei der Rekrutierung für den Militärdienst niederschlägt. Willert beschreibt den Aufbruch der Bremer Regimenter in den Krieg und die bislang wenig erforschte Beteiligung Bremer Regimenter an Kriegsverbrechen im belgischen Löwen. Willert kann zeigen, wie durch die als „Liebesgaben“ bezeichneten Geschenke für die Soldaten im Einsatz, Gedenkfeiern und Gottesdienste in der Hansestadt oder Besuche politischer Akteure an der Front die Verbindung zwischen der Stadt und ihren im Einsatz befindlichen Regimentern stets aufrechterhalten wurde.

Die Organisation und Arbeit der Abteilung Liebesgaben im Zentral-Hilfs-Ausschuss (ZHA) des Roten Kreuzes in Bremen wird von Larena Schäfer vertieft. Sie beschreibt, wie der ZHA in der Stadt ein verzweigtes Netzwerk zur Erhebung und Distribution von Sachspenden für den Versand an die Front aufbaute und unterhielt. Schäfer sieht im Anschluss an Christa Hämmerle die als „Liebesgaben an die Front“ bezeichneten Geschenke für die Soldaten als emotionale, kriegsstützende Verbindung zwischen männlich konnotierter Front und weiblich konnotierter „Heimatfront“, die über das materielle Opfer der Liebesgabe zur Kriegsgemeinschaft zusammengeschlossen wurden.

Johannes Beermann widmet sich dem Kriegsgefangenenlager auf dem Gelände der ehemaligen Viehquarantäneanstalt im Bremer Industriehafen. Das Gefangenenlager wurde von einer Betriebsgesellschaft betrieben, die von den Bremer Atlaswerken und der AG Weser gegründet wurde, um den kriegsbedingten Arbeitskräftemangel in Bremen durch den Einsatz von Kriegsgefangenen als Zwangsarbeiter zu kompensieren. Dabei führte der Arbeitseinsatz auf den Werften, in der Industrie und in der Landwirtschaft auch zu Kontakten und Beziehungen zwischen der Bremer Zivilbevölkerung und Kriegsgefangenen, die sich angesichts einer sich steigernden Angst vor Sabotageakten ab 1917 zunehmend spannungsreich gestaltete und unter behördlichen Generalverdacht geriet.

Mit dem bekannten Quellentypus der Feldpostbriefe beschäftigt sich der Beitrag von Daniel Kück. Kück gelingt dabei eine differenzierte, quellennahe und personenbezogene Analyse der Wahrnehmung von und Auseinandersetzung mit Konzepten heroisch-soldatischer Männlichkeit am Beispiel des Bremer Soldaten Carl Heise. Diesem diente die Feldpost unter anderem als Bewältigungsmedium, um mangelnde Identifikation mit dem militärischen Ordnungssystem und dem Einsatz im Krieg gegenüber seinem familiären Kontext zu artikulieren und erlebte Differenz im Kriegsalltag zu bewältigen. Feldpostbriefe sieht Kück als wertvollen Quellentypus der Männlichkeitsgeschichte, die einerseits dazu beitragen können, die Aneignung und Handlungsrelevanz geschlechtlicher Leitbilder auf subjektiver Ebene zu überprüfen, andererseits einen Zugriff auf den Prozess männlicher Identitätsbildung erlauben.

Von Daniel Kück stammt auch die nachfolgende Dokumentation ausgewählter Feldpostbriefe und -karten der Bremer Arbeiterfamilie Pöhland. Die hier zusammengetragene Sammlung umfasst insgesamt 25 neu annotierte Briefe und Postkarten, von denen elf bislang gänzlich unveröffentlicht waren.

Mit dem „Erlass betreffend die militärische Vorbereitung der Jugend während des mobilen Zustandes“ vom 16. August 1914 wurde die Heranziehung von Jugendlichen zu militärischen Hilfs- und Arbeitsdiensten ermöglicht, die auf den späteren Militärdienst vorbereiten sollten. Der Erlass ermöglichte und vereinfachte jedoch auch den staatlichen Zugriff auf Arbeiterkinder und deviante Jugendliche, die im Verdacht standen, sich unter der anti-militaristischen Agitation der Sozialdemokratie politisch zu radikalisieren. Anna Mamzer kommt bei ihrer Untersuchung zu dem Schluss, dass der gewünschte Zugriff auf die Jugendlichen in Bremen nicht realisiert werden konnte und das Programm auch trotz fortgesetzter und intensivierter Bemühungen bis zum Kriegsende kaum Erfolg hatte.

Jugendliche auf den Kriegseinsatz vorzubereiten war auch das erklärte Ziel des im November 1911 von Generalfeldmarschall Colmar Freiherr von der Goltz gegründeten Jungdeutschlandbundes (JDB). Die Erhöhung der Wehrfähigkeit von Jugendlichen sollte nach den Vorstellungen des JDB durch Wehrsportübung in Zusammenarbeit mit bestehenden Sportvereinen erreicht werden. Eine von Anna Mamzer zusammengestellte Dokumentation von Artikeln aus den Bremer Nachrichten aus dem März und April 1914 dokumentiert einerseits die Aktivitäten und Ziele des Jungdeutschlandbunds, andererseits das Ausmaß der Unterstützung durch das Bremer Bürgertum und die politischen Eliten der Hansestadt.

Nico Wiethof beschreibt die Auswirkungen des Krieges auf die alltägliche Lebensmittelversorgung in Bremen und die Reaktionen der Bevölkerung auf die zunehmend schlechter werdende Versorgungslage. Bereits im April 1915 mussten die Behörden regulierend in das Konsumverhalten der Stadtbevölkerung eingreifen – ohne jedoch eine zufriedenstellende Regulierung der Lebensmittelversorgung bewerkstelligen zu können. Während die ersten regulierenden Eingriffe noch ohne nachhaltige Wirkung auf die Stimmungslage der Bevölkerung blieben, änderte sich dies im weiteren Kriegsverlauf. Die Abhängigkeit der öffentlichen Ordnung von einer funktionierenden Lebensmittelversorgung wurde in der zweiten Kriegshälfte schließlich besonders deutlich, als der steigende Unmut schließlich in Krawallen und gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und der Polizei mündete.

Rita Schulte zeigt in ihrer Untersuchung der Bremer Theaterlandschaft in den Jahren 1914 und 1915, wie sich besonders zu Kriegsbeginn die Theater auf kulturell-künstlerischem Gebiet an der geistigen Mobilmachung beteiligten, indem sie den Krieg auf die Bühne holten und zur Festigung der Kriegsgemeinschaft beitrugen, indem sie einen Raum für die kollektive Kriegserfahrung der Zuschauerinnen und Zuschauer bereitstellten und bespielten.

Das Bremer Theaterpublikum blieb dabei nicht passiv, sondern forderte von den Theatern das nationale Engagement auch aktiv ein, wie die Dokumentation des Bremer Theaterskandals von 1914 zeigt. Der am Bremer Stadttheater engagierte russische Opernsänger Juan Spivak war nach national-chauvinistischen Beschwerdebriefen aus der Bevölkerung von Stadttheaterdirektor Julius Otto entlassen worden. Die Dokumentation umfasst unter anderem die Beschwerdebriefe über Spivak, die Korrespondenz zwischen Otto und Spivak sowie Kommentare aus der Presse.

Cihanay Sahin berichtet, wie das bis dahin in Bremen eher unbekannte Osmanische Reich nach Kriegseintritt auf der Seite des Kaiserreichs durch Theateraufführungen und vor allem die Presseberichterstattung Eingang in die öffentliche Wahrnehmung der Bremer fand und welche Handelsoptionen sich für die Bremer Kaufmannschaft durch die neue Verbindung eröffneten.

Den Abschluss bildet schließlich eine Betrachtung der bremischen Schifffahrt im Ersten Weltkrieg am Beispiel des Norddeutschen Lloyds als ihrem herausragendsten Vertreter von Imke Schwarzrock.

Durch die Einzelbeiträge und das bereitgestellte Quellenmaterial werden unterschiedliche Aspekte und Facetten des Krieges und seiner Auswirkungen auf das Leben und den Alltag der Stadtbewohner anschaulich vor Augen geführt. Der Band leistet somit einen wesentlichen Beitrag zur stadt- und regionalhistorischen Erschließung der Geschichte des Ersten Weltkriegs in Bremen. Ein besonderes Verdienst dieser in wesentlichen Teilen von Studierenden vorgelegten Arbeit liegt jedoch darin, das Großthema Erster Weltkrieg lokal- und alltagshistorisch zu erden und anzubinden und darüber die Totalität des Kriegserlebnisses ausschnittsweise zugänglich zu machen.

Für das Aufführungs-Manuskript in Band 6.3 hat Peter Lüchinger das ihm zugeführte Quellenmaterial gesichtet und zusammengestellt mit dem Ziel, die Alltagserfahrung des Krieges für ein breiteres Publikum aufzubereiten und dabei möglichst viele Perspektiven auf das Thema zu eröffnen. Als roter Faden für die Lesung dienen ihm einerseits der in Band 6.1 dokumentierte Briefwechsel des Arbeiterpaars Anna und Robert Pöhland. Kontrastierend hierzu stützt sich Lüchinger auf Auszüge aus dem Kriegstagebuch von Wilhelmine Buchholtz. Während das Buchholtz-Tagebuch sich über den gesamten Zeitraum des Ersten Weltkriegs erstreckt, endet die Korrespondenz zwischen Robert und Anna Pöhland mit dem Tod Roberts, der am 21. Oktober 1916 in der Schlacht an der Somme stirbt. Um jedoch die chronologische Anlage der szenischen Lesung nicht aufzuheben und den gesamten Kriegszeitraum abdecken zu können, führt Lüchinger den Pöhland-Briefwechsel undatiert bis in den Herbst 1918 fort. Neben den beiden Hauptquellen werden Auszüge aus Bremer Zeitungen, Verordnungen, weitere Korrespondenzen, das Theaterstück „Die Heilige Not. Ein Schauspiel aus den Tagen der Mobilmachung“ von Wilhelm Scharrelmann, Polizeiberichte, Senatsprotokolle, ein Schulaufsatz, Krankenakten und weitere Quellen herangezogen.

Das letzte Wort im Manuskript gehört Wilhelmine Buchholtz, die sich Ende 1918 „einen Mann wie Bismarck“ wünscht, der mit eisernem Griff die Zügel der Regierung ergreift“ (Bd. 6.3, S. 61) – ein unheilvoller Ausblick auf den kommenden Nationalsozialismus. Diese Schlussfolgerung auf die noch größere, noch grauenvollere Katastrophe erschließt sich Buchholtz selbst freilich nicht. Sie wird den Zuschauerinnen und Zuschauern überlassen, die über das nötige historische Wissen verfügen, den Ersten Weltkrieg als Vorläufer, Wegbereiter oder Ausgangspunkt des Zweiten zu sehen und ihn somit als Auftakt zu einem zweiten dreißigjährigen Krieg in Europa deuten können.

Das Aufführungsmanuskript bietet einen guten Einblick in die Konstruktionsleistung von Peter Lüchinger, dem es sehr gut gelingt, die von ihm avisierte „emotionale Geschichte“ zu erzählen. Diese Geschichte tritt den Zuschauerinnen und Zuschauern im Manuskript und vor allem während der szenischen Lesung jedoch nicht als Erzählung entgegen, sondern als Mischung aus Quellensammlung und historischem Reenactment. Daraus ergibt sich ein unausgesprochener, zugleich aber auch unhinterfragter Anspruch auf Authentizität und Faktizität des dargebrachten Materials – und darauf, die historische Wahrheit abzubilden. Die Autorenschaft und narrative Konstruktionsleistung Lüchingers tritt dabei hinter der unstrittigen Echtheit der Quellen zurück und wird gleichsam unsichtbar, auch wenn das Verfahren der Manuskripterstellung in der Einleitung des Bandes transparent ausgewiesen wird. Es wäre erfreulich, wenn in einem der künftigen Begleitbände der hier angelegte Prozess subversiver erinnerungskultureller Geschichtsbildproduktion kritisch reflektiert würde.

Anmerkungen:
1 Zum Projekt „Aus den Akten auf die Bühne“ siehe <www.sprechende-akten.de> (18.03.2015); Sigrid Dauks, „Aus den Akten auf die Bühne.“ Inszenierungen in der archivischen Bildungsarbeit, Berlin 2010 (Historische Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit, Bd. 2); Eva Schöck-Quinteros / Nils Steffens, Aus den Akten auf die Bühne – Studierende erforschen Eine Stadt im Krieg. Ein geschichtswissenschaftliches Crossover-Projekt zwischen Forschung, Lehre und Theater, in: Ludwig Huber / Margot Kröger / Heidi Schelhowe (Hrsg.), Forschendes Lernen als Profilmerkmal einer Universität. Beispiele aus der Universität Bremen, Bielefeld 2013, S. 195–209; Sigrid Dauks / Eva Schöck-Quinteros: „Am Anfang habe ich schon nach Luft geschnappt!“ – Das Projekt Aus den Akten auf die Bühne an der Universität Bremen, in: Ulrike Senger / Yvonne Robel / Thorsten Logge (Hrsg.), Projektlehre im Geschichtsstudium. Verortungen, Praxisberichte und Perspektiven. Gütersloh 2015 (im Druck).
2 Dauks 2010, S. 89.
3 Roger Chickering, Freiburg im Ersten Weltkrieg. Totaler Krieg und städtischer Alltag 1914–1918, Paderborn 2009.

Redaktion
Veröffentlicht am
Beiträger
Redaktionell betreut durch